Eigentlich hat es Randy Newman schon vor 40 Jahren perfekt zusammengefasst: New York ist kalt und feucht, Chicago kannst du getrost den Eskimos überlassen, „I love LA“, so singt Randy in der Evergreen-Hymne an seine Heimatstadt. Ich liebe Los Angeles. Wer nicht das Glück hat, dort geboren zu sein, sondern sich zum Beispiel aus dem rund 9000 Kilometer entfernten Deutschland auf den Weg macht, braucht nach der Landung am „LAX“, wie alle den Flughafen nennen, nicht lange, um diese Liebeserklärung nachvollziehen zu können. Es genügt vielleicht dieser eine Moment, wenn am Venice Beach die Sonne hinter den Palmen aufgeht und die Surfer, die auf ihren Brettern im Wasser auf die Wellen warten, in goldenes Licht taucht, um sich in diese unglaubliche Stadt zu verlieben.
Aber was heißt eigentlich „diese Stadt“. Rund 3,8 Millionen Menschen wohnen nach offiziellen Quellen innerhalb der Stadtgrenzen, rund 10 Millionen Einwohner zählt das LA County, im Ballungsraum Los Angeles spricht man von 12,8 Millionen Menschen, wo die Stadt aufhört und das County anfängt, das sieht man nicht – und es ist auch völlig egal. Vielleicht kommt man der Faszination dieser Mega-Metropole am ehesten nahe, wenn man akzeptiert, dass sie aus unzähligen, völlig verschiedenen Städten besteht, die in diesem vom Klima verwöhnten Becken zwischen den Hügeln und dem Pazifik kunterbunt nebeneinanderliegen.

Und ganz sicher lohnt es sich, das touristische „Pflichtprogramm“, die weltberühmten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt, einmal mutig auf anderen Wegen zu erkunden. Einer, der einem diese ganz anderen Wege zeigen kann, ist Gavin. Er verkörpert die unvergleichliche Lässigkeit der Kalifornier auf perfekte Weise. Und, wie könnte es hier anders sein, ist er wie Millionen andere ein Einwanderer. Gavin kommt aus Australien, was keine Rolle spielt, wenn er sich auf sein E-Bike schwingt, um Touristen auf einer Tour durch die Hollywood Hills zu führen.

Zusammen mit seiner Frau Shelli-Anne hat Gavin im Osten der Stadt eine ganz spezielle touristische Attraktion (www.ebiketoursla.com) geschaffen, die auch Einheimische über ihre eigene Stadt staunen lässt. Auf extrem Watt-starken E-Bikes, die jede Herausforderung des hügeligen Geländes problemlos meistern, geht es entlang des LA River bis hinauf zum legendären Griffith Observatory. Die unvergleichlich besten Plätze, um das Pflicht-Selfie vor dem weltberühmten Hollywood-Schriftzug zu machen, kennt Gavin natürlich auch. Am Ende der Tour hat jeder auch Gavins Lieblingsbaum kennengelernt und einmal umarmt und auch die größten Skeptiker und vorsichtigsten Anfänger sind begeistert von der Fortbewegung per E-Bike.

Wer sich nach der Radtour noch nicht vom speziellen Flair der Eastside von LA verabschieden will, der kann im Short Stories Hotel im Fairfax District absteigen und einen Hauch von Zeitreise unternehmen. Das schicke kleine Hotel atmet den Geist und den Stil der Hollywood Fifties aus jedem Winkel und in jedem der komplett individuell eingerichteten Zimmer, in denen Kunstgegenstände und schöne Bücher eine besondere Atmosphäre verbreiten. Wer hier verträumt aus einem der oberen Stockwerke auf den Hotelpool im Innenhof blickt, würde sich nicht wundern, Grace Kelly kühl und unnahbar auf einem der Liegestühle liegen zu sehen. Eventuell helfen die kreativen Drinks an der gemütlichen Hotelbar mit Namen wie „Who said it was simple“, „Million Dollar Mermaid“ oder „Ordinary Madness“ die eigene Fantasie zu beflügeln.

