Manchmal ist es gut, etwas nicht zu haben. Besser sogar. Auf die Baleareninsel Formentera trifft das in einem Punkt auf jeden Fall zu. Die Insel im Mittelmeer verfügt nämlich nicht über einen Flughafen und ist nur per Schiff von Ibiza aus zu erreichen. Der Tourismus auf dem 20 Kilometer langen und an der engsten Stelle nur 2 Kilometer breiten Eiland hat sich dadurch ganz anders entwickelt als bei den großen Nachbarn Mallorca, Ibiza und Menorca. Man muss auf Formentera schon auf die Suche gehen, um größere Hotelanlagen aufzustöbern, die bei den aus der Luft erreichbaren Nachbarinseln allgegenwärtig sind. Das Riu Palace La Mola an der Playa de Migjorn ist so ein Beispiel. Angenehm unauffällig schmiegt sich die im Winter 2024/2025 komplett renovierte Vier-Sterne-Anlage an das vom Strand terrassenförmig ansteigende Gelände.
345 Zimmer verteilen sich auf zwei lang gestreckte Hauptgebäude mit fünf Etagen sowie einzelne Bungalows. Das im April 2025 wiedereröffnete Hotel hat auch eine Auszeichnung für nachhaltigen Tourismus erhalten – und liegt damit auf Linie der kleinen Insel. Dass Formentera von National Geographic als „Bestes nachhaltiges Reiseziel“ ausgezeichnet worden ist, spürt man. Umwelt schonen, Verkehr regulieren und vor allem Ruhe bewahren, lauten die Vorgaben – auch in der Hochsaison. Nachhaltige Unterkünfte setzen auf Energieeffizienz mit Sonnenkollektoren und energieeffizienter Bauweise. Der Klimawandel sorgt nicht nur auf den Balearen für Wasserknappheit. Sparen ist oberste Pflicht.

Daneben begrenzt Formentera den Fahrzeugverkehr. Die Anzahl der motorisierten Fahrzeuge ist limitiert. Das reduziert den Verkehr und entlastet Parkplätze. Quads sind ebenso nicht zugelassen wie Wohnwagen und Wohnmobile, denn Camping ist auf Formentera verboten. Wer mit dem eigenen Auto auf die Insel will, muss dies vorher beantragen und dafür eine Gebühr zahlen. Es ist aber beileibe nicht so, dass auf Formentera der Straßenverkehr gefühlt nicht stattfindet. Im Gegenteil, als das Ende einer kurzen Wanderung unserer Reisegruppe ein Stück entlang einer Hauptverkehrsachse verläuft, ist die ruhige Idylle vorübergehend dahin.
Die stellt sich aber im Ortskern von Sant Ferran de ses Roques schnell wieder ein, als uns Ekki Hoffmann begrüßt, der in abgewetzter Jeans, verwaschenem T-Shirt und mit seinem zum Pferdeschwanz gebundenen weißen Haupthaar rein optisch alle Hippie-Klischees erfüllt. Aber: Hippies führen kein Unternehmen. Der gebürtige Bielefelder hat schon sieben Jahrzehnte auf dem Buckel, seit 1989 lebt und arbeitet er auf der Insel und betreibt hier ein nicht alltägliches Geschäft. Innerhalb von drei Wochen kann man hier unter seiner Anleitung seine eigene E-Gitarre bauen. Der Bassist und gelernte Diplomingenieur der Elektrotechnik übernahm seinerzeit das Unternehmen von den befreundeten deutschen Gründern von Formentera Guitars. Die Idee: Man mietet sich in der Nähe der Werkstatt ein, geht am Vormittag zur Arbeit an der Gitarre, macht am Nachmittag – wir sind in Spanien – Siesta oder genießt das Strandleben. Am Abend legt man dann noch einmal Hand ans eigene Instrument. Rund 40 Interessenten pro Jahr durchlaufen Ekkis Werkstatt, einige als Wiederholungstäter.

