Im Oktober vergangenen Jahres hatte der sogenannte „Axtmörder“ in der Limburger Weiersteinstraße zuerst seine von ihm getrennt lebende Ehefrau überfahren und war anschließend mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Mauer gerast. Nahezu unverletzt konnte er das Auto verlassen, um dann mit einem Fleischerbeil und einer Axt auf sein regloses Opfer einzudreschen.
Vier Mal drei Stunden hatte sich der forensische Psychiater Prof. Hartmut Berger mit dem Angeklagten unterhalten, um herauszufinden, was für ein Mensch Imad A. ist – und was ihn zu seiner grausamen Tat getrieben hat.
Der Argumentation des Strafverteidigers Wolfgang Stahl, dass der von Frau und Kindern verlassene Mann aus Lebensüberdruss gehandelt habe, konnte der Experte nicht folgen. „Ein erweiterter Suizid geschieht zumeist aus altruistischen Motiven heraus“, erklärte Berger. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn der Suizidant eine andere Person mit in den Tod nimmt, weil er glaubt, dass dieser Mensch ohne ihn nicht zurechtkommen wird. Auch die Möglichkeit, dass Imad A. sich aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung selbst umbringen wollte, zweifelt der Psychiater an. Gegen eine beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit spreche die akribische Vorbereitung. „Der Mann war bis an die Zähne bewaffnet und hatte die Sicherheitssysteme des Fahrzeugs abgeschaltet“, so Berger. Für den Mediziner zeuge die Tat von Rachegefühlen. Selbst als Sana A. durch den Aufprall des schweren Fahrzeugs mehr als 20 Meter durch die Luft geschleudert worden war und bereits im Sterben lag, habe sich der Täter mit aller Kraft versichert, dass sie auch tatsächlich ums Leben kommt.
Imad A. behauptet, sich an den Einsatz von Metzgerbeil und Axt nicht zu erinnern. Auch dies hält der Psychiater für vorgeschoben. Zwar könne eine Gehirnerschütterung als Folge davon, dass der Angeklagte mit mehr als 90 km/h gegen eine Hauswand gerast ist, zu Gedächtnisverlust führen. Doch hier sei die Erinnerungslücke scharf abgegrenzt und deshalb unglaubwürdig. Prof. Becker beschreibt den 34-Jährigen als jemanden mit wenig Fähigkeit zur Selbstkritik. Er habe sich sein Lebtag um Anerkennung bemüht, ohne entsprechend wertgeschätzt zu werden. Die Ehefrau habe er gebraucht, um das Ideal einer intakten Familie zu realisieren. „Offenkundig hat er dabei übersehen, dass Sana A. eigene Vorstellungen hat.“ Im Rahmen der Exploration führte der Gutachter auch zwei psychologische Untersuchungen anhand von standardisierten Fragebögen durch. Bei dem einen sollte der Angeklagte sich selbst in Bezug auf psychische Krankheitsbilder beurteilen. Die andere Liste fragte ab, wie er sich binnen der letzten sieben Tage gefühlt habe. „Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Ergebnisse beider Untersuchungen nicht plausibel“, so Berger. Er glaubt, der Angeklagte habe sich übertrieben schlecht und pathologisch dargestellt.
Auch ein Fachmann der Dekra kam am nunmehr siebten Verhandlungstag zu Wort. Er hatte den Sicherheitsgurt des Tatfahrzeugs untersucht, um festzustellen, ob dieser bei dem Crash angelegt gewesen ist. Seine Expertise entkräftete ebenfalls die Selbstmordtheorie. Der Zustand des Gurtbandes an jenen Stellen, wo beim Aufprall die Gurtstraffer wirkten, wiesen Spuren einer thermischen Belastung auf. Daraus lasse sich ableiten, dass Imad A. den Gurt ordnungsgemäß angelegt hatte.
Der Prozess wird am 17. Juni fortgesetzt.