Fast jeder, der sich mit der heimischen Wirtschaft beschäftigt hat, hat schon mal davon gehört: Hidden Champions. Die Rede ist hier von mittelständischen Unternehmen, die im In- und Ausland Marktführer in ihrer Branche sind – und die so gut wie keiner kennt. Einer Studie der Uni Trier zufolge gibt es fast 150 solcher heimlicher (Welt-)Marktführer in Rheinland-Pfalz. Fast jeder hat schon mal von dieser Unternehmensgattung gehört, aber die wenigsten könnten die Hidden Champions in ihrem Landkreis aufzählen. Ein Hidden Champion zu sein, gilt landläufig als Qualitätsmerkmal. Daher gibt es auch eine Reihe an Büchern, Studien, Artikeln und Dokumentationen zu ihnen. Das Thema übt auf Wissenschaft und Gesellschaft eine gewisse Faszination aus. Aber ist es überhaupt noch erstrebenswert, ein Hidden Champion zu sein oder zu werden? Nach vielen Jahren Beobachtung und Diskussionen dazu ist meine Antwort darauf ein klares Nein.
Natürlich braucht unser Land weiterhin leistungsfähige Unternehmen und Weltmarktführer – jetzt mehr denn je. Die Schwierigkeit liegt jedoch in der „Heimlichkeit“. Für viele Unternehmer ist es en vogue, nicht im Rampenlicht zu stehen und nicht öffentlich über das eigene Geschäft zu reden. Man will sich auf die eigene Arbeit konzentrieren. Und Bescheidenheit wird oft als Tugend des ehrbaren Kaufmanns oder der ehrbaren Kauffrau gesehen. Aber mit dem fehlenden Rampenlicht gehen im Jahr 2025 mindestens die folgenden drei Probleme einher.
1Mangel an Arbeitgeberattraktivität: Fachkräftemangel ist und bleibt eine der Top-Herausforderungen für Unternehmen, vor allem solche in ländlichen Regionen. In der Vergangenheit war es oft üblich, die Kinder der eigenen Mitarbeitenden einzustellen, wenn diese in Rente gingen. Diese Berufsaussichten sind für die junge Generation heutzutage oft nicht mehr attraktiv. Die jungen Talente zieht es oft in die Großstadt, zu den namhaften Arbeitgebern. Im Prinzip könnte der Mittelstand den jungen Menschen viel bieten. Doch dafür müssten die jungen Menschen die Hidden Champions erst mal kennen.

2 Fehlender Input von außen: Ohne Anpassung ist kein Unternehmen mehr erfolgreich. Mit Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Nachhaltigkeit gibt es derzeit mehrere gleichzeitige Herausforderungen der Transformation. Diese sind mit Input und praktischem Wissen von außen einfacher zu lösen. Aber diesen Input bekommt man leichter, wenn das eigene Unternehmen bekannt ist. Dann ist es wahrscheinlicher, dass sich beispielsweise junge Gründer mit innovativen Ideen beim Unternehmen melden, um eine Zusammenarbeit anzustreben, oder sich Experten aus anderen Firmen direkt bewerben.
3Das Außenbild: Egal, welche Umfrage man derzeit öffnet, das Ergebnis ist das Gleiche: Die Stimmung ist schlecht. Der eine Teil der Gesellschaft wirft den Unternehmern vor, quasi das Geld mit den Koffern aus dem Land zu tragen – was natürlich Unsinn ist. Ein anderer Teil der Gesellschaft spricht dem Land die Innovations- und Leistungsfähigkeit ab und betont die Stagnation. Auch das trifft nicht unbedingt zu: Es gibt unglaublich viele innovative Unternehmen im Land – wir sehen sie nur zu wenig. Gegen diese beiden falschen Einschätzungen könnten die Hidden Champions vorgehen, indem sie sichtbarer werden, die Situation klarstellen – und damit auch als Rollenvorbilder für junge Gründerinnen und Gründer dienen. Champion zu sein ist toll – versteckt zu bleiben jedoch weniger. Daher mein Appell: Lasst uns mehr sichtbare Champions schaffen! Vielleicht gelingt es uns damit sogar, den vorherrschenden Pessimismus in vorsichtigen Optimismus zu wandeln.
Zur Person
Nadine Kammerlander ist seit 2015 Professorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Mehrere Jahre arbeitete sie bei McKinsey & Company und beriet internationale Unternehmen der Automobil- und Halbleiterbranche in Produktentwicklungsprojekten, vor allem in den USA und Mexiko. In Lehre und Forschung beschäftigt sie sich mit den Themen Innovation, Mitarbeiter und Governance in Familienunternehmen und Family Offices. Sie ist Mitglied der Forschergruppe zur Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz.