Der junge Abiturient hat sich einer Gattung verschrieben, die ein wenig aus der Mode gekommen ist: Kurzgeschichten. Unter dem Titel „Elysium“ hat er sich für Kurzprosa entschieden, und zwar, wie er schreibt, weil Kurzgeschichten „den Augenblick einfangen und eine gesellschaftliche Entwicklung widerspiegeln“. Viel zu sehr hätten sich Autoren Thrillern und Romanen zugewandt, auf Kosten von Kurzgeschichten.
So weit die sanfte Variante der „Short Stories“. In einem parallel geschriebenen Buch gleichen Namens liefert Michael Lutz eine „Special Edition“. In dieser Spezialausgabe hat er Geschichten mithilfe von Grusel, Horror und Schrecken gewürzt. Ganz offen angelehnt an seine literarischen Vorbilder Edgar Allen Poe, E.T.A Hoffmann und Mary Shelley. Kostprobe gefällig? In der Geschichte „Das Weib im Spiegel“ treibt ein Nachtmahr sein Unwesen: Er warnt den armen Protagonisten, dessen Frau gestorben war, davor, in einen Spiegel zu blicken. Zuvor hatte sich alles, was ihm und seiner Frau widerfuhr, gleichsam in Gold verwandelt. Doch von einstigem Reichtum und Zufriedenheit ist nichts geblieben. Er droht in Alkohol, Opium und Halluzinationen unterzugehen. Der Leser ahnt es: Der Mann kann den Blick nicht von dem ominösen Spiegel lassen – und erfährt eine heikle Überraschung.
Bücherwechsel, hin zum „sanfteren Elysium“: ein Heiligabend, bei Schweinebraten und Wein. Alles scheint harmonisch in dieser großen Gesellschaft von Freunden. Doch dann wächst die Eifersucht von Franz, dem Protagonisten in der Kurzgeschichte „Abbilder“, schier ins Unermessliche. Die Lage droht zu eskalieren. Die Gewaltbereitschaft steigt und mündet in ein unerwartetes Finale.
Mit viel Einfühlungsvermögen und Detailgenauigkeit hat Michael Lutz seine Geschichten zu Papier gebracht. Deutlich ist zu spüren, dass seine Leidenschaft dem Wortspiel und dem Ausleben von Fantasie gilt. „Es ist viel wert, seine Leidenschaft zu finden“, hat er zu einem früheren Zeitpunkt mal gesagt. Der 19-Jährige will der Schriftstellerei treu bleiben, auch wenn er sich derzeit auf sein Studium der Philosophie und Germanistik in Bonn im Wintersemester vorbereitet. Zeit, um ein neues literarisches Feld zu beackern. Michael Lutz schreibt an Essays über politische Themen mit ethischen Hintergründen. Das klingt verheißungsvoll. Thomas Brost
Michael Lutz, Elysium, Kurzgeschichten, 306 Seiten, und Elysium, Horrorausgabe, 210 Seiten, erschienen im Verlagsportal Bookmondo; Kontakt zum Autor: E-Mail michael-kirchwald@web.de und via Instagram writer_michael.lutz