Perlhyazinthen, Narzissen, Lichter und Steine mit Aufschriften: "Wir vermissen dich." Irina L. wurde im Alter von 30 Jahren getötet. Die Mutter dreier Kinder (4, 7, 13 Jahre) liegt auf dem Andernacher Friedhof begraben.
Von unserer Redakteurin Katrin Franzen
Das Schwurgericht folgte damit den Forderungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Die Verteidigung hatte auf Totschlag und zwölf Jahre Haft plädiert.
Laut Urteil hat Alexej L. die 30-Jährige nach einem Discobesuch frühmorgens in ihrem Haus aufgesucht. Ein Streit entfachte. Er prügelte, würgte und erstickte sie beinahe, sodass sie bewusstlos wurde. Alexej L. bekam Angst, seine Frau könnte zur Polizei gehen – bislang war er nicht vorbestraft. Und ihm war klar: Sie liebt ihn nicht mehr. Um seine Tat zu vertuschen, versuchte er, einen Unfall oder Suizid vorzutäuschen: Er zog die Bewusstlose aus, legte sie in die Badewanne, drehte das Wasser auf, verließ den Raum – und kam wieder, als sie ertrunken war.
30-Jährige war offen und herzlich
Im Prozess wurde deutlich, was für einen Menschen Alexej L. getötet hat: Die Andernacherin war überaus freundlich, begegnete Kollegen, Nachbarn und Bekannten stets offen und herzlich. Um Geld für den Lebensunterhalt heranzuschaffen, weil ihr Mann an Automaten spielte, arbeitete die 30-Jährige zuletzt bei einem Paketzustelldienst. Sie liebte es, Torten zu backen, stand nächtelang in der Küche, um Freunden die raffiniert verzierten Leckereien zu schenken. Vor allem liebte sie ihre drei Kinder über alles. Diese sahen ihre Mutter zum letzten Mal am Tag vor der Tat: Irina L. brachte sie gut gelaunt zu ihren Eltern. Sie wollte mit einer Freundin in die Disco gehen, erzählte von einer neuen Wohnung. Sie hatte sich am 1. Juli von ihrem Mann getrennt und dachte, er würde dies endlich akzeptieren.
Jahrelang hatte Irina L. Demütigungen, Gewalt und Würgen bis kurz vor der Ohnmacht ertragen – und ihrem Mann stets verziehen. Sie zog Anzeigen und Scheidungsanträge zurück, verließ ihn nie – weil sie ihn liebte, sagten Schwester und Mutter. Irina L. hatte sich ein Haus mit Garten gewünscht, damit ihre Kinder darin spielen könnten. Dieser Traum erfüllte sich, als die Familie im April in die Königsberger Straße zog. Die Misshandlungen und die Spielsucht von Alexej L. nahmen derweil zu. Als die dreifache Mutter erfuhr, dass er ihr fremdgeht und im Bordell war, beschloss sie, ihn endgültig zu verlassen. „Sie wollte endlich wieder leben“, sagte eine Zeugin. Einige Zeugen schilderten, dass Irina L. zuletzt aufgeblüht war, sich neue Kleidung kaufte und unbeschwerter wirkte.
„Ich wollte das alles nicht“
Überraschend war, dass der Angeklagte, der im Prozess durchgehend den Kopf gesenkt hielt, am Urteilstag für einen Moment aufschaute. Er sprach zu den Angehörigen, bevor die Plädoyers begannen. Er hob den Kopf, blickte kurz zu den Eltern des Opfers, dann folgten kaum hörbare Worte: „Ich wollte das alles nicht. Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist.“
Auf diesen Moment hatten die Angehörigen monatelang gewartet – und wurden enttäuscht. Auf sie wirkte das Verhalten des Schwiegersohnes alles andere als aufrichtig. Im Plädoyer betonte ihr Anwalt Matthias Görgen: „Wir haben hier einen kalten, egoistischen und selbstmitleidigen Feigling sitzen, der sein Mütchen mit Gewalt an seiner Ehefrau gekühlt hat.“ Er nutze nicht einmal die Gelegenheit, den Eltern und der Schwester richtig in die Augen zu sehen und eine echte Entschuldigung auszusprechen. Görgen bezeichnete das Handeln des 35-Jährigen als scharf kalkuliert.
Staatsanwalt Hermann-Josef Vierbuchen betonte den Vorsatz der Tat: Alexej L. hatte bereits am 27. Juli versucht, ins Haus von Irina L. einzudringen. Dabei schob er den Rollladen hoch und rief: „Wenn ich dich kriege, bist du dran.“ Zu Irinas Mutter sagte er am Telefon: „Jetzt ist Irina dran.“ Vierbuchen: „Bei dieser Drohung ist es nicht geblieben.“ Zwei Wochen später hielt Alexej L. die bewusstlose Frau in den Armen. „Ihm war klar, er ist diesmal zu weit gegangen.“ Um dies zu verdecken, ertränkte er sie.
Alexej L.
Verteidiger: Er wollte sie retten
Der Vorsitzende Richter Ralf Bock erklärte den eigentlichen Grund für das alles: „Wir haben immer wieder mit Ehepartnern zu tun, die große Probleme haben, sich einvernehmlich und friedlich zu trennen.“ Alexej L. hatte nicht damit leben wollen, dass seine Ehefrau ihn verlassen hatte.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Pflichtverteidiger Christian Diether sagte im RZ-Gespräch, dass er wahrscheinlich Revision einlegt. Diether betonte, dass Alexej L. seine Frau retten wollte, als er sie in die Wanne legte. Sie sollte zu sich kommen. Er wollte nichts vertuschen, so Diether. „Sonst hätte er doch das Wasser anschließend nicht abgelassen, wenn es wie ein Unfall aussehen sollte.“ Und Diether erklärte, dass sein Mandant unter der Tat leide. „Er hat sie geliebt, vielleicht auf eine Art, die wir nicht nachvollziehen können.“