Berlin – Einige Dutzend Programmierer lassen sich für ein Wochenende zusammenpferchen, um kleine Lösungen für große Probleme der Welt zu finden. So sieht es am Wochenende in 18 Städten auf der Welt aus, beim 3. „Random Hack of Kindness“ (RHOK) tüfteln Softwareentwickler ehrenamtlich an Programmen, die Krisensituationen erleichtern sollen. Der Organisationsleiter der Veranstaltung spricht über den Ruf der Hacker, über das Interesse von Behörden und die Rolle von Frauen.
Der Gedanke „Hacking for Humanity“ wird populärer, sagt Shamim Rafat (34), Business Director beim Startup-Beratungsunternehmen Secondmuse. Der in Koblenz und Kaiserslautern aufgewachsene Berlin ist in Berlin Veranstaltungsleiter des unter anderem von Nasa, Weltbank und großen Internet-Konzernen unterstützten Programmier-Wettbewerbs. Wir haben mit Rafat gesprochen.
Erklären Sie mal, was das Beben in Japan und der vorige RHOK miteinander zu tun haben.
Grundgedanke ist, Lösungen zu erstellen, die im Krise- und Katastrophenfall überall auf der Welt helfen können, Menschenleben zu retten. Beim vergangenen RHOK in Berlin wurde für die Caritas eine App entwickelt, die es den Helfern ermöglicht, Basiskarten mit Daten wie Standorten der Projekten, Zahl der Hilfsbedürftigen und Ressourcen zu erweitern. Beim Beben in Japan hat sich die Echtzeitkarte bereits bewährt. Sie hatte vergangenes Jahr den ersten Preis gewonnen vor einer Notruf-App mit GPS-Ortung und Checkliste.
Und welche Krisenlösungen könnten diesmal entstehen?
Wir arbeiten mit dem Berliner Innen- und dem Umweltsenat zusammen. Da geht es unter anderem um ein dezentrales Notressourcen-Management und eine App für Evakuierungssteuerung und –planung. Erstmals spielt auch Klimawandel eine Rolle bei einer App für Verhaltensempfehlungen bei Unwetter. Vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg kommt die Bitte, eine „Wo-bin-ich“-Funktion für Kinder zu entwickeln, die Eltern hilft, ihre Kinder im ÖPNV zu orten. Das ist natürlich eine Win-Win-Situation, Verwaltungen und Organisationen profitieren davon erheblich.
Müsste ja verlockend sein. Mit Ideen und Wünschen kann jeder einfach so kommen?
Von den Partnern, die sich professionell mit Katastrophenschutz und Krisenhilfe befassen, kommen die Problemstellungen. Vorgegeben sind hierbei nur die Themen: Katastrophenhilfe und Klimawandel. Wir sind für Problemstellungen offen, sie müssen sich nur dem Grundgedanken unterordnen. In der Regel sollten die Ideengeber auch bei dem Event sein und für Fragen zur Verfügung stehen. Diese neuen Kooperationsformen zwischen der Community und der Verwaltung oder Nichtregierungsorganisationen werden immer spannender für unsere
Partner, das Interesse steigt.
„Random Hack of Kindness“ – für viele deutsche Ohren klingt das ein wenig danach, dass böse Buben mal was Gutes tun wollen..? Wie leicht findet man dafür Partner in Organisationen und öffentlichen Verwaltungen?
Als ich zum ersten Mal davon hörte, hatte ich ähnliche Assoziationen – Illegales ins Legale führen. Der Hackerbegriff ist vom Ursprung her eher positiv besetzt, als Hacker bezeichnen sich selbst Programmierer, die besonders intelligente Softwarelösungen für komplexe Probleme entwickeln. Die Assoziation mit illegalen Tätigkeiten ist vor allem eine deutsche Kulturfrage. Wir haben damit aber keine Probleme bei der Partneransprache gehabt, da wir ja immer erklären,
worum es geht und Partnerorganisationen sehr dankbar sind, auf diese Weise kostenfrei Zugang zu Talenten und Expertise zu erhalten, was ihnen bei der Lösung ihrer Probleme hilft.
Geht’s denn den Teilnehmern auch darum, dass sie mit ihrem Einsatz etwas für den Ruf von „Hackern“ in der Öffentlichkeit tun?
