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Facebook: So schnell droht Nutzern eine Abmahnung
dpa

Mainz - Eine Badeente macht Schlagzeilen: "Die erste Abmahnung für ein fremdes Foto auf einer Facebook-Seite ist da", hieß es in dieser Woche. Facebook-Nutzer verletzen oft Urheberrechte, oft auch, ohne es zu wissen.  Anlass, über die Risiken mit einem Experten zu sprechen. Wo liegen Fallstricke, was müssen Nutzer beachten?

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Mainz – Eine Badeente macht Schlagzeilen: „Die erste Abmahnung für ein fremdes Foto auf einer Facebook-Seite ist da“, hieß es in dieser Woche. Facebook-Nutzer verletzen oft Urheberrechte, oft auch, ohne es zu wissen. Anlass, über die Risiken mit einem Experten zu sprechen. Wo liegen Fallstricke, was müssen Nutzer beachten?

„Es gibt jetzt keinen Anlass, das eigene Profil zu zensieren“, sagt der Mainzer Fachanwalt für IT-Recht, Stephan Schmidt, der spezialisiert ist auf die Beratung von Unternehmen in Telekommunikations-, IT- und Datenschutzrecht. Im Interview spricht er über die Fallen von Facebook, wo sie lauern – und ob Änderungen beim Urheberrecht oder eher bei den Abmahnkosten nötig sind.

Jetzt wurde eine Abmahnung für ein Foto einer Badeente auf einer Facebook-Pinnwand gemeldet, das ein anderer dort hingehängt hat: Ist jeder Nutzer auf seiner Pinnwand auch für andere verantwortlich?

In dem Fall geht es offenbar um die Nutzung eines Bildes auf der Seite eines Unternehmens auf Facebook. Abgemahnt hatte ein Mitbewerber, der gleichzeitig Inhaber der Rechte an dem Bild ist. Es ging also nicht um die Abmahnung einer Privatperson. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass der Inhaber eines Facebook-Profils nicht für Inhalte haftet, die andere Nutzer auf dem Profil platzieren. Erst wenn man über rechtswidrige Inhalte informiert wird und sie dennoch nicht entfernt, kommt eine Haftung in Betracht. Es ist nicht zu erkennen, warum diese für Blogs und Foren entwickelten Grundsätze nicht auch für Betreiber eines Facebook-Profils gelten sollten. Eine Kenntnisnahme des Inhalts ist aber wohl gegeben, wenn man das Posting oder das Bild kommentiert. Ist dann offensichtlich, dass das Bild Rechte Dritter verletzt, sollte man es zumindest verbergen und prüfen, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt.

Ein Kollege von Ihnen sagt, dass die durchschnittliche Facebook-Pinnwand eines 16-Jährigen locker 10 000 Euro Abmahnkosten wert ist. Wie das?
Der Kollege hat einige typische Urheberrechtsverletzungen wie das Posten fremder Bilder, Videos oder Texte genommen. Er ist zum Schluss gekommen, dass schnell 10 000 Euro zusammenkommen, wenn man all dies einzeln abmahnen würde. Das ergibt sich daraus, dass für jede Abmahnung ein Streitwert angesetzt wird und der Abgemahnte die Anwaltskosten des Abmahners, gemessen am Streitwert, zahlen muss. Eine einzelne Abmahnung kann so weit über 1000 Euro kosten.

Gibt’s schon Anwälte, die sich mit dem Abgrasen von Facebook-Seiten eine goldene Nase verdienen?
Für Facebook ist mir das nicht bekannt – vielleicht auch, weil das automatisierte Durchsuchen von Facebook-Pinnwänden nicht ohne Weiteres möglich ist. Ich glaube aber nicht, dass es eine Abmahnwelle wegen privater Facebook-Profile geben wird. Dass Unternehmen mit Fanseiten aber abgemahnt werden können, wenn sie unrechtmäßig urheberrechtlich geschütztes Material verwenden, steht außer Frage. Da gelten die gleichen Maßstäbe wie auf normalen Internetseiten von Unternehmen.

Bei Nutzern ist schnell klar, wer der Böse ist: der Abmahner. Aber so einfach ist es wohl nicht, oder?
Grundsätzlich ist die Abmahnung ein Instrument, um Rechteinhabern schnelles Reagieren zu ermöglichen – und den Rechteverletzer soll es vor dem viel teureren Gang vors Gericht schützen. Und dass Fotografen oder Autoren, die mit der Verwertung ihrer Urheberrechte ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, gegen unberechtigte Verbreitung ihrer Werke vorgehen, ist ebenfalls verständlich und richtig. Problematisch wird es, wenn einerseits Nutzer von Social-Media-Angeboten ungebremst und ohne Unrechtsbewusstsein urheberrechtlich geschützte Werke kostenlos verbreiten und auf der anderen Seite Urheber die Abmahnung von Privatpersonen als Einnahmequelle ansehen. Dann kommt es zu den Abmahnwellen.

Ein paar Szenarien: Der Kumpel hat ein cooles Foto gepostet, das er irgendwo im Netz gefunden hat – und ich teile es. Problem für mich?

