Trier – Der Heilige Rock von Trier gibt Wissenschaftlern Rätsel auf. Ein Theologe und Kunsthistoriker hat eine neue Theorie, wann die Tuchreliquie entstanden sein könnte – und würde das angebliche Gewand Jesu Christi gerne nochmal wissenschaftlich untersuchen lassen.
Verwoben mit Sagen: Der Heilige Rock, nach christlicher Überlieferung das ungenähte Gewand Jesu Christi, aufgenommen im Dom zu Trier.
Der Trierer Theologe und Kunsthistoriker Markus Groß-Morgen würde den Rock nach der Wallfahrt gerne erneut wissenschaftlich untersuchen lassen. „Es geht darum, der Geschichte der Reliquie auf die Spur zu kommen. Nicht um deren Echtheit“, sagte der Wissenschaftler, der das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum in Trier leitet und sich in seinem Leben mehrfach intensiv mit der Tuchreliquie beschäftigt hat. Zuletzt für die Ausstellung „Das Gewand – 500 Jahre Wallfahrt zum Heiligen Rock nach Trier“, die am 23. März in seinem Museum zur Wallfahrt beginnt.
Bei den Vorbereitungen dazu hat er zudem eine neue Theorie entwickelt. Dazu muss man wissen: Das Gewand, das wir heute sehen, ist eine Hülle und nicht die eigentliche Tuchreliquie. Diese steckt – in Form eines stark verfilzten Wollteils – im Rückteil des Gewands. Bislang gingen Forscher davon aus, dass die Hülle, also das Reliquiar in Form des Gewands, im Jahr 1512 geschaffen wurde, als man den Heiligen Rock im Hochaltar des Trierer Dom fand. Groß-Morgen aber ist der Ansicht, dass der Heilige Rock bei seiner Auffindung bereits die Form und Hülle hatte, die wir heute kennen.
Heißt: Er wurde bereits 1196 bei der Weihe des Hochaltars in Tunika-Form in eine Truhe gelegt und im Altar verborgen – so seine Theorie. Er begründet dies mit Beobachtungen von Augenzeugen, die 1512 ein blumiges Muster mit Figuren (Vogelmuster) beschrieben und von dem äußerst feinen Stoff angetan waren. Dabei handele es sich um byzantinische Seidenstoffe aus dem 7. oder 8. Jahrhundert, die verarbeitet waren. „Von daher denke ich, dass es zumindest schon eine erste Hülle gab“, sagte Groß-Morgen. Wann diese angebracht wurde, sei unklar. „Wir wissen nichts über den Rock vor 1196“. Der Legende nach hat die Heilige Helena das Gewand auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem entdeckt und es der Trierer Kirche zum Geschenk gemacht. Um solchen Fragen nachzugehen, wäre die erneute wissenschaftliche Untersuchung nötig. Nach Angaben des Trierer Wallfahrtsleiters Georg Bätzing steht so etwas aber derzeit nicht auf der Agenda. „Da gibt es momentan keine konkrete Planung.“
Die neue Theorie von Groß-Morgen könnte stimmen, meint Textilarchäologin und Kunsthistorikerin Regula Schorta, Direktorin der Abegg-Stiftung in Riggisberg bei Bern. „Die Antwort gibt aber das Objekt.“ Schorta kommt regelmäßig nach Trier, um Zustandskontrollen am Rock in seinem klimatisierten Schrein zu machen. „Da schauen wir in der Regel, ob das Klima stimmt, oder ob sich Schimmel gebildet hat.“ Der nächste Check stehe Anfang Februar an. Da sei aber keine Zeit, eingehend zu untersuchen. „Wir werden aber einen geschärften textilarchäologischen Blick auf den Rock werfen“, sagt sie.
Bei der vorigen Inspektion der Reliquie hatte Bischof Stephan Ackermann von einem „besonders privilegierten Augenblick“ gesprochen. „Das ist nicht nur technische Begutachtung.“ Ein Video des Bistums Trier dazu:
Dieser Mann würde das angebliche Gewand Jesu Christi gerne noch mal wissenschaftlich untersuchen lassen: Der Theologe und Kunsthistoriker Markus Groß-Morgen vor einer Hinweistafel für die Heilig-Rock- Wallfahrt. Groß-Morgen hat eine neue Theorie, wann die Tuchreliquie entstanden sein könnte.
Über die Jahrhunderte waren immer wieder neue Schutzhüllen aus Leinen oder Taft beim Rock dazukommen, immer wieder blätterten Teile ab. Besonders geschadet hat eine Gummilösung, die man 1890 als Kleber über die Vorderseite geschüttet hat, um das Ablösen zu stoppen. „Diese Konservierungsmethode hatte zur Folge, dass das Gewebe fest geworden ist, seine textilen Eigenschaften verloren hat, und sich die Stoffschichten nicht mehr trennen lassen“, sagt Groß-Morgen. Auch Schimmel habe dem Gewand in der Vergangenheit zugesetzt. „Das Gewand des Heiligen Rocks ist einer ständigen Veränderung unterworfen – es hat wirklich schon viel erlebt.“
Birgit Reichert, dpa