Netzwelt
EU-Reform des Urheberrechts: Das Ende des Internets, wie wir es kennen?

Die Reform des EU-Urheberrechts ist auf der Zielgeraden: Am kommenden Dienstag will das Europaparlament das umstrittene Vorhaben verabschieden. Ziel ist die Anpassung des Urheberrechts an das Internetzeitalter. Der federführende Europa-Abgeordnete Axel Voss (CDU) hält das Gesetz für gelungen. Julia Reda (Piratenpartei), die als Schattenberichterstatterin der Grünen-Fraktion versucht hat, einen Kompromiss zum Thema auszuhandeln, warnt hingegen vor einem Ende des Internets, wie wir es kennen.

Im Zentrum des Streits stehen die sogenannten Uploadfilter. Ein Uploadfilter ist ein automatisiertes Computerprogramm, das Daten beim Hochladen ins Internet oder vor dem Veröffentlichen auf einer Plattform scannt und nach gewissen Kriterien überprüft. Im konkreten Fall geht es dabei um urheberrechtlich geschütztes Material. Die Verpflichtung, flächendeckend Uploadfilter einzuführen, wäre ein weitreichender Schritt – allerdings verwenden gerade große Internetkonzerne diese Technik seit Jahren, um die riesigen Datenmengen zu überprüfen. Worum geht es also bei dem Streit? Wir stellen die Hauptargumente der Kontrahenten gegenüber.

Christian Kunst ist für eine Impfpflicht.

Der CDU-Politiker Axel Voss setzt sich für die Reform ein. Das Urheberrecht ist für Autoren, Künstler und Schauspieler existenziell, wird im Internet aber massenhaft verletzt, argumentiert er. Denn auf vielen Plattformen würden Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte nach Belieben hochladen. Derzeit haften rechtlich vor allem die Nutzer selbst, macht Voss geltend. Im Zweifel sind sie es, die dann von Abmahnanwälten zur Kasse gebeten werden.

Die Reform erlegt nun den Internetfirmen eine klare Haftung auf. Sie verdienen schließlich Geld mit den Werken, argumentiert Voss. Die Plattformen müssen künftig Lizenzen erwerben oder unerlaubtes Hochladen verhindern. Für Plattformen wie Wikipedia sollen Voss zufolge aber Ausnahmen gelten. Aus Voss' Sicht handelt es sich dabei nicht einmal um eine große Reform: Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) müssten sogenannte aktive Plattformen wie YouTube ohnehin schon jetzt haften: „Eigentlich schreiben wir nur das weiter fort, was der EuGH hier gesagt hat“, findet Voss.

Zur Durchsetzung des Urheberrechts verlange das Gesetz in Artikel 13 von den Internetfirmen „größtmögliche Anstrengungen“. Zwar sei der Einsatz von „Identifizierungssoftware“ nicht verboten, räumt Voss ein. Doch von Uploadfiltern sprechen will er nicht. Denn die Software reagiere nur auf von den Rechteinhabern bereitgestellte Daten. „Es werden dann also auch nur diese Werke erkannt und nicht jeder Upload gefiltert.“ Solche Software werde übrigens beispielsweise von YouTube schon jahrelang eingesetzt. Der immer wieder vorhergesagte Niedergang der Meinungsfreiheit sei dennoch ausgeblieben.

Einen regelrechten Schub für die Meinungsfreiheit erwartet Voss vom neuen Leistungsschutzrecht in Artikel 11 des Gesetzes. Es zielt auf Plattformen wie Google, die zum Beispiel Ausschnitte von Texten und Fotos aus Onlineangeboten von Zeitungen anzeigen. Ausnahmen gäbe es etwa für die bloße Verlinkung und sehr kurze Textausschnitte.

Birgit Pielen ist gegen eine Impfpflicht.

Die Piraten-Politikerin Julia Reda ist gegen die Reform. Die den Firmen auferlegten „größtmöglichen Anstrengungen“ hält sie für unerfüllbar. Denn die Unternehmen müssten für jeden potenziellen Post Lizenzen erwerben, mithin für „alle Inhalte der Welt, die unter das Urheberrecht fallen“.

Darüber hinaus müssten – mit einigen Ausnahmen – künftig alle Internetdienste alles in ihrer Macht Stehende tun, um mögliche unerlaubte Kopien urheberrechtlich geschützter Werke zu blockieren. „Das geht nur mit Uploadfiltern“, warnt Reda.

Die neue Haftung der Firmen habe schwerwiegende Folgen, befürchtet die Parlamentarierin. Ihrer Ansicht nach wird sie zu Überreaktionen führen, „um auf der sicheren Seite zu sein – mit umso mehr Einschränkungen für unsere Redefreiheit“.

Beim Leistungsschutzrecht ist Reda ähnlich kritisch. Die Wiedergabe von mehr als „einzelnen Worten oder sehr kurzen Textausschnitten“ von Nachrichten werde künftig nur mit Lizenz möglich sein. Was „sehr kurz“ konkret heißt, werden ihr zufolge am Ende aber Gerichte entscheiden müssen. Und bis dahin, warnt Reda, „wird beim Setzen von Links (mit Anreißern) große Unsicherheit herrschen“. Kritiker befürchten zudem, dass Suchmaschinen kleinere Medien einfach aus den Ergebnissen herausnehmen könnten und so die Meinungsfreiheit und die Vielfalt im Internet leidet. Phillipp Saure

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