Auch wenn man beim ersten Antragsverfahren abgeschmettert wurde, soll es im Jahr 2032 einen zweiten Versuch geben. Alfred Schomisch (CDU), Bürgermeister der VG Vordereifel, warb in der jüngsten Sitzung des Verbandsgemeinderates eindringlich für das Projekt, das eine weltweit einzigartige Geschichte von 7000 Jahren erlebbar macht – als Bergbaurevier für Reiben, Mühlen und Mahlsteine. „Wir haben die Chance, erfolgreich zu sein“, sagte Schomisch und fügte hinzu: „Ich hänge mit dem Herzen an diesem Projekt.“
Doch zunächst soll weiter Geld fließen. Einstimmig gaben die Mitglieder des Verbandsgemeinderates grünes Licht für den Beschluss, 10.000 Euro pro Jahr in den weiteren Bewerbungsprozess zu investieren und die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Mühlsteinrevier fortzusetzen. Diesen Betrag teilt sich die Verbandsgemeinde Vordereifel jedes Jahr mit den Ortsgemeinden Kottenheim und Ettringen, die Teil des Projektes sind.
Wir müssen auf jeden Fall weitermachen.“
SPD-Fraktionschef Herbert Keifenheim
Timo Kanzinger (CDU) erklärte im VG-Rat für seine Fraktion, man sei überzeugt von der Sinnhaftigkeit des Projektes. Auch SPD-Fraktionschef Herbert Keifenheim appellierte: „Wir müssen auf jeden Fall weitermachen.“
Ob die anderen Projektpartner alle mitziehen, muss sich noch zeigen. Grünes Licht hat neben der Vordereifel bislang nur der Verbandsgemeinderat Mendig gegeben. Es fehlen noch die Räte von Mayen und Andernach.
Was aber macht das Mühlsteinrevier Rhein-Eifel so besonders, das es den Titel als Weltkulturerbe verdient hätte? Die RZ hat sich das Projekt mit dem Grubenfeld Mayen, dem Lavakeller Mendig, der Ettringer Lay, dem Kottenheimer Winfeld und dem Andernacher Hafen näher angeschaut.
1 Grubenfeld Mayen: Die Mayener Basaltlava entstand vor 200.000 Jahren, als der Bellerbergvulkan ausbrach. Die Menschen in der Jungsteinzeit fertigten im Mayener Grubenfeld Reibsteine aus der Basaltlava. Einen wirklich organisierten Abbau initiierten aber erst die Römer, die die keltische Handmühle weiterentwickelten und in großen Stückzahlen produzierten. Jede Zeltgemeinschaft des römischen Heeres hatte zu jener Zeit eine solche Handmühle, was die hohe Nachfrage erklärt.
Während man im Spätmittelalter begann, die Basaltlava untertägig zu fördern, ging man während der Industrialisierung wieder zum Tagebau über. Die Mayener Basaltlava ist sehr verwitterungsbeständig und frostfest – und ist deshalb bei vielen öffentlichen Bauprojekten verwendet worden.
2Lavakeller Mendig: Die Lavakeller in Mendig sind etwa drei Quadratkilometer große Felsenkeller. Sie beherbergten früher das größte Basaltlava-Bergwerk der Welt. Sie wurden in einen erkalteten Lavastrom des vor 200.000 Jahre ausgebrochenen Wingertsbergvulkans bis in eine Tiefe von 32 Meter gegraben, um Basalt für Mühlsteine abzubauen.
Ab 1843 wurden die temperaturstabilen Stollen, die konstant zwischen 5 bis 8 Grad kalt sind und eine Luftfeuchtigkeit von 72 Prozent haben, dann zu Gär- und Lagerkellern für zeitweise 28 Brauereien. Mendig hat deshalb bis heute den Ruf einer Bierbrauerstadt. Als der Ingenieur Carl von Linde jedoch die Kältemaschine, also den Kühlschrank, erfand, verschwanden viele der Brauereien wieder aus Mendig. Heute gibt es in der Stadt nur noch eine Brauerei, die für die eigene Gaststätte und Abnehmer aus der Region braut.