Nur einmal die Straße überqueren und man steht in „The Grove“, einer spektakulären Mischung aus pittoreskem Farmers Market und beeindruckenden Flagship Stores. Allein vor dem Apple Store an der zentralen Plaza des Open-Air-Einkaufszentrums kann man viel Zeit verbringen, um die imposante Architektur dieses Konsumtempels zu bewundern. Weitere Erinnerungsfotos von den Wasserfontänen und der historischen Straßenbahn, die in the Grove ihre Runden dreht, füllen den Fotospeicher. Da der Mensch aber nicht von Bildern alleine lebt, empfiehlt sich vor der Rückkehr ins Hotel ein Besuch bei „Alma“. Mexikanische Küche in Vollendung.
Überhaupt sollte sich jeder, der LA auf eigene Faust erkundet, viel Zeit für kulinarische Entdeckungstouren nehmen und diese unbedingt schon morgens nach dem Aufstehen beim Frühstück beginnen. Im Toast Bakery Cafe (www.toastbakerycafe.net) ist schon so manches Tagesprogramm im Angesicht eines kunstvollen Pancake-Turms mit frischen Früchten zugunsten eines ausgedehnten Brunchs gekürzt worden.

Natürlich kommt kein Besucher von LA an einer Filmstudio-Tour vorbei. In den Warner Bros. Studios haben sie sogar noch einen eigenen kleinen Dschungel auf dem Gelände. Tourguide Jim, Typ schelmischer Senior und Komparsen-Veteran mit Entertainer-Qualität, hat einiges darüber zu erzählen, wer an der Studio-Lagune schon durchs Schilf gesprungen ist. Jeff Goldblum rannte hier vor dem T-Rex davon, Tom Cruise gab an gleicher Stelle den Samurai und den amerikanischen Gästen auf der Tour kommt die Kulisse vor allem wegen einer legendären „Budweiser“ Bier-Werbung mit vielen Fröschen bekannt vor. Wo kann man schon an einer Kreuzung stoppen, an der sich Straßen aus New York, Chicago und Batmans „Gotham City“ treffen. Wo sonst wird für Fassaden-Anstriche schon eine Farbe verwendet, deren offizielle Bezeichnung „Schmutz und Rost“ heißt. Und wo bleibt man bei allem, was es zu sehen gibt, doch immer ein klein bisschen abgelenkt, weil man im Augenwinkel neugierig Passanten mustert, weil man schließlich weiß, dass Clint Eastwood hier noch ein Büro auf dem Gelände hat, dass er dem Vernehmen nach regelmäßig aufsucht. Pflicht-Abschluss der Studio-Tour: Ein Selfie auf der roten Original-Couch der Kult-Sitcom „Friends“.

Wer noch tiefer in die Geschichte der Traumfabrik „Hollywood“ einsteigen will, dem sei ein Besuch des 2021 eröffneten Academy Museums am Wilshire Boulevard (www.acadamymuseum.org) wärmstens empfohlen. Hier hängt nicht nur Spiderman, sondern auch der echte Weiße Hai imposant mit aufgerissenem Maul von der Decke und man kann eine Menge über die technischen Tricks und Kniffe der Filmemacher und die Geschichte der Traumfabrik lernen. Absoluter Höhepunkt ist aber die Bühne, auf der für Besucher eine Original-Oscar-Statue wartet. Mit dieser in der Hand hat man 30 Sekunden Zeit für eine ganz persönliche Oscarverleihungs-Dankesrede. Gar nicht so leicht, wie man aus dem Fernsehsessel heraus immer dachte, stellen die meisten Probanden nach ihrem Auftritt fest. Den Mitschnitt dieses ruhmvollen Moments hat man eine Minute später als Video-Datei auf dem eigenen Handy. Ein unvergleichliches Andenken.
Vom Museum ist es nicht weit zum Republique Café, wo man sich nur schwer entscheiden kann, ob die an süßen Kreationen schier berstenden Vitrinen oder die beeindruckende Architektur des Restaurants fotogener sind. Das traditionsreiche Haus auf der La Brea Avenue, das einst das legendäre „Campanile“ Restaurant beheimatete, steht unter wechselnden Namen seit über 90 Jahren für allerfeinste Gastlichkeit. Und Hollywood ist auch hier beim Main Lobster Omelette, Avocado Toast oder Short Rib Burrito (und das sind nur Zitate aus der Frühstückskarte) nie weit weg, erfährt man doch ganz nebenbei, dass das Gebäude ursprünglich im Jahr 1929 im Auftrag eines gewissen Charlie Chaplin errichtet wurde.