Das muss auch an der ruhigen und gemütlichen Atmosphäre in der Werkstatt liegen. Ein paar Instrumente an der Wand, zwei Werkbänke, Utensilien, Stapel mit Tonhölzern, allerlei technisches Gerät verteilen sich in der Manufaktur, auf die von außen nur ein dezentes Schild hinweist. Hier kann man abseits vom Berufsstress wahrlich eine Auszeit nehmen, die Gedanken fokussieren, sich auf eine Arbeit mit eigenen Händen konzentrieren. Beim Tüfteln, Sägen und vor allem beim Schleifen vergisst man den hektischen Alltag daheim. Und weil das Ganze ja ein Urlaub ist, runden mediterrane Annehmlichkeiten wie Sonne, Strand und feine spanische Küche den Aufenthalt ab.
Letztere bietet das Restaurant La Figuera in El Pilar de la Mola in höchster Vollendung. An einfachen Tischen in landestypischem Ambiente werden hier neben Paella frischer Fisch, Garnelen und alles, was das Meer sonst noch so hergibt, in Vollendung serviert. Wer hier drei Stunden geschlemmt hat, macht am besten einen Spaziergang zum Leuchtturm La Mola, genießt dort von den steilen Klippen die Aussicht hinunter übers Meer, das besonders in den Morgen- und Abendstunden unter Beweis stellt, warum man auf Formentera auch von der Karibik des Mittelmeers spricht. Kristallklares Wasser, mal blau, mal türkis schimmernd oder in sämtlichen Zwischentönen, lädt ein zum erfrischenden Bad, das Mitte Mai wahrlich noch erfrischende Temperaturen hat. Aber die Gäste in der frühen Saison schwören gerade darauf. Ganze Strandabschnitte oder kleine verträumte Buchten hat man hier für sich allein. Immer wieder sieht man einzelne Gäste von Ferienhäusern, die direkt am Strand liegen und ihren Teilzeitbewohnern quasi eine einsame Privatbucht offerieren. Und zum Mittagsimbiss findet man sich in der Chiringuito KM11 ein, die zu den vielen Beachbars zählt, die mit Tapas, Sangria, Cocktails und spektakulärem Meerblick dazu einladen, die Füße in den Sand zu stecken und bei feinsten Häppchen zu sinnieren, wie schön das Leben doch sein kann, sofern man es ruhig angeht.

Und wem die Sonnenanbeterei dann irgendwann zu langweilig wird, der begibt sich auf eine kurze Wanderung über ausgetretene Pfade auf den mit 200 Metern höchsten Punkt der Insel, Terramoll. Wenn man vom Wanderpfad die 2 Kilometer breite Engstelle der Insel betrachtet hat, pilgert man noch ein paar Meter weiter, um den Müßiggang dann in der Bodega Terramoll bei köstlichen Weinen in aller Gelassenheit fortzusetzen. Unbedingt verkosten sollte man das Spitzenprodukt „Es Monestir“. Der „Mönchswein“ geht zurück auf venezianische Geistliche, die im 14. Jahrhundert die Rebsorte hier kultivierten. Bei einem Rundgang durch die Kellerräume des 2000 gegründeten Öko-Weinguts erschließt sich die brennende Leidenschaft der Winzer, die sich in jedem Schluck der kredenzten Tropfen offenbart.
Weinselig lässt man den Tag dann bei einer Bootstour ausklingen, die gemächlich an kleinen vorgelagerten Inseln vorbei in Richtung Sonnenuntergang schippert. Wein und Tapas dürfen auch an Bord nicht fehlen. Letzteres fällt zwar weg beim Beginn der Heimreise, aber während der 30-minütigen Überfahrt übers Meer kann man noch einmal innehalten und die beschauliche Ruhe auf Formentera sacken lassen. Der Flughafen Ibiza bringt die Alltagshektik früh genug zurück.
Wissenswertes für Reisende
Anreise: Formentera erreicht man nur mit dem Schiff, die schnelle Fähre von der Nachbarinsel Ibiza benötigt ca. 30 Minuten. Der Transfer vom Flughafen Ibiza zum Fähranleger erfolgt mit dem Bus.
Ausflüge:
- Von Mai bis Oktober lohnt am Abend ein Besuch des Hippie-Marktes in El Pilar de la Mola im Süden der Insel. Künstler bieten Schmuck, Kleidung, Souvenirs, Bilder, Lederwaren und vieles mehr an.
- Der Leuchtturm La Mola (Faro de la Mola) steht am östlichsten Punkt der Insel am Rand einer 120 Meter hohen Klippe. Hier befindet sich auch ein Kulturzentrum, in dem Konzerte oder Theateraufführungen stattfinden.
Die Moli Vell ist die am besten erhaltene von ehemals sieben Windmühlen auf Formentera. Sie steht etwa 100 m vom Ortsausgang El Pilar de la Mola am Wanderweg Camí de Can Ferrer.
Unser Autor ist auf Einladung von TUI gereist und hat übernachtet im Hotel Riu Palace La Mola an der Playa de Migjorn.
Infos: www.formentera.es; www.riu.com