3Ettringer Lay: Die Ettringer Lay erinnert an den Basaltlavaabbau am Bellerberg. Zwar fand man in den Schutthalden westlich der Lay Reste römischer Brüche, im Vergleich zu denen in Mayen und Kottenheim sind sie aber eher unbedeutend. Doch die Ettringer Lay hat die beeindruckendsten Abbauwände im gesamten Mühlsteinrevier – bis zu 25 Meter sind sie hoch. Ein intensiver Abbau setzte in Ettringen erst nach 1850 ein, was mit der Qualität des Steins zu erklären ist: Die Ettringer Basaltlava eignete sich für Massengüter wie Pflastersteine.
4 Kottenheimer Winfeld: Die Basaltgewinnung geht im Winfeld bis auf die Jungsteinzeit zurück. Der älteste entdeckte Steinbruch ist zwischen 5500 und 6000 Jahren alt. Mit Feuer wurde dem harten Gestein über Stunden zugesetzt, um es dann mit kaltem Wasser zu übergießen. Durch die schlagartige Abschreckung riss das Gestein. Die flachen Schalen, die so vom Felsen abplatzten, wurden für die Herstellung von Reibsteinen genutzt. Während sich der Mühlsteinabbau in römischer Zeit intensivierte, kam er im Hochmittelalter zum Erliegen. Erst ab 1850 blühte der Steinbruchbetrieb im Winfeld wieder auf. Für den Bau neuer Eisenbahnstrecken wurden große Mengen Schotter benötigt, die die Brechwerke liefern konnten – und Kottenheim wurde ans Schienennetz angebunden.
5Andernacher Hafen: Schon in keltischer Zeit diente der Andernacher Hafen als Handelsplatz für Mühl- und Mahlsteine aus den Brüchen des Bellerbergs, die über die Alte Mayener Hohl zum Rhein gelangten. Das Aufblühen der Mühlsteinbrüche in römischer Zeit bescherte der Stadt Einfluss und Wohlstand. Von Andernach aus wurden die Handmühlen bis zu den britischen Inseln verschifft. Die Stadt war aber nicht nur Zentrum des Fernhandels, sondern auch Ort der Produktion, denn die Endbearbeitung der schweren Kraftmühlsteine fand ausschließlich hier statt. Im 16. Jahrhundert wurde der bis dato verwendete Schwimmkran durch einen steinernen Hauskran ersetzt, der bis 1911 in Betrieb war und der Stadt für jeden verladenen Mühlstein Krangeld einspielte.
Mayen wird womöglich aus dem Welterbe-Prozess ausscheren
Alle Motoren stehen in puncto Weltkulturerbe-Prozess in Mayen auf Halt. Weshalb? Im Stadtrat sind einige Bedenken laut geworden, dass die Stadt jedes Jahr 10 000 Euro ausgeben solle, um im Verein mit fünf anderen Kommunen am Thema dranzubleiben.
Als Bedenkenträger Nummer eins kristallisierte sich SPD-Stadtrat Stefan Wagner heraus, der eine lange Liste von Gegenargumenten ins Feld führte. „Weltkulturerbe ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, ja, es ist geradezu inflationär“, sagte Wagner. In Deutschland gebe es besonders viele Weltkulturerbe-Prädikate, 54 an der Zahl, darunter sieben in Rheinland-Pfalz.
Kein Effekt auf Top-Reiseziele?
Alle diese Prädikate hätten keinen positiven Effekt auf eine touristische Wahrnehmung. So lande beispielsweise das Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal in einem Ranking von touristischen Zielen kürzlich unter ferner liefen, während die Burg Eltz oder die Mosel – beide Destinationen ohne Prädikat – unter den Top Ten rangieren. Unter den sieben Weltkulturerbestätten im Land würden fünf gar nicht in den Top-Reisezielen auftauchen.
Insgesamt habe der jetzige Prozess, der im Herbst 2023 mit einer Absage für das Mühlsteinrevier Rhein-Eifel endete, die Stadt allein rund 100 000 Euro gekostet. Falls der Stadtrat eine Fortführung wolle, müsse man am Ende der Etappe, die auf mindestens sechs Jahre angelegt sei, erneut mit 60 000 Euro rechnen. Wenn womöglich die erste Hürde genommen worden sei, sei man rasch bei einer sechsstelligen Summe. Wagner sieht überdies keine Veranlassung, dass die finanziell arg klamme Kommune „freiwillig Geld ausgeben soll“.
