Köln – Manchmal reichen wenige Schritte, um in eine andere Welt einzutauchen: Vor den Türen der Kölner Messehallen sammeln sich Taxifahrer im Sonnenschein und diskutieren das Wetter. Hinter den Türen stehen ein Magier, eine Priesterin und ein blauhäutiges Fabelwesen mit roten Haaren im Schein eines Monitors und diskutieren die Neuerungen eines Rollenspiels.
In Köln läuft vom heutigen Donnerstag bis Sonntag zum dritten Mal die Gamescom – die weltgrößte Messe für Unterhaltungselektronik. Solange die rund 550 Aussteller eine Welt für mehr als 250 000 erwartete Besucher aufbauen, hat die Realität innerhalb dieser 120 000 Quadratmeter der Kölner Messe nichts verloren.
Das wird jedem Besucher bereits nach wenigen Metern klar. In Halle 8 beispielsweise dürfen Bildschirmathleten auf dem Stand der Spielekonsole Wii bereits jetzt an den Olympischen Spielen 2012 teilnehmen – zumindest an der Nintendo-Version. Und so sitzen zwei junge Damen in einem kleinen Plastikboot vor einem Fernseher und imitieren, heftig mit den Controllern fuchtelnd, Ruderbewegungen. Auf dem Bildschirm siegt am Ende das Boot mit einem rosa Kätzchen und einem dunklen Roboter. Auch an den Ständen der Xbox mit der Körpersteuerung Kinect geht es sportlich zu: Über die Fernseher sausen allerhand Bälle, vor den Bildschirmen wird geschwitzt.
Dieses Bild setzt sich in Halle 7 fort. Palmen, aktive junge Menschen und wummernde Bässe bestimmen die Szenerie: Am Playstationstand steigt die große Strandparty. Mit Controllern in der Hand, an deren Enden sich leuchtende Kugeln befinden, tanzen vor allem junge Frauen zu aktuellen Hits und versuchen, die auf dem Bildschirm vorgegebenen Bewegungen zu imitieren. Weniger Mühe gibt sich ein junger Mann einige Meter weiter. Rücklings liegt er auf der Hantelbank, den Blick konzentriert nach oben gerichtet, die Muskeln angespannt. In seinen Händen hat er allerdings kein Gewicht, sondern ein Gamepad. Die Augen haften fest auf einem kleinen Monitor – wirklich sportlich ist das nicht.
Damit endet dann der bunte und lustige Teil der Spielemesse – in Halle 6 stehen moderne Kriegsführung und epische Schlachten im Mittelpunkt. Am Stand von Diablo III dröhnt dem Besucher eine Stimme entgegen, die über „Schmerz“ und „Qual“ spricht, wenige Meter weiter zerreißt der Sound von Maschinengewehrsalven fast das Trommelfell. Dass in diesen düsteren Hallen der größte Besucheransturm erwartet wird, lassen die Schilder vermuten, die sich vor dem kleinen Raum finden, in dem Call of Duty zu sehen ist: „Wartezeit ab hier drei Stunden“.
So lang dürften die Schlangen in Halle 9 nicht werden. Hier sind die Onlinespiele zu Hause, hier wird es an vielen Ständen mystisch und magisch. Das Standpersonal trägt wahlweise Plastikschwerter auf dem Rücken oder zum äußerst knappen Kostüm Flügel und Hörner. Nebenan quetschen sich die Spieler bei „World of Tanks“ in Minipanzer – die Kriegsmaschinen sehen aus wie eine Mischung aus Bobbycar und Seifenkiste.
Aber das kann einen am Ende des Rundgangs nicht mehr verwundern. Wer zuvor überdimensionierte Kampfroboter, einen gut zehn Meter hohen blauen Comic-Igel und diverse Science-Fiction-Krieger gesehen hat, nimmt auch das klaglos hin. Allerdings: Ganz zum Schluss gibt es doch noch eine Überraschung. Durch ein großes Fenster lassen sich draußen drei Kamele erblicken, die für Uncharted III werben sollen. Sie stehen im prallen Sonnenschein und kauen stoisch vor sich hin. Irgendwie erinnern sie an die Taxifahrer – für beide außenstehenden Gruppen dürfte das, was sich innerhalb der Messehallen abspielt, in etwa gleich unerklärlich sein.
Von unserem Redakteur Markus Kuhlen