Berlin (dpa) - Der Bundestag stimmt in dieser Woche endgültig über das Budget der Ministerien für das laufende Jahr ab - dabei sind zwei Drittel des Jahres schon vergangen. Es ist der erste Haushalt der schwarz-roten Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU). Die Opposition beklagt, dass trotz gewaltiger Schulden darin wenig für die Bürgerinnen und Bürgern steckt. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sieht das anders. Doch mit größerer Sorge blicken Union und SPD längst zwei Jahre weiter, auf Milliardenlücken in der Finanzplanung 2027. Und das ist nicht die einzige Besonderheit.
Der Haushalt, an dem die Ampel zerbrach
Im vergangenen Herbst scheiterte die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP letztlich an der Aufstellung des Haushalts - genau dieses Haushalts für 2025. Es ging um eine Lücke von drei Milliarden, die der damalige Kanzler Olaf Scholz durch Kredite schließen wollte. Der damalige Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner lehnte das rigoros ab. Letzten Endes wurde er von Scholz entlassen.
Nach der vorgezogenen Bundestagswahl räumten Union und SPD diesen potenziellen Streitpunkt direkt aus: Sie schafften durch Ausnahmen von der Schuldenbremse enorme Kreditspielräume für Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben.
Ein Budget für drei Monate
Normalerweise wird ein Haushalt vor Jahresbeginn beschlossen. Das hat wegen des Ampel-Bruchs diesmal nicht geklappt. Seit Jahresbeginn wirtschaften die Ministerien deshalb mit einer vorläufigen Haushaltsführung: Sie können ihren Laden damit am Laufen halten, doch große Spielräume haben sie nicht.
Der Haushalt wird, wenn er Ende der Woche im Bundestag beschlossen wird, nur für drei Monate gelten. Das macht ihn für Klingbeil und die Haushälter der Bundestagsfraktionen relativ einfach: Allzu viel lässt sich jetzt ohnehin nicht mehr umsetzen. Die entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses war deshalb mit elf Stunden auch außergewöhnlich kurz. Langjährige Haushälter können sich nicht erinnern, dass man jemals vor Mitternacht fertig war.
Die Eckwerte
Insgesamt soll der Bund in diesem Jahr 502,55 Milliarden Euro ausgeben dürfen. Das ist etwas mehr als im vergangenen Jahr. Für Investitionen sind 62,7 Milliarden Euro ausgewiesen. Der Rest geht in konsumtive Ausgaben, also zum Beispiel Personal- und Verwaltungskosten, Zinskosten, aber auch Sozialleistungen wie das Bürgergeld.
Mehr als ein Drittel des Gesamtetats ist für Arbeit und Soziales eingeplant - mit einem großen Zuschuss zur Rentenversicherung. Die Grundsicherung für Arbeitssuchende kostet fast 52 Milliarden, darunter das Bürgergeld fast 30 Milliarden. Im Innenetat dagegen geht zum Beispiel fast jeder dritte Euro an die Bundespolizei, gut eine Milliarde wird für Integrationskurse gebraucht, für Sportförderung 333 Millionen. Im Gesundheitsetat stecken unter anderem Zuschüsse für die Pflegeversicherung und für die Beschaffung von Impfstoffen. Das Verkehrsministerium hat den Etat mit der höchsten Investitionssumme.
Im Kernhaushalt sind Schulden von fast 82 Milliarden Euro eingeplant. Dazu kommt die Kredite aus Sondertöpfen für Infrastruktur und die Bundeswehr. Insgesamt dürften also Schulden von mehr als 140 Milliarden zu Buche schlagen.
Nie dagewesene Kreditmöglichkeiten
Schwerpunkte legen Bundesregierung und Bundestag auf Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur. Dabei helfen ihnen nie dagewesene Kreditspielräume: Eine Änderung des Grundgesetzes ermöglicht es dem Bund, theoretisch unbegrenzt viel Geld in die Bundeswehr, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine zu stecken. In diesem Jahr sollen aus dem Kernhaushalt 75 Milliarden Euro in diese Bereiche fließen, mehr als 30 Milliarden schuldenfinanziert.
Außerdem darf der Bund bestimmte Investitionen durch Kredite finanzieren. Das soll nicht nur Deutschland modernisieren helfen, sondern auch die angeschlagene Wirtschaft stützen. Geschaffen - das soll auch diese Woche im Bundestag beschlossen werden - wird ein mehrjähriger Sondertopf mit 500 Milliarden Euro, alles über Schulden finanziert. Daraus dürfen in den nächsten Jahren Investitionen zum Beispiel im Verkehrs- und Energiebereich, in Krankenhäusern, Forschungseinrichtungen und in Sportanlagen getätigt werden.
In diesem Jahr will der Bund etwas mehr als 37 Milliarden Euro aus dem Topf nutzen. Allein 11,7 Milliarden sollen in den Verkehrsbereich fließen, darunter 2,5 Milliarden in den Erhalt von Autobahnbrücken und mehr als 7,5 Milliarden in den Erhalt von Bahnschienen. 1,5 Milliarden Euro aus dem Topf steckt der Bund in Krankenhäuser, fast 3 Milliarden in den Breitbandausbau für bessere Internetverbindungen.
Die Kritik der Opposition - und Klingbeils Antwort
Grüne und Linke werfen der Bundesregierung vor, bei der Etatplanung zu tricksen statt zu investieren. Grünen-Chefhaushälter Sebastian Schäfer monierte, die von Union und SPD geplanten Investitionen brächten viel zu wenig Zukunftsperspektive - die Regierung «vermasselt die historische Chance». Linken-Parteichefin und Haushälterin Ines Schwerdtner betonte: «Noch nie hat eine Regierung so viel Geld ausgegeben und noch nie ist so wenig bei den Menschen angekommen.»
Darauf reagierte Klingbeil direkt: Was die Menschen in der Wirtschaftsflaute am meisten umtreibe, sei die Angst um ihren Arbeitsplatz. Deswegen lege die Regierung «den allergrößten Fokus darauf, dass das wirtschaftliche Wachstum in diesem Land zurückkommt». «Es geht um Arbeitsplätze in diesem Land und dafür kämpft diese Regierung», sagte der Vizekanzler.
Die AfD plädiert insbesondere für das Einhalten der Schuldenbremse - und schlug dafür unter anderem die Streichung von Klimaprojekten, EU-Beiträgen und Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Die Bundesregierung setze «ungeniert auf die krasseste Verschuldung, die dieses Land je gesehen hat», monierte AfD-Chefhaushälter Michael Espendiller.
Die wahre Herausforderung
Direkt nach dem Beschluss des Etats für 2025 beginnen im Bundestag die Beratungen des Haushalts für 2026. Der soll noch vor Jahresende beschlossen werden. Größere Sorgen macht Union und SPD aber jetzt schon das Jahr 2027. Da klafft in der Planung eine Lücke von rund 34 Milliarden Euro.
Klingbeil hat alle Ministerien schon zum Sparen aufgerufen, doch das allein dürfte kaum reichen. Der Finanzminister schließt nicht aus, dass eventuell Förderprogramme, Subventionen oder andere Ansprüche gekürzt oder gestrichen werden müssen. Wahrscheinlich ist, dass das Bürgergeld reformiert und billiger gemacht wird. Außerdem ringen Union und SPD darum, ob Vermögende steuerlich härter rangenommen werden, zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer.
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