Bern
Abstimmung: Kein Deckel für Managerlöhne in der Schweiz

Wie viel darf ein Spitzenmanager monatlich an Lohn nach Hause tragen? Das Zehnfache, das Hundertfache oder noch mehr? Während in Deutschland viele nach einer Umfrage viele Menschen das Einkommen der Führungskräfte deckeln wollen, sprachen sich die Eidgenossen dagegen aus. Foto: dpa

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Bern - Voller Ironie empfahl Bertolt Brecht nach dem Arbeiteraufstand des 17. Juni 1953 der DDR-Regierung, das Volk aufzulösen und sich ein neues zu wählen. Gut 60 Jahre danach mag manch deutscher Konzernlenker genau daran gedacht haben. 

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Von Thomas Burmeister

Fast drei Viertel der Bundesbürger würden nämlich die Einkommen der Spitzenmanager gern beim höchstens Zwölffachen ihrer am schlechtesten bezahlten Arbeiter begrenzen. Das ergab eine Umfrage im Auftrag der „Welt am Sonntag“. In der Schweiz hätte das Volk am selben Tag so eine 1:12-Bremse tatsächlich einführen können – doch die Eidgenossen sagten ziemlich deutlich „Nein, danke“.

Rund 65 Prozent der Teilnehmer eines entsprechenden Referendums lehnten die Volksinitiative der Schweizer Jungsozialisten „Für gerechte Löhne“ ab. Damit sollte in der Verfassung der Alpenrepublik verankert werden, dass kein Chef in einem Monat mehr Geld bekommen darf, als der kleinste Angestellte in der selben Firma im ganzen Jahr nach Hause bringt. Wenige Wochen vor dem Urnengang hatten sich Befürworter und Gegner dieses Juso-Vorschlags die Waage gehalten. „Doch heute haben wir verloren“, räumte Juso-Chef David Roth ein.

Dabei ist auch in der Schweiz der Wunsch nach mehr Lohngerechtigkeit durchaus groß. Noch in den 80er-Jahren war die Spanne 1:12 fast nirgendwo überschritten worden. Heute streicht der Chef des Weltkonzerns Nestlé am Genfer See, Paul Bulcke, mit jährlich 12,6 Millionen Franken (10,2 Millionen Euro) das 238-fache des niedrigsten Lohns im selben Unternehmen ein. Beim Pharma-Riesen Roche beträgt die Spanne laut Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ gar 1:261, beim Uhrenhersteller Swatch immerhin noch 1:137.

Doch wie sich zeigte, sind viele Eidgenossen der Ansicht, die erst im März mit fast 68 Prozent Jastimmen angenommene „Initiative gegen Abzockerei“ sei ausreichend. Damit wurde festgeschrieben, dass Vorstände börsennotierter Unternehmen nicht ohne Kontrolle an der Gehaltsschraube drehen dürfen. Das letzte Wort über das Einkommen der Bosse hat seitdem die jeweilige Mehrheit der Aktionäre.

Etwas Ähnliches schwebt wohl auch den schwarz-roten Koalitionären in Berlin vor. Laut „Bild am Sonntag“ haben sich Union und SPD darauf geeinigt, Managergehälter verbindlicher zu regeln: Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen müssten künftig festlegen, um wie viel höher der Verdienst jedes Vorstandsmitglieds im Vergleich zum durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen in derselben Firma sein darf. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte dem Blatt: „Wo der freie Markt versagt, muss der Staat versuchen, für Gerechtigkeit zu sorgen.“

So hatten auch die Schweizer 1:12-Befürworter argumentiert. Die Arbeitgeber hielten dagegen: Gerecht ist, was Jobs und allgemeinen Wohlstand schafft. Da hat die Schweiz in der Tat einiges vorzuzeigen: Höhe Löhne und Gehälter, von denen deutsche Arbeitnehmer nur träumen können. Und zugleich sorgt die laut Weltwirtschaftsforum (WEF) wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt dafür, dass die Arbeitslosigkeit mit etwa 3 Prozent gering bleibt.

Das alles sei gefährdet, wenn Managergehälter vom Staat bei 1:12 gedrosselt werden, wetterten die Schweizer Unternehmer. Zugleich zeigten sie die „Jobkeule“: „Arbeitsplätze vernichten? 1:12 Nein“ stand auf riesigen Postern. Wobei über dem „Nein“ Hammer und Sichel prangten – Symbole des Kommunismus. Kein ausländisches Unternehmen werde im Falle der Annahme von „1:12“ noch in die Schweiz ziehen, warnte der Nestlé-Konzern. Unternehmer verwiesen auch auf Daten der Steuerverwaltung, wonach die reichsten 10 Prozent der Schweizer 80 Prozent der Bundessteuern abliefern. „Ich bin überzeugt“, erklärte Roche-Chef Severin Schwan, „dass die Schweizer Bevölkerung in wirtschaftlichen Fragen offen, pragmatisch und vernünftig ist.“

Ob Schwan das auch nach der nächsten Volksabstimmung zum Thema Lohngerechtigkeit glaubt, bleibt abzuwarten. 2014 dürfen die Schweizer über die Einführung eines landesweiten Mindestlohns entscheiden: Die Gewerkschaften verlangen umgerechnet 18,50 Euro pro Stunde – 10 Euro mehr als der Mindestlohn, der nach dem Willen der SPD nun in Deutschland vorgeschrieben werden soll.

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