Für Natascha Hilgert ist es ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. „Ich freue mich wirklich wahnsinnig, dass es geklappt hat“, berichtet die 37-Jährige strahlend. Ihr Weihnachtsgeschenk hat einen E-Motor und sichert der Mutter dreier Kinder ein Stück Unabhängigkeit: Das Autohaus Scherer hat einen E-Golf so umgebaut, dass Natascha Hilgert, die dauerhaft auf einen Rollator angewiesen ist, ihn trotz ihrer Beeinträchtigung fahren kann. HELFT UNS LEBEN, die Hilfsorganisation unserer Zeitung, hat den Umbau mit rund 20.000 Euro möglich gemacht. Kürzlich wurde das Auto im Autohaus Weller in Kruft, einer Zweigniederlassung der Scherer-Gruppe, übergeben. „Und das Autohaus hat sogar noch ein paar Winterreifen draufgelegt“, erzählt Hilgert.
Ein Auto zu haben, das sie selbst fahren kann, ist für die gelernte Krankenschwester vor allem deshalb so wichtig, weil sie so ihre Arbeitsstelle am Koblenzer Kemperhof erreichen kann. Natascha Hilgert arbeitet dort als Studienassistentin in der Hämatologie/Onkologie. In ihren alten Beruf „auf Station“, wie sie sagt, konnte sie nicht zurück. „Das hat mich wahnsinnig traurig gemacht“, sagt sie.
Ich wollte wieder arbeiten, allein schon, weil ich meinen Kindern ein Vorbild sein möchte.
Natascha Hilgert
Aber Natascha Hilgert ist niemand, der schnell aufgibt. „Ich wollte wieder arbeiten, allein schon, weil ich meinen Kindern ein Vorbild sein möchte“, sagt sie. Und ein bisschen hört man heraus: Auch deshalb nicht, weil sie nicht möchte, dass ihre Krankheit über ihr Leben bestimmt.
Es ist jetzt knapp drei Jahre her, als ein zunächst vollkommen unklarer Krankheitsverlauf ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzieht. Die Krankenschwester wird auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie auch auf einer Covid-Station eingesetzt – und erkrankt selbst. Der Verlauf: schwer. „Ich bin komplett dekompensiert“, berichtet sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie, die ihr ganzes Berufsleben Patienten betreut hat, wird selbst zur Patientin. Ihr jüngster Sohn – heute sind die drei Kinder elf, fünf und vier Jahre alt – wird da noch gestillt.
Als Natascha Hilgert aus der Akutphase der Erkrankung heraus ist, entwickelt sie Gelenkbeschwerden. Ein MRT zeigt: In ihrem Knie gibt es praktisch keinen Knorpel mehr. Sie wird dort zum ersten Mal operiert. Doch nach der üblichen Ruhephase kann sie nicht wieder schmerzfrei gehen. Es stellt sich heraus: Der Knorpel ist schon wieder weg. Es folgt eine weitere Operation. Insgesamt sollen es vier werden. Der Knorpel lässt sich nicht wieder herstellen. „Ich hatte wahnsinnige Schmerzen“, erinnert sich Natascha Hilgert. Was sie verblüfft: So richtig helfen kann ihr niemand. Einer der Ärzte, mit denen sie zu tun hat, wirft ihr gar an den Kopf: „Manche Menschen haben eben Pech.“
Doch damit will sich die junge Mutter nicht abfinden. Sie sucht Spezialisten um Spezialisten auf, bis sie schließlich eine Diagnose in Händen hält: Sie leidet am hypermobilen Ehlers-Danlos-Syndrom, einem seltenen Gendefekt. Die Krankheit ist durch eine Gelenkhypermobilität (Gelenke, die sich weiter als normal überstrecken), eine Überdehnbarkeit der Haut und eine Brüchigkeit des Gewebes geprägt. Für Natascha Hilgert ergibt sich nun endlich ein Bild – aber es ergeben sich auch weitere Probleme. Denn immer neue Symptome kommen hinzu, knapp zwei Dutzend Diagnosen sammeln sich an.
Krank sein ist ein teures Hobby.
Natascha Hilgert
„Unter anderem habe ich Arthrose in mehreren Gelenken, da sie sich zu schnell abnutzen und dadurch ständig Schmerzen. Aktuell kommen Probleme mit den Bandscheiben dazu, die dafür sorgen, dass die Nervenwurzel zu meinem linken Bein eingeklemmt ist“, erzählt die 37-Jährige. Und: Dadurch, dass die Krankheit selten und sehr unterschiedlich in ihren Ausprägungen ist, muss die junge Familie, zu der neben den Kindern auch Lebensgefährte Sven Fröhlig gehört, viele Therapien und Hilfsmittel selbst bezahlen oder lange mit der Krankenkasse verhandeln.
„Krank sein ist ein teures Hobby“, sagt Natascha Hilgert, und es klingt witziger, als sie es meint. Auch deshalb wendet sie sich schließlich an HELFT UNS LEBEN. Ein behindertengerechtes Auto kann sich die junge Familie schlicht nicht leisten.
Zumal sie kurz vor der Pandemie ein Haus gekauft hat, das sie nun so um- und ausbauen muss, dass Natascha Hilgert dort gut zurechtkommt. Vieles übernimmt Sven Fröhlig selbst, baut etwa das Bad im Erdgeschoss zusammen mit einer Freundin der Familie so um, dass seine Lebensgefährtin es weiter nutzen kann. Sven Fröhlig ist es auch, der sie zu unzähligen Arztterminen fährt, sich um den Haushalt und die Kinder kümmert, wenn Natascha Hilgert das nicht schafft, der zu ihr steht in einer Zeit, in der sich auch einige Freunde abwenden. „Ich bin ihm wahnsinnig dankbar“, sagt sie. Die kleine Familie steht zusammen. Und für Natascha Hilgert ist klar: Allein deshalb lässt sie sich auch weiterhin nicht unterkriegen. Denn: „Meine Familie ist der Grund, warum ich morgens aufstehe.“