So funktionieren kleine Kraftwerke auf dem eigenen Balkon - Professor Stolz gibt Tipps, wie man den eigenen Strom am besten selbst nutzen kann
Balkonkraftwerke in der Region Koblenz: Lohnt sich die Anschaffung?
Julia Holly, Co-Fachabteilungsleiterin sei Solarista, und Nicolai Kretz sind für den Ansturm, der dieses Jahr bei der EVM erwartet wird, gerüstet. Die Mini-Solarkraftwerke lassen sich in vielerlei Arten auf Balkonen oder am Dach aufbringen.
Thomas Brost

Viele wollen was für den Klimaschutz unternehmen, es scheitert aber meist am „Kleingeld“. Denn selbst der Normalverdiener mit Wohneigentum ist kaum in der Lage, sich eine teure Fotovoltaikanlage aufs Dach aufbringen zu lassen. Geschweige denn der kleine Mieter. Was tun? Wer trotz allem damit liebäugelt, die Kraft der Sonne zu nutzen, dem schwebt womöglich die Installation eines Balkonkraftwerks vor. Ist das sinnvoll, und rechnet sich das?

Julia Holly, Co-Fachabteilungsleiterin sei Solarista, und Nicolai Kretz sind für den Ansturm, der dieses Jahr bei der EVM erwartet wird, gerüstet. Die Mini-Solarkraftwerke lassen sich in vielerlei Arten auf Balkonen oder am Dach aufbringen.
Thomas Brost

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: mit der Energie der Sonne den gestiegenen Energiepreisen auf dem heimischen Balkon zu trotzen. Doch lohnt sich eine Anschaffung eines Balkonkraftwerkes überhaupt? Und was muss dabei alles beachtet werden? Die RZ hat dazu mit einem Energieerzeuger und einem Experten von der Hochschule Koblenz gesprochen.

1Ist der Einbau eines kleinen Solarkraftwerks auf dem Balkon sinnvoll? Was sind die Regeln, die beachtet werden müssen? Bis zum Februar vorigen Jahres, dem Beginn des Ukraine-Krieges, hat Professor Johannes Stolz vor Publikum gesagt, dass sich ein Solarkraftwerk mit zwei Modulen und Wechselrichter binnen vier bis sieben Jahren, je nach Position der Module und Verbrauchsprofil im Haushalt, auszahlen werde. Jetzt habe sich die Zeit halbiert. „Also, nach zwei bis vier Jahren hat man die Anschaffungskosten raus“, sagt der Experte vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften der Hochschule Koblenz. Steigende Strompreise auf der einen Seite, sinkende Materialkosten auf der anderen Seite trügen dazu bei. Johannes Stolz ist felsenfest überzeugt, wenn er sagt: „Eine Anlage lohnt sich fast in jedem Fall.“ Zumal solche Mini-Anlagen eine Lebensdauer von mehr als 20 Jahren hätten. Wechselrichter müssten nach etwa zehn Jahren getauscht werden.

Erstmals ergeben sich Chancen für diejenigen, die Mieter sind oder die zu wenig Fläche für eine Fotovoltaikanlage auf ihrem Dach haben. „Und auch für die, die einen ersten Einstiegspunkt für Solarenergie suchen“, betont Ivonne Liedloff, Fachbereichsleiterin Innovationsmanagement beim Energieerzeuger EVM. Angesichts der Größe von 1,70 mal 1 Meter lasse sich ein 325-Watt-Modul spielend auf vielen Balkonen unterbringen. Einige Regeln gilt es vorab zu bedenken. Mini-Anlagen sind nicht genehmigungspflichtig, sie müssen nur bei der Bundesnetzagentur und beim Netzbetreiber angemeldet werden. „Dann liegt der Ball beim Netzbetreiber“, erläutert Stolz. Was so viel heißt wie: Der Energieversorger ist zuständig, den Zähler zu prüfen und gegebenenfalls kostenlos auszutauschen. Als Privatmann darf man derzeit maximal 600 Watt ins Stromnetz einspeisen, das soll auf Sicht erhöht werden. Die Wechselrichter müssen eine interne Abschaltvorrichtung haben.

