Von unserem Londoner Korrespondenten Alexei Makartsev
London – Ohne Tarnvorrichtungen, die riesige Weltraumschiffe verschwinden lassen können, wären die interstellaren Katz-und-Maus-Jagden nur halb so spannend, wissen alle „Star Trek“-Fans. Und was täte im alten russischen Märchen der mutige Iwan, hätte er nicht eine Zauber-Tarnkappe zur Hand, um den teuflischen Koschtschej zu töten und seine geliebte Marja zu befreien? „Das Wesentliche ist mit den Augen unsichtbar“ belehrt der Fuchs den Kleinen Prinzen bei Antoine de Saint-Exupéry. Nun haben Forscher am Imperial College London (ICL) einen Weg gefunden, wie man die Augen betrügen und sich scheinbar in der Luft auflösen kann.
Zugegeben: Die Methode des Professors Martin McCall wird in Filmen noch lange keine Verwendung finden können, weil sie ein Objekt nur für einen Augenblick unsichtbar machen könnte. Genauer gesagt, für weniger als ein Millionstel einer Sekunde. Doch die Briten glauben, dank besserer Technologien in Zukunft diese Zeitspanne auszudehnen und sie so weit zu verfeinern, dass ihre „Tarnkappe“ etwa die Computertechnik revolutionieren könnte. Das Faszinierende an der ICL-Erfindung ist, dass sie den alten Menschheitstraum von den Zeitreisen ein kleines Bisschen realer macht.
Bisher haben sich Tarnkappen-Forscher darauf konzentriert, das Licht mit Hilfe von speziellen dreidimensionalen Strukturen (so genannte „Metamaterialien“), um einen Gegenstand herum zu leiten oder die Reflexion so weit zu unterdrücken, dass sie für das menschliche Auge nicht sichtbar wird. Dagegen entwickelt das ICL-Team mit ihrem „Raum-Zeit-Umhang“ eine vierdimensionale optische Täuschung, die Teile des Geschehens einfach ausradieren kann, so wie ein Hobby-Filmer im bespielten Videoband eine Szene entfernt. Das Ergebnis wären spektakuläre Tarnaktionen wie bei „Star Trek“.
Verzögertes Licht
Etwa so soll der Trick funktionieren: Das Licht in einem Medium – beispielsweise in einem Glasfaserkabel – wird durch einen Laserimpuls geteilt in zwei „Portionen“, die sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen. So entsteht eine Lücke, in der „Energie, Information oder Materie“ versteckt werden kann. Die Lücke wird dadurch geschlossen, dass die Geschwindigkeiten der langsameren und der schnelleren Lichtstrahlen kurz vor dem Ziel wieder vertauscht werden, so dass sie im Auge des Beobachters synchronisiert eintreffen. Dieser wird die Realität so erleben, als wenn nichts passiert wäre beziehungsweise er wird über einen Menschen staunen, der plötzlich ganz woanders auftaucht. Natürlich erlaubt der Trick mit der winzigen Zeitlücke keine Teleportation von Objekten durch den Raum, sondern er verschleiert nur ihre Bewegung.
Bisher ist die Idee reine Mathematik
Das wäre ganz schön praktisch für einen Dieb, sagt Professor McCall. „Er könnte mit dieser Technologie im Prinzip einen Safe knacken und sich mit dem Geld davonmachen, während die Überwachungskamera einen leeren Raum filmt“. Allerdings müsste sich die Dieb wie jeder andere Benutzer des „Raum-Zeit-Umhangs“ in Finsternis bewegen, weil er ja eine Lücke im Photonenstrom nutzt. Der „Umhang“ ist bislang nur ein mathematisches Modell, doch die Forscher des ICL sind überzeugt, es experimentell bestätigen zu können.
Der Haken sei nur die Länge des Mediums, geben die Briten zu. „Weil das Licht pro Sekunde etwa 100 Millionen Meter zurücklegt, bräuchten wir auch so viel Glasfaserkabel, um etwas eine Sekunde lang verschwinden zu lassen“, sagt Martin McCall. Abgesehen davon: Welches Raumschiff passt schon in ein zehn Millimeter dickes Kabel?