Berlin (dpa) - Kaum ist es etwas kühler geworden, rollen die Erkältungs-, Grippe- und Corona-Wellen durch Deutschland. In den nächsten Wochen und Monaten dürften immer wieder viele Arbeitnehmer krank ausfallen.
Die Zahl der Krankmeldungen war in den vergangenen Jahren vergleichsweise hoch - und die Krankenversicherung AOK geht davon aus, dass das auch im laufenden Jahr in der Gesamtbilanz so bleiben wird. Vor allem die Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen steigt immer weiter an.
Wie oft meldet sich ein Beschäftigter im Jahr krank?
Im vergangenen Jahr laut AOK im Schnitt 2,3 Mal. «Mit 228 AU-Fällen je 100 Mitglieder ist der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2023 von 225 Fällen je 100 Mitglieder noch einmal übertroffen worden», teilte die Krankenversicherung mit. AU steht für Arbeitsunfähigkeit. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2021 kamen auf 100 Versicherte lediglich knapp 160 Krankheitsfälle pro Jahr.
Die Zahlen der AOK beziehen sich auf die ungefähr 15 Millionen Beschäftigten, die bei der Krankenkasse versichert sind.
Welche Erkrankungen kommen besonders häufig vor?
Einen großen Teil der Krankheitsfälle machen Atemwegserkrankungen aus. 2024 gab es 82,2 Fälle je 100 AOK-Mitglieder. Die zweitgrößte Kategorie sind Erkrankungen an Muskeln und Skelett mit 40,4 Fällen je 100 Versicherte. Noch deutlich dahinter liegen psychische Erkrankungen mit 14,0 Fällen je 100 Versicherte. Hier geht die Kurve aber seit Jahren nach oben - und damit auch die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wegen solcher Erkrankungen. «In den letzten zehn Jahren sind die Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen um 43 Prozent gestiegen», teilte die AOK mit.
Und wie lange fallen die Kollegen im Schnitt aus, wenn sie krankgeschrieben werden?
Das ist je nach Erkrankung sehr unterschiedlich. Bei den häufig vorkommenden Atemwegserkrankungen dauerten die Krankschreibungen im Durchschnitt 5,9 Tage. Ganz anders ist es bei den psychischen Erkrankungen: Beschäftigte fehlten bei diesen Erkrankungen durchschnittlich 28,5 Tage pro Erkrankungsfall.
Sorgt die telefonische Krankschreibung dafür, dass mehr Leute blaumachen?
Nein, sagt die AOK. «Einerseits waren 2024 insgesamt 26,4 Millionen
atemwegsbedingte AU-Fälle unter den AOK-versicherten Beschäftigten zu verzeichnen. Andererseits sind von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nur in 145.000 Fällen telefonische Krankschreibungen abgerechnet worden», sagte Helmut Schröder, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.
Das bedeutet, dass 2024 rein rechnerisch 1,5 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle wegen Atemwegserkrankungen telefonisch veranlasst worden sind. Dieser geringe Anteil könne den starken Anstieg der Arbeitsunfähigkeiten nicht erklären, meint Schröder.
Gibt es eine andere Erklärung?
Sämtliche Gründe im Einzelnen sind laut AOK schwer auszumachen. Ein wichtiger Einflussfaktor für die hohen Werte ist laut AOK mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einführung der elektronischen Krankmeldung, die laut aktuellen Analysen zu einer vollständigeren Erfassung der Fehlzeiten geführt hat. Früher haben nicht alle Patienten den Krankenzettel an die Versicherung gesendet.
Von 2021 zu 2022 sprang die Zahl der Krankschreibungen deutlich nach oben. Gleichzeitig sind die Ärztinnen und Ärzte seit 2022 verpflichtet, ausgestellte Krankmeldungen der jeweiligen Krankenversicherung zu melden.
Wie entwickeln sich die Zahlen im laufenden Jahr?
Die AOK geht davon aus, dass die Gesamtbilanz für 2025 ähnlich ausfallen wird wie jene des Vorjahres. Haupttreiber bleiben demnach erneut die Atemwegserkrankungen. «Sie erreichten im Februar 2025 einen neuen Höchststand und haben sich seit April 2025 auf einem etwas niedrigeren Niveau eingependelt als in den Vergleichsmonaten des Jahres 2024», teilte die AOK mit. Seit September seien die Erkältungs- und Grippefälle bereits mehr geworden, ebenso die Corona-Infektionen.
Stecken im AOK-Report auch positive Nachrichten?
Ja, ein bisschen Hoffnung verbreitet die Krankenversicherung mit einer Langzeit-Auswertung zur eigenen Wahrnehmung des Gesundheitszustands und der arbeitsbezogenen Belastungen. «Nachdem die Befragungen der Beschäftigten in den Pandemiejahren deutlich höhere Werte insbesondere bei den psychischen Belastungen gezeigt hatten, liegen die Werte für Themen wie Erschöpfung, Wut oder Niedergeschlagenheit jetzt wieder auf dem Niveau wie vor der Pandemie», sagte Schröder.
Auch die gedankliche Abgrenzung von der Arbeit hat sich dem Wissenschaftlichen Institut zufolge verbessert. Der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen es nach eigenen Angaben schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten, ist der AOK zufolge im Jahr 2025 mit knapp 18 Prozent deutlich niedriger als im Jahr 2022 mit 31 Prozent. Auch der Anteil derer, die außerhalb der Arbeitszeit an Schwierigkeiten
bei der Arbeit denken, ist demnach gesunken – von 40 Prozent im Jahr 2022 auf 25 Prozent in diesem Jahr.
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