Wissenschaft
Twittern bis der Arzt kommt: Informatiker entdecken in Brasilien Denguefieber-Ausbrüche

Die Ägyptische Tigermücke ist der Hauptüberträger des Denguefiebers. Übeltäter sind nur die Weibchen, die nach der Befruchtung Blut saugen. Mit einer Überwachung von Twitternachrichten soll die massenhafte Ausbreitung in Brasilien frühzeitiger erkannt werden.

James Gathany

Koblenz/Belo Horizonte - Einen Impfstoff gibt es nicht, Brasilien hat aber ein neues Rezept gefunden, Epedemien des heimtückischen Denguefiebers sehr viel schneller zu erkennen: per Twitter. Informatiker haben auf dem 3. Internationalen WebScience-Kongress in Koblenz die Methode vorgestellt. Wo viele Tweets über das Denguefieber grassieren, schwirrt auch die Mücke umher, die den Virus überträgt.

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Koblenz/Belo Horizonte – Einen Impfstoff gibt es nicht, Brasilien hat aber ein neues Rezept gefunden, Epedemien des heimtückischen Denguefiebers sehr viel schneller zu erkennen: per Twitter. Informatiker haben auf dem 3. Internationalen WebScience-Kongress in Koblenz die Methode vorgestellt. Wo viele Tweets über das Denguefieber grassieren, schwirrt auch die Mücke umher, die den Virus überträgt.

Janaina Gomide arbeitet am Institut für Computerwissenschaften der Universität von Minas Gerais in Belo Horiconte. In Koblenz erklärte sie, wie sie dabei auch daran arbeitet, dass das Denguefieber in ihrem Heimatland weniger schlimme Folgen hat. Damit vereint sie in sich den Grundgedanken der Konferenz WebSci11, zu der rund 200 Wissenschaftler aus aller Welt ans Institute for Web Science and Technology der Uni Koblenz gekommen sind: eine interdisziplinäre Sicht aufs Netz. Die Informatiker suchen den Austausch mit Wirtschaftswissenschaftlern, Medizinern, Historikern, Psychologen, Mathematikern.

Eine Arbeitsgruppe mit Janaina Gomide hat den Nutzen von Twitter fürs brasilianische Gesundheitswesen unter Beweis gestellt. Schneller als über das offizielle Meldesystem lässt sich über das Echtzeitmedium herausfinden, wo das Denguefieber wie stark wütet. Und diese von Stechmücken übertragene Krankheit mit mindestens 50 Millionen Erkrankten jährlich weltweit ist auf dem Vormarsch. Die Fallzahlen haben sich seit 1960 verdreißigfacht, in immer mehr Flecken der Welt taucht das Virus auf.

Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Mit der Grundannahme gingen die Informatiker aus Belo Horizonte ans Werk, wo 2010 alleine 68.000 Fälle gemeldet worden waren. Wo rege über Dengue getwittert wird, ist auch die Krankheit mit den Symptomen unterwegs, die einer schweren Grippe ähneln, aber auch zu inneren Blutungen führen kann. Der Gedanke: Rechner lesen und verarbeiten die Informationen, die eine Fülle von Nutzern als unbewusste Sensoren zur Verfügung stellen.

Nach dem Prinzip arbeitet bereits Google Grippetrends: Die Häufigkeit bestimmter Suchanfragen liefert Anhaltspunkte für die Häufigkeit von Krankheitsfällen. Die brasilianischen Forscher analysierten dagegen Tweets, wie sie erklären. In der jüngsten Denguefieber-Saison von Dezember 2010 bis April 2011 stießen sie auf mehr als 460.000 Kurznachrichten von Brasilianern zu Dengue. Weil es aber noch keine offiziellen Zahlen gibt, verglichen sie Tweets aus der Zeit der Denguewelle 2010 – damals mit gut 12.000 deutlich weniger Tweets – mit den Regierungsdaten hierzu.

Hier stellten die Wissenschaftler bereits viele Parallelen fest. Als die Wissenschaftler dann die Tweets noch genauer nach definierten Kriterien sortierten und speziell die mit persönlicher Betroffenheit untersuchten, war die Übereinstimmung frappierend. „Die Twitteraktivität reflektiert in der Tat das Denguefieber-Aufkommen“, so Janaina Gomide.

Die Forscher machten sich im nächsten Schritt zunutze, dass viele Tweets auch mit Information zum Ort verschickt werden – in 40 Prozent der Dengue-Tweets in den vergangenen Monaten war das so. Was liegt da also näher, als die Tweets bei einanderliegender Orte zu clustern (zusammenzufassen) und so auszuwerten? Für verschiedene Regionen lässt sich jeweils sagen, wie „heiß“ das Thema ist. "Ein abrupter Anstieg liefert Hinweis auf einen Ausbruch“, erklärte Gomide. Projektkoordinator Professor Wagner Meira Jr. sagt, dass sich ein Ausbruch so zu 85 Prozent vorhersagen lässt. Die Behörden können schneller gegensteuern.

Es ist nicht der erste Ansatz, Twitter als Analysetool zu nutzen. Bereits 2010 hatten japanische Wissenschaftler veröffentlicht, wie sich aufgrund der Fülle von bestimmten Tweets nach einem Erdbeben eine Erdbebenmeldung schneller auslösen lässt, als die dafür zuständige Japan Meteorological Agency das kann. Forscher von Hewlett-Packard zeigten, dass sich aus der Tweetfrequenz zu Kinofilmen die Einnahmen am Startwochenende gut hervorsagen lassen.

Lars Wienand

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