Urteil gegen 49-Jährigen im Andernacher Totschlagsprozess
Andernacher Totschlagprozess: Fünfeinhalb Jahre Gefängnis für Angeklagten
Der 49-jährige Angeklagte und sein Verteidiger, Rechtsanwalt Michael Hürth. In der Mitte sitzt eine Dolmetscherin. Foto: Johannes Mario Löhr
Johannes Mario Löhr

Andernach/Koblenz. Fünfeinhalb Jahre Gefängnis lautet das Urteil im Totschlagsprozess Andernach. Die 14. Koblenzer Strafkammer um Richter Rupert Stehlin sah es als erwiesen an, dass der 49-jährige Angeklagte im April dieses Jahres einen Mann vor einer Andernacher Industriebrache erwürgt hat.

Lesezeit 2 Minuten

Der 49-jährige Angeklagte und sein Verteidiger, Rechtsanwalt Michael Hürth. In der Mitte sitzt eine Dolmetscherin. Foto: Johannes Mario Löhr
Johannes Mario Löhr

Die Kammer folgte damit weitestgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Michael Hürth, hatte auf Freispruch plädiert. Er will nun in Ruhe mit seinem Mandanten das Thema Revision besprechen.

Angeklagter habe die Tat wohl sofort bereut

Zunächst gab am Donnerstag Katharina Stahlhofen als psychiatrische Sachverständige eine Stellungnahme ab. Der weißrussische Angeklagte, so die Expertin, habe zur Tatzeit wohl über vier Promille Alkohol im Blut gehabt. In der Folge sei seine Urteilsfähigkeit sicherlich eingeschränkt, indes nicht gänzlich aufgehoben gewesen. Die Tatsache, dass die Leiche mit einer Plane abgedeckt worden war, erklärte Stahlhofen im Gericht mit einem Verweis auf das psychologische Phänomen des „Undoing“, zu Deutsch „Ungeschehen machen“, welches auch beim Criminal Profiling eine Rolle spielt.

Der Angeklagte habe die Tat wohl sofort bereut. Um sie rituell ungeschehen zu machen, die Tat symbolisch zurückzunehmen, sich beim Opfer zu entschuldigen, habe er den Leichnam mit einer Plane bedeckt. Wohl auch, weil er das schreckliche Ergebnis der Nacht nicht mit seinem Selbstbild in Einklang bringen konnte. Der Weißrusse habe das Geschehene nicht wahrhaben wollen, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“, so Stahlhofens Erklärung dafür, dass die Einlassungen des Angeklagten immer an dem Punkt endeten, wo er den Mann am Halse packt.

Ein Notwehrexzess mit Todesfolge

Der Verteidiger des 49-Jährigen, Michael Hürth, plädierte am Donnerstag auf Freispruch. Mit einem Verweis auf den nur selten herangezogenen Paragrafen 33 des Strafgesetzbuches, der da kurz und bündig besagt: „Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.“

Hürths Argumentation: In Tatortnähe sei ein Messer gefunden worden, welches DNA-Spuren des Opfers am Griff aufweise. Der Deutsche habe seinen Mandanten an dem Abend offenbar damit attackiert, der Weißrusse habe sich wehren müssen, sei dabei in Panik geraten. Das tragische Resultat: ein Notwehrexzess, der schließlich zum Tod des Opfers geführt habe, so Hürth. Doch die Absicht, den Mann zu töten, habe sein Mandant keineswegs gehabt.

Ukraine-Krieg wohl der Auslöser des Streits

Was der Weißrusse in seinem ausführlichen „letzten Wort“ auch selbst mehrmals, teilweise unter Tränen, unterstrich: „Ich bedauere zutiefst, was passiert ist. Ich war einfach perplex, ich habe mich verteidigt. Ich wollte ihn auf keinen Fall töten, ich habe so was nicht in den Gedanken gehabt. Manchmal denke ich, es wäre vielleicht besser, wenn ich ums Leben gekommen wäre.“

In der Urteilsbegründung betonte Richter Stehlin, dass Paragraf 33 nicht greifen könne, da die finale Attacke vom Angeklagten ausgegangen sei. Das Opfer, so Stehlin, sei wahrscheinlich schon im Begriff gewesen, die Ruine zu verlassen, habe bloß noch kurz pinkeln wollen. Dies erkläre die Tatsache, dass das Opfer mit offener Hose aufgefunden wurde; die Blase des Mannes war laut Obduktionsbericht randvoll.

Bei dem Streit ging es um unterschiedliche Meinungen zum Ukraine-Krieg. Das Opfer hatte an dem Abend auch das ukrainische ESC-Lied abgespielt.

Top-News aus der Region