Meinung zu Lehren aus Corona
Politik ist nie zur Alternativlosigkeit verdammt
Christian Kunst
Jens Weber. MRV

Corona war eine bleierne Zeit. Und doch lässt sich einiges daraus lernen, meint Redakteur Christian Kunst. „Eine Demokratie lebt nur, wenn sie auch in der größten Krise weiter Alternativen diskutiert und im besten Fall zu Politik werden lässt.“

Wenn in diesen Tagen an den Ausbruch der Corona-Pandemie und den ersten Lockdown erinnert wird, dann dürfte dies viele mit großem Unbehagen an eine unheilvolle Zeit erfüllen. Die Politik verspricht einmal wieder eine Aufarbeitung dieser tektonischen Krise unserer gesamten Gesellschaft. Ob dabei diesmal mehr als Lippenbekenntnisse herauskommen, darf bezweifelt werden.

Viele Äußerungen aus der Politik lassen darauf schließen, dass man sich eher an der Pandemiepolitik abarbeiten denn die Corona-Krise grundsätzlich aufarbeiten möchte. Es geht um Kritik an der Schließung von Schulen und Kitas, um die Vorsorge für neue Pandemien, anstatt Lehren für künftige ungewisse Krisen zu ziehen. Dabei ist die Ungewissheit das Wesen heutiger Krisen.

Das Präventionsdilemma stürzt die Politik in ein Dilemma

Gerade hier hat die Corona-Zeit uns eine Lehrstunde erteilt. An erster Stelle ist hier das Präventionsparadoxon zu nennen: Ist eine Maßnahme erfolgreich, ist ihr Nutzen nicht mehr sichtbar – was verhindert worden ist, ist nicht spürbar. Dies stürzt die Politik in ein Dilemma, weil sie mit Wahrscheinlichkeiten und Ungewissheiten argumentieren muss. In der Pandemie konnte dies sogar noch einfacher kommuniziert werden, weil der Corona-Tod in Familien, Freundeskreisen und Nachbarschaften grausam allgegenwärtig war. Viel abstrakter wird die Bedrohungslage indes beim Klimawandel oder dem neuen Kalten Krieg mit Russland. Und doch gilt es auch hier, mit kostspieligen und entbehrungsreichen Maßnahmen einen ungewissen Wechsel auf eine bessere Zukunft zu lösen.

Corona hat uns auch zu den Wurzeln unserer gesellschaftlichen Probleme geführt: Ob mangelhafte Digitalisierung, überbordende Bürokratie oder ein unterfinanziertes und überfordertes Gesundheitssystem – schon vor fünf Jahren hat die Pandemie wie durch ein Brennglas beleuchtet, wie marode das Land ist. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregierung diese Probleme mit den gigantischen Schuldenpaketen nicht nur zukleistert, sondern an der Wurzel anpackt.

Mehrheit der Deutschen hat gegen eine Megaschuldenpolitik gestimmt

Zweifel sind jedoch angebracht. Das liegt auch daran, dass die künftige Regierung wie vor fünf Jahren eine Alternativlosigkeit suggeriert. Heute heißt es, man sei zum Erfolg verdammt. Doch das heißt doch nicht, dass der Weg zum Erfolg genau der eingeschlagene sein muss. Eine schwarz-rote Bundesregierung sollte sich davor hüten, mithilfe der Milliardenpakete wie zu Corona-Zeiten exekutiv durchzuregieren. Das gilt umso mehr, da eine Mehrheit der Deutschen bei der Bundestagswahl Parteien gewählt hat, die sich gegen eine solche Megaschuldenpolitik ausgesprochen haben.

Also muss Politik viel erklären und vor allem zuhören. Genau daran hat es während der Pandemie eklatant gemangelt. Dies sorgt bis heute für Verwerfungen. Berechtigte Kritik wurde nicht selten schroff und teils gnadenlos zurückgewiesen, ignoriert oder gar verurteilt. Doch eine Demokratie lebt nur dann, wenn sie auch in der größten Krise weiter Alternativen diskutiert und im besten Fall zu Politik werden lässt. Nur das schafft Vertrauen in Zeiten der Ungewissheit.

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