2Wie wird der Strom genutzt, und wie hoch ist die Einsparung durch die Sonnenenergie? Für Menschen, die morgens früh das Haus verlassen und gegen Mitternacht zurückkommen, ohne dass Verbraucher im Haus sind, lohne sich eine Mini-Anlage nicht, sagt Professor Stolz. Sie lohne sich um so mehr, je mehr Strom man direkt selbst verbraucht. „Würde man das runterrechnen, so kostet die Kilowattstunde Balkonstrom nur 4 bis 5 Cent“, sagt Stolz. Im Vergleich zu Bezugsstromkosten von 35 Cent pro Kilowattstunde sei dies ein deutlicher Unterschied. Es sei sinnvoll, die nicht zeitkritischen Geräte wie Waschmaschinen, Spülmaschinen oder Trockner erst dann laufen zu lassen, wenn die Sonne scheint.

Strahlt die Sonne, freut sich der Stromerzeuger
EVM/Marcelo Peerenbohm

„Selbst Tiefkühltruhen lasse ich gesteuert laufen, die sind bei mir nachts aus“, erklärt Stolz. Jede Kilowattstunde, die nicht direkt verbraucht werde, gehe ins Netz, werde also quasi an den Energieversorger verschenkt. Auch der Pressesprecher der EVM, Marcelo Peerenboom, hat sein Verhalten nach Einbau einer Fotovoltaikanlage geändert. „Ich programmiere die Waschmaschine so auf 12 Uhr, wenn die Helligkeit am stärksten ist“, sagt er. Beim „Boom-Thema“ – die EVM hat im vorigen Jahr 640 Anlagen als Komplettset verkauft – ist die EVM mit vorn dabei, sie hat eine eigene Abteilung mit Namen „Solarista“ gegründet. „Wir waren drei Monate nicht lieferfähig, hätten mehr als 1000 Anlagen verkaufen können“, sagt Nicolai Kretz von der EVM. Jetzt seien die Lieferketten wieder ohne Lücken, die hohe Nachfrage könne gedeckt werden. Nicolai Kretz beziffert die Einsparung bei zwei Solarmodulen auf circa 137 Euro pro Jahr.

3Wie schwierig ist der Einbau von Modulen? „Die Module werden fast wie ein Balkonkasten aufgehängt“, erklärt EVM-Mann Kretz. Die Montage sei einfach, es gebe ein Montageset, mit dem man die Module am Geländer des Balkons festmachen könne. Mit einem Schuko-Stecker werde der Kontakt zum Hausnetz hergestellt. „Man kann schnell und einfach loslegen, der Aufbau dauert höchstens 20 Minuten“, so Kretz. Auf ihrer Webseite hat die EVM eine Anleitung zum Aufbau, bei Fragen hilft auch die Hotline weiter. Die Anlagen, ergänzt Johannes Stolz, seien so einfach, dass „sie auch von elektrotechnischen Laien gekauft, installiert, in Betrieb genommen, angemeldet und betrieben werden können.“ Ein Modul ist 20 Kilogramm schwer.

4Wie wird sich der Markt entwickeln? Gibt es Probleme bei der Lieferung? Einen regelrechten Preiskampf um Mini-Anlagen liefern sich Baumärkte, Discounter, Onlineshops und als einziger Energieversorger in der Region die EVM, die seit zwei Jahren im Wettbewerb ist. Komplettsets mit 800-Watt-Modulen und 600-Watt-Wechselrichter sind für 450 bis 600 Euro erhältlich. Zwei Module kosten etwa 800 Euro. Die EVM-Komplettsets erfreuen sich nach eigener Angabe nicht nur bei Bürgern großer Beliebtheit. „Stadtwerke aus ganz Deutschland kommen und fragen händeringend nach Solarlösungen“, betont Pressesprecher Peerenboom. Zumal es nur wenige Anbieter von Mini-Anlagen zurzeit gebe. „Wir sind auf diesem Gebiet Pioniere.“

Den Vogel aus EVM-Sicht hat die Gemeinde Eimeldingen in Baden-Württemberg abgeschossen: Sie hat 48 Anlagen in einer Sammelbestellung in Koblenz geordert. Die EVM beantwortet auch Fragen nach Fördermöglichkeiten vonseiten der Gemeinden. Vor der Förderung muss ein Angebot erstellt werden, eine Förderlandkarte ist auf der EVM-Webseite einsehbar. Unterstützt werden Fotovoltaikanlagen beispielsweise von der Stadt Koblenz, die auch ein 500-Dächer-Programm aufgelegt hat und bei Balkonkraftwerken 70 Euro je Modul hinzusteuert. Am spendabelsten ist jedoch die Gemeinde Urmitz: Sie bezuschusst jede Solaranlage im Miniformat mit 100 Euro je Modul.

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