Chaos bei der Grundsteuer
Andernach verzichtet auf höheren Hebesatz
Wer ein Wohngrundstück besitzt, muss damit rechnen, ab diesem Jahr mehr Grundsteuer B zahlen zu müssen als zuvor. Die Stadt Andernach behält sich eine nachträgliche Änderung des Hebesatzes vor, nachdem fraktionsübergreifend Kritik am Vorgehen der Landesregierung geäußert worden war.
Marcus Brandt. picture alliance/dpa

Das Chaos rund um die Grundsteuerreform stellt in Andernach sowohl die Verwaltung als auch die politischen Gremien vor Probleme. Diese mussten Entscheidungen treffen, obwohl konkrete Zahlen fehlten und die Rechtslage unsicher ist.

Eigentlich sollten Andernacher Grundstückseigentümern in den ersten Januarwochen die Grundsteuerbescheide zugehen, damit diese den ersten für ihr Grundstück fälligen Betrag bis zum 15. Februar überweisen können. Doch die schleppende Verarbeitung der Bescheide sorgt für Verzögerungen, die im Zuge der Haushaltsberatungen zum Jahresende wiederholt in den Gremien thematisiert worden waren. Auch nach dem Inkrafttreten der Reform zum 1. Januar können viele Eigentümer daher noch nicht abschätzen, inwieweit die Neuregelung die eigene Geldbörse belasten wird.

Die Stadtverwaltung hat ihre Hausaufgaben jedenfalls gemacht, hieß es bereits in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) Ende November, als die Mitglieder letzte Details des Haushaltes 2025 festzurrten. Man warte aber nach wie vor noch auf Daten, die das Finanzamt zuliefern müsse, ohne die man die im Januar zu verschickenden Grundsteuerbescheide nicht erstellen könne. Von den erforderlichen 14.000 Bescheiden seien bis zum 20. November lediglich 9000 bei der Stadtverwaltung eingegangen.

Grundsteuerbescheide verspäten sich

Wenn die Kommune die Grundsteuerbescheide nicht rechtzeitig vor dem 15. Februar verschicken könne, drohten unangenehme Konsequenzen, führt die Kämmerei in ihrer Vorlage zur Sitzung aus: Der Stadt würden im ersten Quartal dann liquide Mittel in Höhe von bis zu 1,5 Millionen Euro fehlen. Nur einen Teil der Steuerbescheide rauszuschicken, sei keine Option, da dies bei den Betroffenen für Verwirrung sorgen würde, heißt es weiter.

Auch ohne die genauen Daten des Finanzamts seien für Andernach bereits zwei Trends absehbar, von denen auch die anderen Kommunen in Rheinland-Pfalz betroffen seien: Zum einen ist damit zu rechnen, dass Besitzer von gewerblich genutzten Grundstücken künftig deutlich weniger Grundsteuer B zahlen als zuvor. In den von der Stadtverwaltung vorgelegten Beispielrechnungen verringert sich die zu zahlende Grundsteuer für einige Eigentümer um einen fünfstelligen Betrag. Für Wohneigentum fällt bei gleichbleibendem Hebesatz teilweise eine Mehrbelastung im dreistelligen Bereich an.

„Je nach rechtlicher Entwicklung werden wir zu gegebener Zeit nachberaten.“
– Oberbürgermeister Christian Greiner (FWG)

Zum anderen ist die Grundsteuerreform für die Stadt Andernach nicht aufkommensneutral: Schätzungen zufolge wird die Haushaltskasse im kommenden Jahr Mindereinnahmen bei der Grundsteuer B in Höhe von rund 900.000 Euro verkraften müssen. Der Städtetag Rheinland-Pfalz hatte Ende Oktober eine Liste veröffentlicht, in der zu entnehmen ist, wie stark der Hebesatz der Grundsteuer B steigen muss, um die bisherigen Erträge zu erhalten. In Andernach müsste man den Hebesatz demnach von 550 Prozent auf 664 Prozent erhöhen.

Für eine derartige Anpassung des Hebesatzes der Grundsteuer B gibt es in Andernach allerdings keinerlei politische Zustimmung: Müssten doch mit dem erhöhten Hebesatz wiederum die Eigentümer von Wohngrundstücken eine höhere Mehrbelastung schultern als die Eigentümer von Gewerbegrundstücken. „Diese Ungleichbehandlung ist nicht tragbar“, betonte Marc Ruland (SPD) in der jüngsten HFA-Sitzung.

Ratsfraktionen kritisieren Landesregierung

In den Haushaltsreden der Ratsfraktionen hagelte es Kritik am Vorgehen der Landesregierung: „Wir fordern hier Nachbesserungen, um die Bürger zu entlasten“, sagte Raphael Busenkell (CDU). Erst Ende des Jahres war auf den letzten Drücker ein Gesetzentwurf im Landtag eingebracht worden, der es Kommunen ermöglichen soll, für Wohn- und Gewerbegrundstücke unterschiedliche Hebesätze der Grundsteuer B festzulegen.

Angesichts der unklaren Lage entschieden sich die Andernacher Gremien einstimmig dafür, den Hebesatz der Grundsteuer B zum 1. Januar vorerst nicht anzupassen. „Je nach rechtlicher Entwicklung werden wir zu gegebener Zeit nachberaten“, sagte Oberbürgermeister Christian Greiner (FWG). Zunächst bleibt es bei einem Hebesatz der Grundsteuer B von 550 Prozent. Wenn das Land getrennte Hebesätze für Wohn- und Gewerbesätze ermöglichen sollte, haben die städtischen Gremien noch bis zum 30. Juni Zeit, rückwirkend zum 1. Januar neue Hebesätze zu beschließen.

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