Wirtschaft
Neues Einstiegsmodell: Tesla setzt die Mittelklasse unter Strom
Mit dem dichtgeknüpften Tesla-Ladenetzwerk an Autobahnen, den „Superchargern“, kann noch kein anderer E-Auto-Hersteller mithalten.
Jochen Magnus

Schneller als erwartet hat Tesla sein Modellangebot in Europa nach unten erweitert: Als Einstiegsversion bietet die kalifornische E-Autoschmiede nun das Model 3 „Standard Reichweite Plus“ ab 44.500 Euro. Doch wird auch dieses Modell die Automobilwelt wohl nicht aus den Angeln heben.

Mit dem dichtgeknüpften Tesla-Ladenetzwerk an Autobahnen, den „Superchargern“, kann noch kein anderer E-Auto-Hersteller mithalten.
Jochen Magnus

Vorher konnten in Europa nur die beiden Top-Modelle mit großem Akku und Allradantrieb ab 55.000 Euro bestellt werden. Das neue Standardmodell wird im Unterschied dazu nur von einem Elektromotor an der Hinterachse angetrieben. Auch der Akku ist mit 55 statt 80 Kilowattstunden kleiner. Damit kommt das Standardmodel nach dem WLTP-Messverfahren 415 km weit, während die stärkeren Batterien bis zu 560 km schaffen. Dennoch beschleunigt die kleinere Variante dank 202 kW (275 PS) in 5,6 Sekunden auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h. Die Lieferzeit wurde noch nicht mitgeteilt.

Das bereits vor drei Jahren versprochene Standardmodell für 35.000 Dollar (ohne Steuern) lässt in Europa weiterhin auf sich warten. Es würde inklusive EU-Importzoll und Mehrwertsteuer umgerechnet knapp 40.000 Euro kosten. In den USA wurde dieses lang erwartete Basismodell kürzlich einige Wochen lang online angeboten – und nun zurückgezogen: Angeblich hatten sich dafür zu wenige Käufer gefunden. Allerdings kann man es – als softwareseitig gedrosselte Variante des Standard Plus – telefonisch und im Laden weiterhin erwerben. Das ist ein bei speziellen Ausstattungen durchaus übliches, „off menu“, genanntes Verfahren des Autobauers. Tesla bemüht sich seit Monaten um ein gestrafftes Angebot, um die Produktion zu vereinfachen. So gibt es bei Tesla grundsätzlich nur wenig Varianten eines Modells und gar keine Sonderausstattungen.

Die Preis- und Angebotsgestaltung – neuerdings gehört auch eine vereinfachte „Autopilot“-Funktion zur Pflichtausstattung – lässt darauf schließen, dass Tesla bei den einfacheren Modellen mit der Gewinnmarge zu kämpfen hat. Deutlich unter 40.000 Dollar scheint sich das E-Auto noch nicht rentabel herstellen zu lassen. Doch andererseits liegen die jetzigen Einstiegspreise auf Augenhöhe mit einem mittleren C-Klasse-Mercedes oder 3er BMW. Tesla ist also in der Mittelklasse angekommen.

Auslieferung von Tesla Model 3
Michael Schmidtchen

In Deutschland wurden seit dem Verkaufsstart Mitte Februar etwa 3500 Tesla Model 3 ausgeliefert. Der Marktanteil von E-Autos insgesamt liegt trotz der noch laufenden staatliche Förderung von jeweils 2000 Euro aber noch immer unter zwei Prozent. Ganz anders in Norwegen: Im März waren dort erstmals mehr als die Hälfte der Neuwagen rein elektrisch – die Hälfte davon Model 3. In der Schweiz führt der neue Tesla sogar die März-Zulassungsstatistik an – vor Skoda Octavia und VW Golf. Wohl ein Einmaleffekt wegen des Verkaufsstarts, aber auch ein Signal an die etablierten Hersteller.

Um diese Rekorde zu erzielen, nahm Tesla allerdings anfangs teilweise chaotische Zustände bei der Auslieferung in Kauf: Manche Frühbesteller warteten länger als Spontankäufer auf ihr Fahrzeug und einige reisten wiederholt vergeblich zu Auslieferungsterminen an. Auch von beschädigt oder schmutzig ausgelieferten Autos wurde berichtet. Inzwischen läuft der Verkauf zwar geordnet, doch das Auf- und Ab bei Preisen und Ausstattungen wird manche Käufer, die keine ausgewiesenen Tesla-Fans sind, abschrecken. Verunsichert hatte auch die kürzlich erfolgte Ankündigung, die Tesla-Shops zu schließen und nur noch im Internet zu verkaufen. Hier ruderten die Kalifornier aber nach wenigen Tagen wieder zurück.

Immerhin warten Tesla-Käufer nur einige Wochen auf ihr Auto. Ganz anders bei den asiatischen Herstellern, deren neueste elektrische Modelle zwar durchaus mit dem Model 3 mithalten könnten – aber bis zu einem Jahr Lieferzeit haben. Die europäischen Autobauer haben momentan in der Mittelklasse noch keine wirklich konkurrenzfähigen Modelle im Angebot. Hier heißt es: Abwarten oder ältere Modelle fahren.

Jochen Magnus

Top-News aus der Region