Geschichte Vor 175 Jahren wurde in den Basaltkellern erstmals Bier gebraut - Privatmuseum erinnert an die Braugeschichte
Als Mendig Deutschlands Biermetropole war: Vor 175 Jahren wurde in Basaltkellern erstes Bier gebraut
Elvira Bell

Mendig. Heute steht er in jedem Mendiger Haushalt: ein Kühlschrank. Vor mehr als 100 Jahren waren die Mendiger auf den Eisschrank aber gar nicht gut zu sprechen. Denn er leitete das Ende der Bierbrau-Metropole ein. Deren rasanter Aufschwung, der Aufstieg Mendigs zu einem der bekanntesten Braustandorte Deutschlands, begann vor 175 Jahren.

Viele Exponate, wie etwa alte Bierflaschen, -deckel und –krüge erinnern im Albertinum an die Bierbrauer-Blütezeit von Mendig.
Der Erlös wird von der Kulturgemeinschaft Albertinum einem sozialen Zweck zugeführt werden.
Aus Anlass „175 Jahre Mendiger Gerstensaft“ wurde ein „Niedermendiger Kloster-Bock-Bier“ mit einem Gehalt mit mehr als sechs Prozent hergestellt. Dies wurde in 50 Flaschen abgefüllt.
Das Team vom Bier- und Steinmetzmuseum in der Brauerstraße wird die Bierflaschen gegen eine Spende an nahestehende Personen abgegeben.
Heinz Lempertz zeigt eine Übersicht auf der die einst in Mendig beheimateten Brauereien zu sehen sind.
175 Jahre Brautradition – Mendig war einst das Zentrum der Bierbrauereien.
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Mendig im Jahre 1842: Er hatte es tatsächlich geschafft. Josef Gieser, dem Braumeister der Herrnhuter Brüdergemeine in Neuwied, war es gelungen, bei einer Temperatur von sechs bis neun Grad in den Basaltkellern der Stadt das erste untergärige Bier zu brauen. Gieser hatte nach einer Möglichkeit gesucht, Biere nach bayerischer Art herzustellen. „Bedingt durch die langen und kalten Winter konnte man in Bayern sehr gut untergärig brauen“, weiß Siegfried Schüngel. Im Rheinland war das nicht so ohne Weiteres möglich. Der Mendiger Haus- und Hobbybrauer erläutert: „Während beim obergärigen Bier bei der Hauptgärung eine Umgebungstemperatur von circa 15 bis 20 Grad herrscht, darf diese beim untergärigen Bier nur 5 bis 9 Grad betragen.“ Für eine solche Brauart brauchte Gieser kühle und vor allem große Keller. „Die untertägig erschlossenen Steinbrüche in Mendig erwiesen sich als vorzügliche Kühlkeller. Für Gieser waren die unterirdischen Basalthallen wie ein Geschenk Gottes“, erklärt Heinz Lempertz. Er kennt die Mendiger Biergeschichte bestens. Lempertz ist Gründer eines kleinen privaten Brauereien- und Steinmetzmuseums in der Stadt.

Nach dem erfolgreichen Versuch wurde dann noch im gleichen Jahr die Genehmigung zur Einrichtung einer Brauerei in Mendig beantragt. Nach Fertigstellung der Brauerei hatte die Brüdergemeine die Möglichkeit, das ganze Jahr über, und nicht mehr wie bisher lediglich in der kalten Jahreszeit, zu brauen. 1863 wurden dann der gesamte Brauereibetrieb und die Mälzerei, die sich noch in Neuwied befanden, nach Mendig verlegt. Ein Jahr zuvor hatte man sogar einen eigenen Brunnen gegraben.

Bald wurde eine Brauerei nach der anderen eröffnet, das Brauereiwesen florierte und brachte einen enormen Aufschwung. Mendig blühte mehr und mehr auf. Wohnhäuser wurden gebaut, Straßen angelegt. Grubenbesitzer, Handwerker und Bauern profitierten von den bisher nie gekannten Einnahmen. Nicht nur die kühlen Steinbrüche, auch die Gerste und der Hopfen aus der Eifel, aber auch das kristallklare Quellwasser eigneten sich hervorragend fürs Bierbrauen.

