Unser heimischer Westerwald, die große Region zwischen Rhein, Lahn, Dill und Sieg, hat einen kleinen Bruder: den Eichsfelder Westerwald in Thüringen. Das ist keine Region, sondern tatsächlich nur ein großes Waldgebiet. Da der Deutsche Wandertag in diesem Jahr nur wenige Kilometer entfernt in Heilbad Heiligenstadt stattfand, nutzte ich als echter Wäller die Gelegenheit, mir dieses interessante Fleckchen Erde einmal näher anzuschauen.
Zumal ein Qualitätsweg Wanderbares Deutschland, der „TOP-Wanderweg Westerwald“, ein etwa 17 Kilometer langer Rundweg, die Landschaft im Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werra bestens erschließt. Der Eichsfelder Westerwald mit seinen Hügeln und dem verzweigten Wegenetz soll zudem wie geschaffen sein für abwechslungsreiche Wanderungen. Also mache ich die Probe aufs Exempel.

Eigentlich hätte ich schon vor dem Start direkt mal im „Landhaus am Westerwald“ in Martinfeld einkehren können, doch leider war zu Mittag dort geschlossen. Ich darf aber mein Auto dort parken und reserviere mir gleich für den Abend einen Platz im Restaurant. Dann starte ich direkt bergauf, denn ich will den TOP-Wanderweg entgegen der vorgeschlagenen Richtung laufen. Bald habe ich den schmucken Sportplatz oberhalb des Dorfes erreicht und genieße noch mal einen Blick über die Landschaft, bevor ich am steilen Hang in den Wald eintauche.

Vorbei an schönen alten, mächtig verzweigten Buchen geht es auf schmalem Pfad zu einer Finnhütte, die einen Unterstand bei Regen bieten würde. Dann wird der Weg noch steiler und führt durch für die Region typische, aber auch recht geheimnisvolle Hohlwege weiter hinauf. Da die Sonne ganz schön brutzelt, bin ich froh, dass ich fast ständig im Schatten hoher Bäume unterwegs sein kann.

Auf der Hochfläche des Westerwaldes angekommen, hat man plötzlich einen freien Blick in die umgebende Landschaft: Dieses „Ershäuser Fenster“ wurde wohl eigens aus diesem Grund in die Wegeführung eingebaut. Und bald folgt noch ein schönerer Ausblick: das „Martinfelder Fenster“ oberhalb eines steilen Felsens, ausgestattet mit Ruhebank und einfachem, aber zweckmäßigem Schutzdach.

Apropos Felsen: Im Gegensatz zum heimischen Westerwald, der vor allem aus Schiefer und dem bekannten Basalt aufgebaut ist und der nur wenige Kalkvorkommen hat, besteht sein Eichsfelder Namensvetter vor allem aus Muschelkalk. Und der tritt an den Steilabstürzen des Hochplateaus immer wieder als schöne Felsformationen zutage.

Dann geht es weiter durch den schönen alten Baummischbestand des Westerwaldes, zu dem zum Beispiel auch die „Dicke Douglasie“ gehört. Zudem werden auf Informationstafeln auch die Lebensräume im Wald erläutert. Ich bin auf einer Höhe von rund 500 Meter angelangt, als mich ein kleiner Wegweiser zu einem Jägergrab lockt, das aber zuerst gar nicht so leicht zu finden ist. Später kommen dazu noch weitere Denkmäler für Förster und Waldarbeiter, die deutlich machen, welch hohe Bedeutung der Eichsfelder Westerwald einst für die Forstwirtschaft und Jagd hatte.

Ein langjähriger Förster des Westerwaldes, Eduard Fritze, hat dem Gebiet 2007 sogar ein interessantes, großformatiges Buch mit vielen aktuellen und historischen Bildern gewidmet. Allerdings ist das derzeit nicht im Buchhandel zu haben und auch selten antiquarisch zu bekommen.

Mitten in dem recht urtümlichen Wald holt mich dann kurz die Zivilisation ein, führt doch tatsächlich auch eine Straße quer durch den Westerwald. Doch bald wird es wieder einsam und auch ein wenig abschüssig, zumal zuvor offenbar ein Unwetter diesen Wegabschnitt etwas malträtiert hatte. Doch bald habe ich den Küllstedter Grund erreicht, wo sich wunderbar rasten lässt. Hier gibt es eine große Wiese, die sogenannte Sängerwiese, mit Liegebänken, eine Quelle mit Teich, das pittoreske Schweizer Häuschen, schon 1904 erbaut, und sogar einen Biwakplatz, dessen Campingplattformen allerdings auch das Unwetter böse mitgenommen hat.

Vom Grund geht es durch den Steingraben und am Schulzen-Born vorbei dann wieder bergauf, am Anfang sogar ganz schön heftig. Aber immer durch den schönsten Mischwald. Als ich wieder bei der nächsten Schutzhütte die Straße quere, erwartet mich auf der anderen Seite das ehemalige Forsthaus Westerwald von 1835. Jenseits der Felder leuchtet Wachstedt in der Nachmittagssonne. Nun geht es hinab zum Höhepunkt des TOP-Wanderweges: Klüschen Hagis.

„Die Wallfahrtskirche gehört zu den bedeutendsten Wallfahrtsorten im Eichsfeld. Der sakrale Bau mit der angrenzenden Wiese steht im interessanten Kontrast zum übrigen Wanderweg und strahlt dabei eine faszinierende Friedlichkeit aus“, heißt es in einer Beschreibung. Dem kann man nur zustimmen. Nicht nur Gläubige verspüren hier das Bedürfnis, einen Augenblick innezuhalten.“ Gesagt, getan, also schnell noch einen Blick in das kleine Gotteshaus werfen, bevor es für die Nacht abgeschlossen wird.

Der letzte Höhepunkt auf meiner heutigen TOP-Wanderweg-Runde fristet im Spätsommer ein eher kümmerliches Dasein: Der Kalktuffquelle Wagental fehlt es einfach an genügend Wasser. Dabei handelt es sich hier um eine geologische Besonderheit: Die Quelle wird durch kalkhaltiges Schichtwasser gespeist und hat einen vielfältigen Lebensraum im Wald geschaffen. Trotz des wenigen Wassers fallen die terrassenartigen Stufen auf, die das Kalkwasser über lange Zeit geschaffen hat.

Gegen Ende der Tour zeigt mir ein Blick auf die Karte im Smartphone, dass es hier eine Möglichkeit zum Abkürzen der Tour gibt. Die nutze ich gerne, zumal es schon dämmert und ich außerdem ja noch den viel gelobten Martinfelder Mutzbraten im „Landhaus zum Westerwald“ probieren will. Das schaffe ich dann auch noch recht pünktlich und komme nach dem köstlichen Mutzbraten (was das ist, werde ich hier jetzt nicht direkt verraten) auch noch mit der Wirtin ins Plaudern, die mir berichtet, dass schon oft Gäste aus dem „großen“ Westerwald bei ihr zu Gast waren und sie generell gerne Wanderer beherbergt und verpflegt.
Weitere Informationen
Genaue Beschreibungen zum „TOP-Wanderweg Westerwald“, aber auch zu vielen weiteren Wander- und Radwegen sowie zu den Sehenswürdigkeiten des Naturparks Eichsfeld-Hainich-Werratal, der nicht zuletzt auch am Grünen Band, der früheren innerdeutschen Grenze, liegt, gibt es unter: www.naturpark-ehw.de