Der Andernacher Sommelier Sascha Schmidt hat gemeinsam mit Hamburger Unternehmerin Alternative zum Wein kreiert
Andernacher Sommelier geht neue Wege: Sternerestaurant bietet Menübegleitung ohne Promille
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Sascha Schmidt, Headsommelier der RD-Gastro-Gruppe, hat in Kooperation mit der Hamburgerin Mary-Ann Stüve eine alkoholfreie Menübegleitung entwickelt.
Koch Martina. Martina Koch

Andernach. Die Nachfrage nach alkoholfreien Alternativen steigt – sei es in der Fastenzeit, aus gesundheitlichen Gründen oder weil es dem ein oder anderen besser schmeckt. Auch im Andernacher Sternerestaurant Purs bietet man den Gästen eine alkoholfreie Menübegleitung an – und geht dabei neue Wege. Die RZ hat mit Sommelier Sascha Schmidt über Alternativen ohne Promille gesprochen.

Die Weinbegleitung ist in der gehobenen Gastronomie nach wie vor der Goldstandard, erzählt Schmidt: Die Weinkarte des Zwei-Sterne-Restaurants Purs im Andernacher Steinweg umfasst 1500 Positionen. Aus diesen stellt der Sommelier auf Wunsch eine Weinbegleitung zu dem sechs bis acht Gänge umfassenden Menü, das Yannick Noack und sein Team kreieren, zusammen. Sobald der Küchenchef die Komponenten der einzelnen Gänge bekannt gibt, beginnt für Schmidt die Suche nach dem passenden Wein: „Ich möchte immer eine schöne Harmonie erzeugen“, erzählt er. Beim Probekochen im Team bringt er dann die ausgewählten Weine zur endgültigen Abstimmung mit.

Alternativen müssen mit Wein mithalten

Alkoholfreie Alternativen als Menübegleitung haben ihm in der Vergangenheit Kopfzerbrechen bereitet, räumt Schmidt ein: Die Besucher des Purs reisen oft über längere Strecken mit dem Auto an. Wer später noch fahren muss, äußert schon mal den Wunsch nach alkoholfreien Getränken. Diesen Gästen wechselnde Säfte oder Softdrinks zu servieren, entspricht nicht dem Anspruch, den Schmidt an seine Arbeit hat: „Die alkoholfreie Alternative soll sich auf einem ähnlichen Level bewegen wie die Weinbegleitung. Das soll so dicht wie möglich darankommen.“

In der Vergangenheit habe er zweimal in der Woche selbst alkoholfreie Getränke angesetzt. Drei Stunden Arbeitszeit habe er dafür jeweils einkalkulieren müssen. Die Nachfrage habe allerdings von Woche zu Woche stark geschwankt: „Es gab Zeiten, da mussten wir alles wegschütten“, bedauert Schmidt. Denn die frisch produzierten Getränke waren nicht lange haltbar. Schmidt begab sich auf die Suche nach einer Alternative, die sowohl seinem Qualitätsanspruch als auch seinem Wunsch nach Nachhaltigkeit gerecht wird.

Hamburgerin entwickelt eigene Säfte

Fündig wurde er bei einer ehemaligen Kollegin aus Hamburg: Während seiner Tätigkeit für Tim Mälzer hatte er Mary-Ann Stüve kennengelernt. Diese entwickelte damals Säfte für ein Restaurant, spielte aber bereits mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen. Schmidt nahm Kontakt mit ihr auf und fragte, ob sie es sich vorstellen könnte, für die Andernacher Sterneküche exklusive Säfte zu produzieren, die es mit der herkömmlichen Weinbegleitung aufnehmen können.

Mary-Ann Stüve war von der Idee angetan: Sie überarbeitete in Absprache mit Schmidt ihre Rezepturen, machte die Säfte durch Pasteurisieren haltbar und meldete ein Gewerbe an. Als „Saftmädchen“ stellt sie seitdem in der Produktionsküche, die sie in einem Hamburger Tattoostudio eingerichtet hat, Saftmischungen her, die ausschließlich aus natürlichen Zutaten bestehen.

Eichenholzchips sorgen für Aroma

Dabei greift sie auf Komponenten zurück, die man nicht unbedingt mit süßen Früchten in Verbindung bringen würde: So entwickelte sie einen Aperitif, der durch Eichenholzchips einen rauchigen Barrique-Charakter erhält. Dieser kommt als Konzentrat im Purs an und wird dort mit Mineralwasser aufgegossen. Die Säfte für die Menübegleitung füllt Stüve fürs Purs eigens in 0,1-Liter-Fläschchen ab – um zu vermeiden, dass Reste weggekippt werden müssen.

Stüves Saftkreationen heißen „Süßer Apfel“, „Milde Beere“, „Granny Smith Mate“ oder „Aronia und Beeren“. Auch ein mit Aktivkohle versetzter „Black Gin-Tonic“ ist als Aperitif zu haben. Mit herkömmlichen Säften, wie man sie im Supermarkt bekommt, haben diese Getränke nicht viel gemein: In Stüves Küche kommen neben Holzchips auch Kräuter, Pflanzenauszüge oder Molke zum Einsatz, die für eine Vielfalt an Aromen sorgen.

Komplexität ist einzigartig

„Saftmädchen“ beliefert inzwischen mehrere Restaurants, fürs Purs entwickelt sie in Abstimmung mit Sommelier Schmidt speziell aufs Menü abgestimmte Säfte: „Milde Beere“ eignet sich etwa besonders als Begleitung zur Entenleber. Anders als herkömmliche Säfte, bei denen die Süße überwiegt, decken die selbst entwickelten Getränke ein breites Spektrum an Aromen ab, weiß Schmidt: „Die Komplexität ist einzigartig.“

Diese Komplexität fehle ihm hingegen bei alkoholfreien Weinen, auf die inzwischen immer mehr Winzer setzen: „Geschmacklich ist das keine Alternative“, betont Schmidt. Mit den Säften, die Stüve regelmäßig frisch produziert, habe man ein wertigeres Produkt im Angebot, das mit der herkömmlichen Weinbegleitung mithalten könne: „Der Vielfalt sind da keine Grenzen gesetzt.“

Weinbegleitung findet persönlich statt

Zu Gästen, die im Purs eine alkoholfreie Menübegleitung buchen, kommt Sommelier Schmidt persönlich an den Tisch – wie auch bei der Weinbegleitung. In beiden Fällen informiert er über das Produkt, seine Entstehung und warum er es für einen bestimmten Gang ausgewählt hat: „Ich möchte dem Gast eine Geschichte erzählen, deswegen heißt es schließlich Menübegleitung.“

So mancher Gast kommt im Purs auf den Geschmack und fragt, wo sich die Säfte erwerben lassen, erzählt Schmidt. Was das angeht, müsse er aber enttäuschen: Im Einzelhandel sind die Getränke von „Saftmädchen“ nicht erhältlich, allerdings ist eine alkoholfreie Menübegleitung auch zu den asiatisch inspirierten Menüs im Restaurant Yoso buchbar.

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