Mitte 2021 schien die digitale Zukunft in Andernach zum Greifen nah: Gleich zwei Projekte gingen an den Start, die die Stadt auf dem Weg zur sogenannten Smart City ein ganzes Stück voranbringen sollten. Mitte 2021 wurden auf dem Parkplatz gegenüber des Geysirzentrums Sensoren installiert, die es Autofahrern ermöglichen sollten, vor der Anfahrt zu checken, ob es dort freie Parkplätze gibt. Im September 2021 ging dann die Andernach-App live, die alle relevanten Informationen und digitalen Anwendungen zum Leben in der Stadt bündeln sollte. Gut drei Jahre später wickelt die Stadt die beiden digitalen Vorzeigeprojekte ab.
Der Digitalisierungsausschuss sprach sich in seiner jüngsten Sitzung einstimmig dafür aus, die Andernach-App einzustellen. Der Entscheidung war eine Auswertung der Nutzerzahlen vorangegangen, die desaströse Zugriffszahlen offenbarte: Demnach verzeichnet die Andernach-App im Schnitt lediglich zwei Abrufe pro Tag. Daran hätten auch Werbemaßnahmen wie die Verteilung von Flyern im Bürgerbüro nichts geändert, heißt es in der Vorlage der Verwaltung.
Kritik an veralteten Inhalten in städtischer App
„Das ist unterirdisch und das Geld nicht wert“, kommentierte Hans-Georg Hansen (CDU) die schwachen Abrufzahlen. Andererseits dürfe man sich darüber nicht wundern, denn die Inhalte der App seien kaum gepflegt worden. Noch in diesen Tagen finde sich dort an oberster Stelle ein Link zu den aktuellen Ergebnissen der Kommunalwahl im vergangenen Juni, darunter dann Infos zum Freibadbetrieb, die derzeit ebenfalls wenig hilfreich seien.
Die ursprüngliche Idee, dass heimische Nutzer wie Touristen über die App einen schnellen Zugang zu allem bekommen, was die Stadt zu bieten hat – von aktuellen Informationen, über einen umfassenden Veranstaltungskalender bis hin zu digitalen Stadttouren –, sei nie umgesetzt worden. Im Vergleich mit der städtischen Internetseite und den Kanälen in den sozialen Netzwerken biete die App keinen Mehrwert: „Man hat das Ding still sterben lassen“, ärgerte sich Hansen.
„Wir haben uns mit der Einrichtung der Social-Media-Kanäle selbst Konkurrenz gemacht.“
Oberbürgermeister Christian Greiner
Der Abteilungsleiter für IT und Digitalisierung der Stadt, Andreas Schwiemann, begründete dies mit dem hohen Verwaltungsaufwand bei der Pflege der App: Diese verfüge über ein eigenes Backendsystem, das unabhängig von der Homepage der Stadt und den Social-Media-Kanälen laufe. Die Inhalte der App speisen sich in erster Linie aus der städtischen Internetseite, müssten aber jeweils in die App eingepflegt werden. Man erreiche die Leute inzwischen besser direkt über die Homepage oder Social Media.
„Wir haben uns mit der Einrichtung der Social-Media-Kanäle selbst Konkurrenz gemacht“, räumte auch Oberbürgermeister Christian Greiner (FWG) ein. Mit dem städtischen Kanal „Andernach.infomiert“ erreicht die Stadt auf Instagram rund 1950 Abonnenten, auf Facebook sind es um die 840. Angesichts der Kosten in Höhe von gut 30.700 Euro, die bis heute für die Einrichtung und den Betrieb der App angefallen sind, entschieden sich die Ausschussmitglieder dafür, die Reißleine zu ziehen. „Man muss sich eingestehen, wenn Dinge nicht funktionieren“, sagte Timur Külahcioglu (FWG).
Technische Schwierigkeiten behindern Parksensoren
Nicht bewährt haben sich nach Auffassung der Ausschussmitglieder außerdem die vor dreieinhalb Jahren installierten Sensoren auf dem Parkplatz gegenüber des Geysirzentrums. Diese sollten mittels der sogenannten Lorawan-Technologie in Echtzeit Daten zur Belegung der dortigen Parkplätze übermitteln, die im Internet sowie über eine digitale Anzeige abrufbar waren. In dem dreijährigen Testzeitraum kam es allerdings zu diversen technischen Problemen, die eine präzise Erfassung der Stellplätze bis zuletzt verhinderten.
Hinzu kommt, dass die Stadtwerke Andernach sich als Vertragspartner der Stadtverwaltung der EVM als Dienstleister bedienten. Letztere haben ihr Geschäftsfeld „Smart City“ allerdings zwischenzeitlich aufgegeben und wickeln alle Projekte aus diesem Bereich ab. Der Stadt habe man angeboten, alle Sensoren abzubauen und die bisher entstandenen Kosten in Höhe von rund 25.000 Euro zu erstatten.
Nicht jede Technologie überzeugt in der Praxis
Vor die Wahl gestellt, das Projekt an diesem Standort zu beenden oder einen neuen Vertragspartner zu suchen, entschieden sich die Ausschussmitglieder gegen eine Weiterführung. Man müsse konsequent entscheiden, welche Technologien man wirklich brauche und welche nicht, betonte Hans-Georg Hansen (CDU). Nicht jede Anwendung habe in der Praxis überzeugt.
Wenn das Parkraumkonzept verabschiedet wird, könne man überlegen, inwieweit es dann sinnvoll ist, bestimmte Parkplätze mit neuen Sensoren auszustatten, schlug Udo Dames (SPD) vor. Die Stadt steht bereits im Kontakt mit dem Dienstleister Clevercity, welcher in der Vergangenheit darauf hingewiesen hatte, dass der Parkplatz gegenüber des Geysirzentrums für den Einsatz dieser Technik eher ungeeignet sei.

Ende mit Ansage
Nur zwei Nutzer rufen im Schnitt am Tag die Andernach-App auf – ein geradezu blamables Ergebnis. Doch verwundern sollte diese Bilanz wenig.