Verkehrsminister Wissing droht mit Veto bei der finalen EU-Abstimmung, weil er auf E-Fuels pocht
FDP will Verbrenner-Aus kippen: Verkehrsminister Wissing wird deutlich
Eigentlich ist das Verbrenner-Aus in der EU so gut wie beschlossen. Doch nun macht Verkehrsminister Wissing das Fass wieder auf.
Julian Stratenschulte/dpa

Berlin/Brüssel. Die FDP mit Verkehrsminister Volker Wissing an der Spitze stemmt sich gegen ein Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor in der EU ab 2035. Wissing drohte am Dienstag damit, dass Deutschland einem auf EU-Ebene bereits erzielten Kompromiss doch nicht zustimmen könnte. Die FDP pocht darauf, dass Autos mit Verbrennungsmotor nach 2035 weiter zugelassen werden, wenn sie sogenannte E-Fuels tanken.

Wissing sagte in Berlin, die EU-Kommission müsse liefern und Zusagen einhalten. Es gehe um eine Zulassung von Verbrennern nach 2035, wenn sie nachweislich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Die Kommission solle einen entsprechenden Regulierungsvorschlag machen. Ansonsten werde Deutschland bei der für kommende Woche Dienstag geplanten Abstimmung im Rat der EU-Staaten nicht zustimmen.

Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich im Oktober darauf verständigt, dass ab 2035 in der EU keine neuen Pkw mit Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Das Europaparlament billigte die Einigung vor zwei Wochen. Die Zustimmung des Rats der EU-Staaten steht noch aus und ist für kommenden Dienstag angesetzt. Eigentlich ist das eine Formalie. Ohne die deutsche Zustimmung könnte die erforderliche Mehrheit aber wackeln – und die EU-Staaten müssten gegebenenfalls erneut mit dem Europaparlament über das Verbrenner-Aus verhandeln.

FDP pocht auf Technologieoffenheit

Die FDP will nicht nur auf die Elektromobilität setzen, sondern pocht auf Technologieoffenheit – und auf E-Fuels. Das sind synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Strom aus Wasserstoff und anderen Gasen hergestellt werden. E-Fuels waren schon Knackpunkt, als die EU-Staaten im Juni 2022 um ihre Position zu dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission rangen.

Auch damals stand eine Enthaltung Berlins bei der Abstimmung der EU-Länder im Raum, weil die Ampel uneins war. Nach öffentlich ausgetragener Streiterei signalisierte Berlin letztlich Zustimmung – allerdings unter einer bestimmten Bedingung: der Zusage der EU-Kommission, einen Vorschlag vorzulegen, wie nach 2035 nur mit klimafreundlichen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können.

Genau daran hakt es nun jedoch. Der zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans machte unlängst in der „Bild am Sonntag“ deutlich, wie seine Haltung ist. Auf die Frage, was gegen Verbrenner spreche, die E-Fuels nutzten, und ob er Angst vor Innovation habe, sagte er: „Nein, ich habe keine Angst, aber wir dürfen unsere Autoindustrie nicht zwingen, gleichzeitig verschiedene Technologien zu entwickeln.“ Die EU müsse sagen, wo es langgeht. „USA und China machen auch keine E-Fuels – die sind doch nicht blöd.“

Umweltverbände kritisierten Wissing. Der ökologische Verkehrsklub VCD sprach von einer rückwärtsgewandten Ideologie. Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert sagte, E-Fuel-Neuwagen brauchten ein Mehrfaches an Energie als reine Elektroantriebe. „Minister Wissing reitet ein totes Pferd“, warnte er. Greenpeace wirft Wissing vor, den Ruf der Bundesregierung in der EU zu riskieren. „Was EU-Kommission und EU-Parlament beschlossen und selbst die Autohersteller längst akzeptiert haben, will Verkehrsminister Wissing nicht wahrhaben: E-Fuels sind Stromverschwender“, sagte Verkehrsexperte Benjamin Stephan.

Ampel einigt sich auf gesetzliche Änderungen

Zumindest einigte sich die Ampelkoalition auf gesetzliche Änderungen zu E-Fuels für Deutschland. Diese sollen künftig frei und in Reinform an allen Tankstellen verkauft und getankt werden dürfen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach von einem Durchbruch in Sachen Klimaschutz. Auch der ADAC begrüßte den Schritt.

Technikpräsident Karsten Schulze sagte: „Mit der Entscheidung erhöhen sich die Chancen, dass Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden können. Denn nur in der Kombination von Flottenerneuerung durch E-Pkw und alternativen Kraftstoffen für Bestandsfahrzeuge ist das machbar. Es wäre für den Klimaschutz allein bei Weitem nicht ausreichend, nur auf den Hochlauf der E-Mobilität zu setzen.“

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