Der Ruf der Hacker hat noch gar keine Rolle gespielt, die Selbstwahrnehmung ist ja auch eine andere. Für die meisten Entwickler gilt eine Hackerethik, die zum Beispiel stark von Solidarität und gegenseitiger Unterstützung geprägt ist. Natürlich spielt auch irgendwo der Fun-Faktor eine Rolle: Es werden ja auch von den Partnern auch Daten zu dem Zweck extra geöffnet, die sonst nicht zugänglich sind, etwa zum Verkehrsnetz. Natürlich sind Teilnehmer auch stolz, wenn es ihnen gelingt, besonders coole Lösungen zu entwickeln, die dann auch noch irgendwo in der Welt großen Nutzen stiften. Das dient dann auch ihrem persönlichen Ruf, aber das ist ja auch gut so.
Und wer sitzt dann da in Berlin und hackt?
Von etwa 60 Leuten haben wir schon die Rückmeldung, ich denke, es kommen noch 10 bis 20 dazu. Es sind Young Professionals, viele Studenten, die im Studium schon weiter sind, Mitte, Ende 20. Aber es sind auch Mitarbeiter aus IT Unternehmen darunter, die an einem Wochenende etwas wirklich sinnvolles tun wollen. Naturgemäß und leider überwiegen die Männer – dabei sprechen wir neben den Hackern auch gezielt Haecksen an. Frauen gehen etwas pragmatischer an vieles heran, sie bringen einen anderen Blickwinkel rein und haben oft einen stärkeren Sinn für die Handhabbarkeit von Anwendungen. Bei ihnen geht es seltener
darum, wie viele Features eine App hat sondern eher wie einfach sie zu bedienen ist und wie gut sie ihre Funktion erfüllt. Da ist weniger oft mehr, was für die späteren Nutzer ein großer Gewinn ist.
Ist das nicht generell eine Gefahr? Haben Programmierprofis die möglichen Nutzer im Auge?
Es geht natürlich nicht nur darum, technisch einwandfreie Anwendungen zu haben, die noch andere Hacker bedienen können. In jedem Team sollten neben super Programmierern auch ein, zwei Leute sein, die besonders gut sind in Design, Visualisierung und Bedienungsfreundlichkeit. Wir haben auch Leute von der Design Thinking School des Hasso-Plattner-Instituts Potsdam da, die vor allem auf die gutes Design und Bedienbarkeit achten. Es kommen finnische Visualisierungsexperten, die Daten besonders gut graphisch darstellen kommen und wir haben Expertinnen für Funktionalität wie Antje Matten und Anke Domscheit-Berg vom Government 2.0 Netzwerk Deutschland e.V.
Der Gedanke, dass Verwaltungen in Zeiten knapper Kassen Unterstützung aus der Zivilgesellschaft erfährt, lässt sich ja auf viele Lebensbereiche übertragen. Sind die Hacker da weiter?
Die Initiative wird ja auch von Organisationen unterstützt, die sich mit Open Data und Open Government beschäftigen. Das sind ja nicht nur Hacker, auch wenn einige von ihnen in der Open Data Szene verankert sind. In Deutschland gibt es seit 2 Jahren eine stark wachsende Gemeinschaft, die man mit Community-Public-Partnerships beschreiben kann. Und beim RHOK ist Kollaboration, gemeinsames Arbeiten an einem Projekt ist ein essentieller Schlüssel. Hacker haben da sicher eine besondere Offenheit für solche Projekte, da der Open Source Gedanke und die Kollaboration für ein gemeinsames Ziel dort stark verankert sind. Wir greifen auf eine Zielgruppe zurück, die gewillt und geimpft ist.
Wenn Kindergarteneltern einen Gruppenraum streichen, gibt es Stimmen, dass das eine Aufgabe der Kommune ist, die bitteschön einen Malerbetrieb damit beschäftigen soll. Erleben Sie solche Kritik auch, wenn ehrenamtlich ein Programm für den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg geschrieben wird?
Sie sprechen einen interessanten Punkt an. Ich kann mir vorstellen, dass die Aktion nicht allen nur Freude macht, dass es auch ein Dorn in den Augen mancher Entwickler ist. Allerdings erfahren wir nur sehr, sehr positive Resonanz. Aber es sind ja auch vielfach Experimente.
Die Fragen stellte Lars Wienand