Paris, Brüssel
Kommentar: Die USA dürfen sich durch diese Tat nicht weiter spalten lassen

Paris, Brüssel. und jetzt Orlando? Ehrlich gesagt muss man erstaunt sein, dass es erst jetzt in den USA zu einem solch verheerenden Terroranschlag kommt. Denn wer den Vorwahlkampf der vergangenen Monate beobachtet hat, der schaut auf ein Land, das immer mehr verroht. Die Stimmung, die republikanische Brandstifter wie Ted Cruz oder Donald Trump erzeugt haben und der sie Ausdruck verleihen, kann nur als hochexplosiv beschrieben werden.

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Christian Kunst
 zum Anschlag 
in Orlando und den Folgen

Besonders Trump hat alle aus seiner Sicht „Fremdartigen“ wie Muslime, Homosexuelle, Latinos oder selbst Liberale durch seine Äußerungen quasi zu Aussätzigen der US-Gesellschaft erklärt. Doch auch die Demokraten haben gezündelt, indem sie sich dem schlechten Stil Trumps zunehmend anpassten. Hinzu kommen Medien, die diese giftige Polarisierung dankend hingenommen haben. Sie gaben Trump und seinen Widersachern eine Plattform, ohne einzuordnen – der Quote zuliebe. Das ist eine Demokratie im permanenten verbalen Stellungskrieg, wodurch erst eine Atmosphäre entsteht, die einen Anschlag wie in Orlando möglich macht.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass Donald Trump den Anschlag dazu nutzt, um seine anti-muslimischen Tiraden eher noch zu verstärken – zu einem Zeitpunkt, da die Hintergründe der Tat noch völlig unklar sind. In solch einer vergifteten Atmosphäre gibt es keine Chance zum Innehalten, zum rationalen Nachdenken über mögliche Auswege aus der aufgeheizten Stimmung. Klar liegt es für jeden einigermaßen klar denkenden Westeuropäer auf der Hand, dass die laxen Waffengesetze der USA diese Tat erleichtert haben. Doch die Konsequenz, so ist zu fürchten, die viele Amerikaner aus Orlando ziehen werden, ist nicht die Forderung nach einer Verschärfung der Waffengesetze. Für die eigene Sicherheit, das ist eine amerikanische Grundüberzeugung, ein Gründungsmythos der USA, ist vor allem der Einzelne selbst verantwortlich, nicht der Staat. Diese Überzeugung wird diese Tat eher noch festigen.

Auch in Europa haben die Regierungen Paris, Brüssel und anderswo auf die Terroranschläge mit Härte und verschärften Sicherheitsgesetzen reagiert – in Frankreich gilt weiterhin der Ausnahmezustand. Doch Orlando befindet sich in einem Land, das deutlich tiefer gespalten ist als viele europäische Länder, das vor einem beispiellosen, alle Grenzen des politischen Anstands sprengenden Präsidentschaftswahlkampfs steht. Es geht um Macht und sehr viel Geld. Es bleibt zu hoffen, dass sich die amerikanische Zivilgesellschaft in diesem Moment auf seine demokratischen und vor allem zutiefst liberalen Grundfesten besinnt. Dies würde zu der Erkenntnis führen, dass islamistische Gewalttäter wie der Attentäter von Orlando Verbrecher sind, die versuchen, die westliche Gesellschaft zu spalten und einen Bürgerkrieg zu entfachen. Wie zuvor Franzosen und Belgier dürfen auch die Amerikaner dies nicht zulassen.

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