Solingen/Berlin
Kommentar zum Messerattentat von Solingen: Die Antwort muss durchdacht sein, sie darf nicht emotional sein
Christian Kunst
Jens Weber. MRV

Das Messerattentat von Solingen hat viele Menschen aufgewühlt. Gerade mit Blick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland könnte die politische Wirkung der Attacke enorm sein. Redakteur Christian Kunst kommentiert: "Wenn wir nicht bereit sind, unbequeme und kluge Antworten zu geben, überlassen wir es den Populisten von Rechts- und Linksaußen, das Vakuum mit Lösungen zu füllen, die uns weder sicherer noch freier machen werden."

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Die tödliche Messerattacke in Solingen, bei der mutmaßlich ein syrischer Flüchtling mehrere unschuldige Menschen hingerichtet hat, macht sprachlos und wütend. Die Tat wühlt nicht nur auf, weil sie in vielen das tiefe Mitgefühl für die Opfer weckt, sondern auch, weil sie unser fundamentales Bedürfnis nach Sicherheit erschüttert. Wenn es nicht mehr möglich ist, auf öffentlichen Plätzen unbeschwert zu feiern, wenn man um seine körperliche Unversehrtheit fürchten muss, stellt dies unsere offene Gesellschaft und unseren demokratischen Rechtsstaat auf brutale Weise infrage.

Nun ist dies nicht der erste Fall, in dem Terroristen, insbesondere Islamisten, mit dieser perfiden Logik unsere Lebensweise untergraben wollen. Und doch bedroht dieser Messerattentäter ob seines kaltblütigen und skrupellosen Vorgehens das Sicherheitsgefühl vieler Menschen besonders stark. Es entsteht der Eindruck, dass einige Menschen die Willkür der Kriege dieser Welt zu uns bringen.

Vertrauensverlust muss die Politik
aufs Höchste alarmieren

Die Politik in Bund und Ländern muss dieser Vertrauensverlust aufs Höchste alarmieren. Denn es ist die vorderste Aufgabe eines Staates, die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren. Allerdings sollte er auf die Emotionalität vieler Menschen nicht ebenso reagieren. In einem aufgewühlten Land braucht es eine mitfühlende, aber vor allem kluge und sachliche Politik.

Davon allerdings kann nach dem Attentat kaum die Rede sein. Die Ampelkoalition streitet über Messerverbotszonen und Klingenlängen, die Union will Syrer und Afghanen nicht mehr ins Land lassen, Kanzler und Bundespräsident fordern die Härte des Gesetzes.

Wie sonst sollte ein Rechtsstaat reagieren? Weich? Die unabhängige Justiz reagiert selbstverständlich angemessen und verhältnismäßig. Was sollen solche politischen Leerformeln bewirken?

Reul ist eine seltene Ausnahme im politischen Geraune nach dem Attentat

Ehrlicher und eine seltene Ausnahme im politischen Geraune ist NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Statt über zwar sinnvolle, aber schwer kontrollierbare Messerverbotszonen zu diskutieren, gehen seine Sicherheitsbehörden der Frage nach, ob es ein bestimmtes Muster bei Messerattentätern gibt, damit diese Taten gar nicht erst geschehen.

Ja, das hat Solingen nicht verhindert, aber der Gewalt systematisch und nicht mit rein emotionaler Symbolpolitik zu begegnen, dürfte nachhaltiger sein. Dies und die schnelle Festnahme eines Tatverdächtigen sind für Reul kleine Schritte, um den Menschen wieder mehr Sicherheit zu geben.

Dazu gehört aber auch eine andere Abschiebe- und Asylpolitik. Wir müssen endlich mehr darüber wissen, wer in unser Land kommt und hier lebt. Und wer dieses Recht verwirkt hat, muss das Land wieder verlassen. Wenn wir nicht bereit sind, unbequeme und kluge Antworten zu geben, überlassen wir es den Populisten von Rechts- und Linksaußen, das Vakuum mit Lösungen zu füllen, die uns weder sicherer noch freier machen werden.

E-Mail: christian.kunst@rhein-zeitung.net

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