Die Basaltkeller waren für Mendig Gold wert: Nach der Angärung wurden die Fässer in die tiefen verdunstungskühlen Felsenkeller hinabgelassen. Die Nachgärung setzte ein. In der folgenden langen Reifezeit musste das Bier noch kälter lagern. Dazu wurden im Winter große Mengen Eis tief im Basaltfels aufgeschichtet. Man holte es von Eisweihern und vom Laacher See. Zudem wurden an beiden Seiten des Abflusses des Laacher Sees vor Frostbeginn Felder bis zu eineinhalb Meter ausgehoben. In die Mulde wurde Bachwasser geleitet. Bei einer Höhe von acht bis zehn Zentimetern wurde die Eisdecke zerschlagen. Die Schollen fuhr man zu den Brauereien und brachte sie in die Bierschächte. Dort ballte sich das Eis zu Eisbergen zusammen. Bei Bedarf wurden diese mit Pickel gelöst. Lagerzeiten von zwei bis drei Monaten waren damals üblich und realisierbar. Der dauernde Luftzug in den unterirdischen Basalthallen verwandelte die Feuchtigkeit in Verdunstungskälte.

Der Erfolg der in Mendig gebrauten untergärigen Biere war im 19. Jahrhundert so groß, dass sich nach und nach insgesamt 28 Brauereien im Ort ansiedelten. „In der Blütezeit kam auf 100 Einwohner eine Brauerei“, schmunzelt Heinz Lempertz. Die von ihm im Biermuseum liebevoll zusammengetragenen Exponate erinnern an die Zeit, als Mendig die größte Biergemeinde Deutschlands war. Die Mendiger Brauereien exportierten das aromatische „kühle Blonde“ mit der Eisenbahn sogar bis nach Belgien und England.

Das Mendiger Bier war auch in den großen Städten des Rheinlandes beliebt. Selbst in der Kölsch-Metropole Köln wusste man seine Qualität zu schätzen. „Es war das einzige auswärtige Bier, das um 1900 laut einer Studentenzeitschrift in Köln zugelassen war“, sagt Lempertz.

Gut sieben Jahrzehnte dauert der Mendiger Bier-Boom an. Das jähe Ende kam mit der Erfindung der maschinellen Kühlung und künstlichen Eiserzeugung. Die Brauer wurden von natürlichen Kühlräumen unabhängig. Die Brauereien wanderten nach und nach ab und kehrten an ihren Ursprungsort zurück. Die technische Entwicklung führte den Niedergang des Mendiger Brauereiwesens herbei. Nicht nur die Herrnhuter Brüdergemeine verlegte nach 70 Jahren ihren Braubetrieb wieder nach Neuwied zurück. 1911 stellte sie die Produktion in Mendig ein. Die Liegenschaft wurde 1917 aufgegeben. Auch die ehemals in Köln ansässigen Brauereien Bösch & Hahn, Schmitz-Pillart und die Adler-Brauerei kehrten Mendig den Rücken. 1932 endete die Tradition der zweitletzten Mendiger Brauerei, der sogenannten Schaafsbrauerei auf dem Gelände des heutigen Albertinums. Einzig und allein blieb die Wölker-Brauerei – die heutige Vulkan-Brauerei – erhalten. Die Privatbrauerei knüpfte an die Tradition von Peter Weber, dem Gründer des Erlebnisbrauhauses an. Seit 2011 hält Geschäftsführer Malte Tack die Brautradition in Mendig aufrecht.

Das private Biermuseum nahe dem Lava-Dome kann nur nach vorheriger Terminabsprache mit Heinz Lempertz besichtigt werden: Telefon 02652/3482.

Von unserer Mitarbeiterin Elvira Bell

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