Andernach
Andernacher Nachbarschaften: In der Rheinstraße war immer was los

Andernach - Die 17 Andernacher Nachbarschaften gehören seit Jahrhunderten zum traditionellen Gut der Bäckerjungenstadt. Die RZ widmet ihnen eine Serie, um die einzelnen Gruppen in ihrer Entstehung nachzuzeichnen. Heute geht es um die Rheinstraßen-Nachbarschaft.

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Die Beiträge stammen von einem rührigen Nachbarn: Heinz Wessels.

Diese ist eine recht kleine Altstadtgemeinschaft. Ihr Gebiet umfasst die Rheinstraße, Teile der Holzgasse, der Mauerstraße und der Meringstraße. Die Rheinstraße ist mit dem Rheintor (bis ins 19. Jahrhundert Kornpforte genannt) das Ausfalltor zum Rhein, umgekehrt ebenso das Tor zur Stadt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kornpforte saniert und baulich verändert, da die Torhöhe nur noch für Ochs- und Eselskarren ausreichte. Über viele Jahrhunderte war die Rheinstraße der Transportweg landwirtschaftlicher Produkte (Korn) aus dem Andernacher Hinterland (Pellenz und Maifeld) zu den Verladeeinrichtungen am Rhein. Erst mit dem Aufbrechen der Stadtmauern und Tore erschlossen sich neue Wege zum Rhein. Die Rheinstraße verlor an Bedeutung. Welche Geltung diese Handels- und Händlerstraße einmal hatte, beweist auch die tolle Fassade des alten Müncheschen Hauses im oberen Teil der Straße.

An Bedeutung gewann die Straße erst wieder mit dem Beginn des KdF-Fremdenverkehrs in der Mitte der 30er-Jahre. Für die Nazi-Tourismus-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) war Andernach mit seinen historischen Baudenkmälern, den wundervollen neuen Rheinanlagen und den über 550 Fremdenverkehrsbetten ein idealer Ferienort. Dies war auch der Start für Andernachs „Feiermeile“, die Rheinstraße. Hier, so hieß es, sei immer etwas los gewesen.

Im Andernacher Stadtmuseum liegt als Leihgabe der Nachbarschaft das Chronikbuch, beginnend im Jahr 1750. Im Jahresbericht 1949/50 ist festgehalten, dass zwei alte Bücher, die beim damaligen Schriftführer Willi Frisch aus der Rheinstraße lagen, beim Bombenangriff am 27. Dezember 1944 in den Trümmern verbrannt sind. Ältere Schriften sind nicht mehr vorhanden. Doch bereits in den 1950er- bis 1970er- Jahren pulsierte das Leben wieder in der Rheinstraße. In fast jedem Haus war eine Gastwirtschaft oder ein Tanzlokal. Viele erinnern sich noch an den „Vater Rhein“, „den Bolzen“, „den Schuppen“ oder „das Rheinschiff“. Bei Umberto Fogolin, der ersten italienischen Eisdiele Andernachs, gab es bereits Eis für 10 Pfennig. Die Rheinstraße hatte fast den Bekanntheitsgrad der Rüdesheimer Drosselgasse. Aber nur wenig davon ist geblieben.

Im Haus Rheinstraße 9 ist ein Bildstock der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Nachbarschaft, angebracht. In den großen Pestwellen 1666/67 stellte sich jede der Andernacher Nachbarschaften unter den Schutz eines Heiligen. Die Stadt Andernach verlor damals ein Drittel seiner Bevölkerung. Die Toten bestattete man damals am Martinsberg, vor den Toren der Stadt. Auf den Fahnen der Nachbarschaften sind auf einer Seite immer die Schutzheiligen dargestellt.

Festzuhalten bleibt für die Rheinsträßer, dass ein verheerendes Feuer im Jahre 1973 einige Häuser zerstörte, die aber wieder aufgebaut wurden. Kritisch waren immer die vielen Hochwasser, bei denen sich die Nachbarn aber stets vorbildlich gegenseitig halfen. Aber seit den 1990er-Jahren ist die Rheinstraße ohne Leben. Alle Gastronomiebetriebe sind geschlossen.

Die Gemeinschaft zählt heute 28 Mitglieder

Die Nachbarschaft hat heute noch 28 Mitglieder, aber nur noch drei wohnen im Gebiet der Rheinsträßer. Früher kamen zu den Veranstaltungen mehr 100 Teilnehmer. Es gab Bustouren und Sommerfeste, ebenso das für die Nachbarschaften so charakteristische Döppekooche-Essen, das Gelog mit Fidelitas und Tombola. Dies ist mit einer kleinen Nachbarschaft nicht mehr zu stemmen. Deshalb hat sich die Rheinstraße der Alexander-Genoveva-Nachbarschaft angeschlossen. Die Feste werden nun gemeinsam gefeiert. Aber als funktionierende Gemeinschaft mit eigenem Schöffenstuhl bleibt die Nachbarschaft erhalten. Sepp Versch war Amtmann von 1997 bis zu seinem Tod 2011. Seit Februar 2013 ist Hermann-Josef Retterath Amtmann der Nachbarschaft. Die Anschrift: Rheinstraße 7, 56626 Andernach, Tel. 02632/425 51.

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