Zeit für einen Abstecher an den Ozean. In Venice Beach ist das schicke Hotel Erwin (www.hotelerwin.com) auf der Pacific Avenue eine gute Adresse, mitten im trubelig-bunten Strandleben abzusteigen und dennoch viel Ruhe genießen zu können. Dinner und Drinks in der Roof-Top-Bar des Erwin bieten die perfekte Kombination aus Cocktails, Seafood und Sonnenuntergang. An den Strandabschnitten mit ihren weithin bekannten Namen wie „Muscle Beach“ kann man Tage damit verbringen, Surfern, Skateboard-Artisten, Bodybuildern, Sonnenanbetern und weiteren – oft skurrilen – Zeitgenossen bei ihrer ganz individuellen Begehung des „Californian way of life“ zuzuschauen. Und nebenher auf dem Boardwalk oder dem wesentlich exklusiveren Kinney Boulevard den Souvenir-Shopping-Hunger in jeder gewünschten Preisklasse zu stillen. Wer eine Pause vom Trubel sucht, dem sei ein Spaziergang durch die stillen und schönen Venice Canals empfohlen, bevor man für Cocktails und hawaiianische Küche im Belles Beach House einkehrt. Wer den Tag beim Frühstück quasi in Sichtweite unzähliger sagenhaft fitter und schöner Menschen am Strand ganz gesund beginnen will, ist im „Butchers Daughter“ (www.thebutchersdaughter.com) richtig. Unbedingt probieren: Die „Juicy Flights“ – eine bunte Auswahl an köstlichen, frisch gepressten Säften.

Venice Beach bleibt auch ein guter Ausgangspunkt, um einige Perlen entlang der Küste zu erkunden. Doch entlang des Pacific Coast Highway wüteten im Januar die verheerenden „Palisade Fires“. Leider haben viele Angelenos schlimme Verluste erlitten und die Schäden zu sehen ist herzzerreißend. Viele Teile der wunderschönen Natur und Architektur entlang des Pacific Coast Highway sind verloren. Adam Burke, CEO von Los Angeles Tourism, betont ausdrücklich, wie wichtig Gäste aus dem Ausland nun sind, wenn er darauf verweist, dass „über 540.000 Angelenos im Tourismussektor arbeiten und mehr als 1000 lokale Unternehmen von der Branche leben. „Es war noch nie so wichtig, dass Reisende unsere Stadt der Engel besuchen“, sagt Burke.

Die Kunstsammlung der Getty Villa am Pacific Coast Highway wurde von den verheerenden Palisades-Bränden im Januar übrigens nicht beeinträchtigt, das Museum blieb für Besucher jedoch vorübergehend geschlossen. Die Wiedereröffnung findet jetzt Ende Juni statt.
Auch wenn gestrenge Kunsthistoriker beim Besuch der Villa mit ihren rund 44.000 Exponate eventuell der Verdacht beschleicht, mit dem legendären Milliardär und Kunstliebhaber sei zu Lebzeiten ab und an die Sammlerleidenschaft durchgegangen, seit einer gelungenen kuratorischen Neuordnung vor einigen Jahren bietet sich ein leichterer Einstieg in die Sammlung. Aber selbst für den, der nicht nach Kalifornien gekommen ist, um Zeugnisse europäischer Kulturen zu bestaunen, ist die Getty Villa wegen ihrer architektonischen Schönheit und ihren palastartigen Gärten einen Besuch wert. Der Name ist übrigens irreführend. Denn Getty wohnte nie dort und hatte es auch nicht vor. Die Nachbildung einer römischen Villa war von Anfang als Museum für antike Kunst geplant und nicht als Wohnsitz für einen der ersten Superreichen der Moderne.

