Nur wenige Minuten nach den Schüssen auf den früheren US-Präsidenten Donald Trump fand der fast schon legendäre CNN-Anchorman Wolf Blitzer Worte für die schrecklichen Bilder, die Millionen Amerikaner fassungslos verfolgten. Der Journalist sprach gewohnt weitsichtig-pointiert von einem „besorgniserregenden Moment in der amerikanischen Geschichte“.
Ohne Zweifel ist das gescheiterte Attentat auf den Republikaner Trump nur zwei Tage vor der Krönungsmesse seiner Partei, bei der Trump zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten gekürt werden soll, ein solcher historischer Moment. Er reiht sich ein in eine ganze Reihe von Attentaten auf Präsidenten und Ikonen der amerikanischen Geschichte: Abraham Lincoln, John F. Kennedy, Robert Kennedy, Martin Luther King und auch Ronald Reagan.
Waffenstarrendes Land mit
einer militanten Geschichte
Nicht nur angesichts dieser schrecklichen „Tradition“ politischer Gewalt in den USA sind die Schüsse auf Trump nicht überraschend, wenn sie auch aufs Schärfste zu verurteilen sind, weil Gewalt niemals Mittel von Auseinandersetzungen in Demokratien sein darf. Doch überraschen können die Schüsse auf Trump in einem so waffenstarrenden Land mit einer so militanten Geschichte wie den USA nicht. Überraschen dürfen sie vor allem deshalb nicht, weil Trump selbst Agent provocateur eines längst nicht mehr nur politischen Bürgerkriegs ist.
Spätestens seit dem 6. Januar 2021 ist klar, dass der damals scheidende Präsident vor der Anstachelung zur Gewalt nicht zurückschreckt. Zudem hat er mit der Besetzung des Obersten Gerichtshofs dafür gesorgt, dass ein Präsident trotz solcher die Demokratie zersetzenden Handlungen sakrosankt ist. Trump hat die Tür zu einem autoritären Staat weit geöffnet und dürfte sie bei einer Wiederwahl durchschreiten – ein autoritärer Staat, in dem Gewalt Bestandteil der Politik ist. Damit sollen die Schüsse auf Trump nicht gerechtfertigt werden. Aber er selbst ist ganz wesentlich für das aufgeheizte Klima verantwortlich, das erst den Boden für die Schüsse auf ihn bereitet hat.
Jetzt erweist sich, wie fatal die Selbstschwächung der Demokraten ist
Wenn US-Präsident Joe Biden jetzt zur Mäßigung und Abrüstung aufruft, ist das aller Ehren wert. Doch die Worte eines greisen und zunehmend ohnmächtigen Präsidenten, der selbst in seiner eigenen Partei immer weniger Rückhalt hat, dürften eher verpuffen. Jetzt erweist sich, wie fatal die Selbstschwächung der Demokraten ist.
Wirkmächtiger dürften da die Bilder eines blutenden Trump sein, der mehrfach die Faust hebt und seine Anhänger zum Kampf aufruft. Diese von Trump bewusst inszenierte Macht der Bilder und die ersten Reaktionen von führenden Republikanern lassen das Schlimmste befürchten: weitere Gewalt und bürgerkriegsähnliche Zustände im Wahlkampf. In der Tat: Das ist ein besorgniserregender Moment, möglicherweise ein dramatischer Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte.