Reichtum schützt nicht vor Dummheit, schon gar nicht vor Rassismus und Menschenverachtung – im Gegenteil. Wenn alles zusammenkommt, stellt ein Haufen selbstgerechter Prosecco-Nazis seine ausländerfeindlichen Gesänge in die sozialen Netzwerke, um sich für ihren Rechtsextremismus abfeiern zu lassen. Dumm und brandgefährlich. So geschehen auf Sylt, ähnliche Fälle gab es bei einem Schützenfest nahe Vechta oder bei der Bergkirchweih in Erlangen.
Das alles legt offen, wovor Experten schon lange warnen: dass Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass tief in die Mitte der Gesellschaft eingesickert sind, dass dies kein Unterschichtenphänomen ist, sondern dass es vielmehr Menschen aus der Mittel- und Oberschicht sind, die diese rechtsextreme Verrohung vorantreiben.
Politik hinterfragt sich nicht
Und wie reagiert die Politik? Mit Ekel, Aufrufen zur Zivilcourage, Distanzierung, Drohen mit der Härte des Gesetzes – man darf gespannt sein, welche Strafen tatsächlich verhängt werden. Aber: kein Hinterfragen des eigenen Tuns und Unterlassens. Dabei gäbe es gute Gründe, dass sich die Politik von Berlin bis zu den Kommunen fragt, wie es zu einer solchen Normalisierung von Rassismus kommen konnte.
Welchen Anteil etwa tragen auch viele Parteien der Mitte daran, dass die Grenzen des politisch Sagbaren – getrieben von der AfD – immer weiter nach rechts verschoben worden sind? Welches Vakuum hinterlassen politische Versäumnisse und Streitigkeiten, das rechte Rattenfänger von der AfD mit ihren Parolen füllen können?
Die Kluft zwischen armen und reichen Vierteln verfestigt sich
Und noch eine andere Frage stellt sich: Inwieweit haben es auch Kommunen wie Neuwied oder Koblenz zugelassen, dass sich Problemviertel mit vielen prekären Schichten und einem hohen Anteil an Migranten von reichen Vierteln mit einer ganz anderen sozialen und migrantischen Zusammensetzung entfernen? Die Antwort lautet: Viele haben diese Kluft sogar verfestigt.
Und so grassiert der Fremdenhass – bei jenen, die sich in ihren Problemvierteln von der Masse der Migranten bedroht fühlen, befeuert von jenen, die sich auch irgendwie bedroht fühlen, in ihrer Nachbarschaft aber kaum einen Migranten zu Gesicht bekommen. Die Diskussionen über Flüchtlingsheime wie in Koblenz sprechen da Bände.
Ein soziales Pflichtjahr würde helfen
Was tun? Wer früh und intensiv in Kontakt mit Minderheiten und Migranten kommt, dürfte eher nicht dazu neigen, sich so hasserfüllt und hemmungslos wie die Sylter Edelnazis zu äußern. Eine kluge Städtebau- und Bildungspolitik könnte diese positiven Erfahrungen befördern.
Und ganz sicher würde ein soziales Pflichtjahr helfen. Das wäre auch die Empfehlung mit Blick auf die Sanktionierung der rechtsextremen Krakeeler auf Sylt und anderswo: Statt einer Geld- oder einer Bewährungsstrafe sollten sie mehrere Sozialwochen lang in einer Behinderteneinrichtung oder in einem Flüchtlingsheim helfen. Das könnte sie etwas klüger machen.