Den Tag am Pazifik kann man Hummer-Variationen genießend im Malibu Farm Restaurant direkt auf dem Malibu Pier fortsetzen, oder mit einem Spaziergang auf dem legendären Santa Monica Pier, wo die sagenumwobene „Route 66“ endet. So ein bisschen wie Spaziergehen in einer Filmkulisse fühlt es sich im Großraum Los Angeles eigentlich immer an. Es gibt wahrscheinlich nicht viele Destinationen auf der Welt, wo man ein weltberühmtes Kunstmuseum ohne falsche Ironie fast als touristischen „Geheimtipp“ bezeichnen kann. In LA ist das zulässig, deshalb hier die Empfehlung: Einen Besuch in „The Broad“ sollte man sich nicht entgehen lassen. Das von dem Philanthropen Eli Broad gegründete und finanzierte Museum für zeitgenössische Kunst an der Grand Avenue in Downtown LA beherbergt die mehr als 2000 Werke umfassende Sammlung des Ehepaars Broad, mit zahlreichen der großartigsten Werke von Künstlern wie Roy Lichtenstein, Adny Warhol, Jasper Johns, Jeff Koons, Jean-Michel Basquiat und unzähligen Künstlern mehr. Natürlich kann man sich dieses Kunst-Universum auf eigene Faust erschließen. Besser ist es aber, sich einer geführten Tour anzuschließen. Wer sich zum Beispiel von Pablo, einem der unzähligen jungen Einwanderer, durch „The Broad“ führen lässt, dessen Verständnis von den Zusammenhängen zwischen zeitgenössischer Kunst und gesellschaftlicher Relevanz liegt danach wahrscheinlich höher.

Statt sich nach dem nächsten guten Restaurant in der Nähe umzusehen, besteht auch die Möglichkeit, sich auf spannende kulinarische Experimente einzulassen. Eine der vielseitigsten und volkstümlichsten öffnet jeden Sonntag auf einem Industriegelände in Downtown: Smorgasburg LA (la.smoragsburg.com). Zwischen Verladerampen und Lagerhallen präsentieren hier rund 100 lokale Anbieter die Küche der ganzen Welt. Zack, sozusagen der Marktmeister hier, kennt jeden an jedem einzelnen Stand und stellt für Besucher eine Empfehlungs-Speisekarte zusammen, die kein einzelner Magen je abarbeiten kann. Zur Begrüßung reicht Zack seinen Gästen gerne einen „Michelada“ genannten Bier-Cocktail. Wer diese Mischung aus Bier, Limettensaft, Chilipaste und anderen Gewürzen getestet hat, ist um eine – sagen wir mal „exotische“ – Erfahrung reicher.

Exotisch und unfassbar köstlich wird es auch für diejenigen, die sich Sally aus Vietnam auf einer kulinarischen Entdeckungsreise durch den Stadtteil Sawtelle Japantown im Westen von LA anschließen. Sally führt mit ihrem Unternehmen „Sixtaste“ (sixtaste.com) ihre Kunden auf einem entspannten Spaziergang durch Cafés und Restaurants rund um den Sawtelle Boulevard. Von der Süßkartoffel-Brezel bis zur indisch beeinflussten Japan-Küche kommt bei diesem Streifzug so vieles auf die Teller und in die Schüsseln, dass die Liste der „da müssen wir unbedingt noch mal hin“-Restaurants im Kopf immer länger wird.
Bevor Sie ins Taxi zum Flughafen springen, holen Sie sich noch schnell ein Macadamia- oder Lychee-Eis bei Brian’s Shave Ice und denken Sie auf dem Heimweg daran, dass Sie den Walk of Fame, Long Beach, den Rodeo Drive und die Celebrity Tour durch Beverly Hills bei diesem Besuch aus Zeitgründen leider noch nicht geschafft haben. Vielleicht denken Sie schon vor dem Rückflug über einen weiteren Besuch von LA nach und summen dabei gedankenverloren einen Klassiker von Randy Newman.
Wissenswertes für Reisende
Zielgruppe: Los Angeles ist geeignet für Touristen jeder Altersgruppe. Interessierte an Kunst, Kultur, Kulinarik und dem Flair einer Welt-Metropole. Wer schon immer mal in echt sehen wollte, was er unzählige Male auf der Leinwand gesehen hat, der muss sowieso hin.
Beste Reisezeit: ganzjährig
Unsere Ausflugstipps: – Smorgasburg Food Market (la.smoragsburg.com): Hier kann man sich ohne Übertreibung auf dem Gelände einmal um den Globus futtern. – Mit dem E-Bike durch die Hollywood Hills: (https://www.ebiketoursla.com/). Hollywood Sign und Griffith Observatory ganz individuell besuchen und dabei die Landschaft genießen. – Kulinarischer Spaziergang durch Japantown (sixtaste.com): Sally führt ihre Gäste an die Pfannen, Woks und Grills der asiatischen Küche im Stadteil Sawtelle.
Unser Autor ist gereist mit American Airlines und British Airways und hat übernachtet im „Short Stories Hotel“ und dem „Hotel Erwin“. Diese Reise wurde unterstützt vom Los Angeles Tourism & Covention Board“.