Martin Reis (CDU) hielt entgegen, dass es ein positiver Effekt sei, dass die kommunale Familie mit den Nachbargemeinden enger zusammengerückt sei. Zudem habe sich der VG-Rat Mendig pro Weiterführung ausgesprochen. „Ich finde es unglücklich, wenn wir als Einzige jetzt ausscheren würden.“
Beim Oberbürgermeister schlagen zwei Herzen in einer Brust
Es habe diesbezüglich noch keine Absprachen unter den Kommunen gegeben, erklärte Oberbürgermeister Dirk Meid (SPD), bei dem im Übrigen zwei Herzen in einer Brust schlagen. Auf die Frage von Christoph Rosenbaum (CDU), wie er denn zu dem Ganzen stehe, bekannte Meid: „Wir können eigentlich darauf verzichten.“ Aber er wolle den Prozess nicht verhindern, würde also der ursprünglichen Beschlussvorlage zustimmen.
Ekkehard Raab (FDP) sagte, man könne als Junktim vereinbaren, dass der Prozess („eigentlich eine gute Sache“) nur dann nochmals besprochen werde, wenn eine Genehmigung des Haushaltes 2025 vorliege. Hans-Georg Schönberg (FWM) rechnete vor, dass man von den 20 000 Euro, die Mayen jedes Jahr in die Bewerbung seiner musealen Einrichtungen steckt, 10 000 Euro für das Weltkulturerbe-Thema abgezweigt werden könnten. Ein Vertagungsantrag von Christoph Rosenbaum schließlich ging gegen zehn Neinstimmen, überwiegend aus den Reihen der SPD, durch. Thomas Brost
Andernach setzt sich weiter für den Welterbe-Status ein
Auch in Andernach beraten die politischen Gremien derzeit, wie es mit dem gemeinsamen Bemühen um ein Unesco-Welterbe Mühlsteinrevier weitergehen soll. Man sei schon enttäuscht darüber gewesen, beim Bundesentscheid nicht zum Zug gekommen zu sein, sagte Bürgermeister Claus Peitz (CDU) in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA): „Wir versuchen trotzdem, die Welterbeinitiative fortzusetzen.“ Das werde allerdings sieben, acht Jahre dauern. Dabei sei es wichtig, interkommunal zusammenzuarbeiten.
FWG-Fraktionsvorsitzender Hartmut Dressel erklärte, dass seine Fraktion diesem Ansinnen grundsätzlich positiv entgegenstehe. Allerdings gelte es darauf zu achten, das Bemühen um den Welterbestatus nicht unendlich fortzusetzen: „Wir sollten noch einen Versuch wagen, aber dann den Schlussstrich ziehen.“
Nur noch ein einziger Versuch
Hans-Georg Hansen (CDU) betonte, dass man nach wie vor ein großes Interesse an der Fortführung des Projekts habe. Deswegen sei man dafür, jetzt den nächsten Schritt zu gehen. Sollte man dann wieder nicht erfolgreich sein, wäre es an der Zeit, der Initiative den Rücken zu kehren: „Irgendwann ist der Karren auch mal abgefahren.“
Die Ausschussmitglieder sprachen sich einstimmig dafür aus, die Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Mühlsteinrevier Rhein-Eifel bis zum Aufstellungsverfahren der nächsten Tentativliste der Kultusministerkonferenz fortzusetzen. Damit die Initiative der Arbeitsgemeinschaft auf dem bisherigen Niveau fortgeführt werden kann, soll ein jährlicher Betrag von 10 000 Euro an Haushaltsmitteln bereitgestellt werden.
Bezüglich der Organisation einer künftigen interkommunalen Zusammenarbeit stehe man seitens der Stadt einem Zweckverband kritisch gegenüber. Stattdessen wolle man sich für eine andere Organisationsform starkmachen. Eine Entscheidung des Stadtrats über die Fortsetzung des Welterbe-Bewerbungsprozesses steht noch aus.
Martina Koch