Wenn der Kumpel das Bild in seinem Profil hochlädt und nicht kenntlich macht, dass es sich nicht um ein Bild handelt, was er selbst geschossen hat, dann kann das zum Problem werden.

Ich weiß jetzt, auf welcher Seite das coole Foto steht, und setze den Link zur Seite, Facebook zeigt das Bild als Vorschau. Alles richtig gemacht?

Unproblematischer, wenn „coole Bilder“ aus dem Internet einfach nur verlinkt werden und damit der Urheber des Bildes zu erkennen ist. Dass ein Urheber auf die Idee kommt die bei Facebook üblichen Vorschaubilder abzumahnen kann ich zwar nicht ausschließen. Ich halte es aber für unwahrscheinlich. Wenn die Webseite das Bild auch schon geklaut hat, bleibt das Problem leider bestehen. Völlig unproblematisch ist außerdem die Betätigung des „Share-Buttons“ auf einer Webseite. Durch die Einbindung des Buttons erteilt der Webseitenbetreiber im Grunde eine Lizenz zum Weiterverbreiten im Rahmen dieser Funktion.

Ich kann mich nicht satt sehen, wie Arjen Robben den Elfmeter gegen Dortmund versemmelt und finde einen Mitschnitt der Szene bei YouTube und poste das. Problem?

Grundsätzlich ist das Verlinken von YouTube Inhalten unproblematisch. YouTube selber bietet diese Funktion ja auch ausdrücklich an. Allerdings ist das Verlinken dann eine Rechtsverletzung, wenn ich weiß, dass das YouTube Video selbst ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers hochgeladen wurde. Bei dem angesprochen Robben-Elfmeter dürfte dies der Fall sein, da die Fernsehsender als Rechteinhaber diese Aufnahmen nicht auf YouTube freigeben.

Ich finde mein tolles Foto auf einer anderen Pinnwandseite. Also Abmahnenund Geld machen?!

Wir empfehlen allen unseren Mandanten immer erst die direkte Kontaktaufnahme, wenn davon auszugehen ist, dass der Verwender das Bild „aus Versehen“ nutzt. Oft lassen sich die Fälle damit bereits lösen und der Fotograf hat vielleicht noch den positiven Effekt, dass der Verwender das Bild mit Nennung des Fotografen weiternutzt und somit die Arbeit des Fotografen bewirbt. Wenn man jedoch davon ausgehen muss, dass Fotos systematisch ohne Einholung der Rechte genutzt und verwertet werden, kann eine Abmahnung durchaus das richtige Mittel sein. Auch hier gilt aber wieder, dass dies immer von Fall zu Fall entschieden werden muss.

Wir haben einige Fälle durchgespielt. Was kann ein Nutzer noch tun, um das Risiko zu verringern?

Es gibt für mich jetzt keinen Anlass, das eigene Profil zu zensieren. Das würde meines Erachtens auch dem Sinn von Social Media zuwiderlaufen. Die grundsätzliche Überlegung das Profil nur für bestätigte Freunde sichtbar zu machen, sollte aber jeder Facebook-Nutzer bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen in Betracht ziehen. Es muss ja nicht sein, dass die ganze Welt mein Profil sehen kann. Wer sich zusätzlich absichern will kann außerdem noch die kleinen Vorschaubilder abschalten, indem er ein Häkchen bei „Kein Miniaturbild“ setzt.

Bei Fanseiten von Unternehmen ist das schon schwieriger. Hier sollte im Rahmen der Social Media Guidelines auch geregelt werden, wie mit Nutzer-Beiträgen umgegangen wird. Im Zweifel sollte man problematische Postings erst einmal für die anderen Nutzer ausblenden und anschließend klären, ob es sich um einen rechtverletzenden Inhalt handelt oder nicht.

Es kommen ja auch andere Netzwerke auf? Ist denn Facebook die größte Falle?

Die vorhin genannten Grundsätze gelten für alle Social-Media-Angebote und eben auch für alle anderen Webseiten, Blogs oder Foren. Insbesondere Foto-Netzwerke wie Pinterest sind natürlich prädestiniert für Urheberrechtsverletzungen.

Muss sich etwas ändern,um es privaten Nutzern einfacher zu machen?

Die Problematik um Abmahnungen von Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen ist eigentlich keine Frage des Urheberrechts, sondern eine Frage der Vorschriften um den Kostenersatz für Abmahnungen. Der Gesetzgeber hatte ja bereits versucht, eine Deckelung auf 100 Euro einzuführen. Die Regelung war aber leider etwas verünglückt formuliert, so dass sie in der Praxis nur selten zum Einsatz kommt. Man arbeitet hier aber bereits an neuen Regelungsvorschlägen.

Das Urheberrecht benötigt keine Anpassung an die neuen Realtitäten im Netz?

Es sollte aus meiner Sicht etwas flexibilisiert werden und seine Ausnahme- und Schrankenregelungen sollten ausgedehnt werden. Eine Annäherung an das amerikanische Fair-Use-Prinzip, welches bestimmte Nutzungen von urheberrechtlich geschütztem Material zugesteht, wäre dabei einer der möglichen Wege.

Das Gespräch führte Lars Wienand

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