Tatort Ihr neuer Fall führt das Weimarer Ermittlerduo in die Kloßindustrie - Der Wortwitz nimmt Überhand
Tatort-Kritik: Wenn Humor den Zuschauer erschlägt
Ermitteln den Mörder eines Kloß-Oligarchen: Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen). Foto: ARD
dpa

Unser Redakteur Christian Kunst hat sich den neuen „Tatort“ angesehen. Sein Urteil: Wer die Realität ausblenden kann und Humorsalven liebt, kann einschalten.

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Es gibt zwei Sätze im aktuellen „Tatort“ aus Weimar, die viel über diesen Krimi sagen. Christian Ulmen alias Kommissar Lessing spricht bereits sehr früh aus, was einem als Zuschauer durch den Kopf geht: „Ich habe immer größere Verständnisprobleme.“ Und: „Wir schweifen ab.“ Man fragt sich, ob die Drehbuchautoren diese Sätze irgendwann eingebaut haben, um den Irrsinn der Dialoge und der Handlung etwas zu relativieren.

An den Wahnwitz des Weimarer „Tatorts“ hat man sich ja fast schon gewöhnt. Wer bei Ulmen und Nora Tschirner (Kommissarin Dorn) einschaltet, erwartet nichts anderes. Doch diesmal überdrehen es die Macher völlig. Wie im Rausch der Wortwitze von Filmklamotten der 50er- und 60er-Jahre bekommt jeder Name eine komische Note. Und da sich der Mord in der Kloßindustrie abspielt, wird jeder Satz durch die Kloßbrühe gezogen. „Wir haben zusammengehört wie Kloß und Soß“, sagt Roswita, die Ehefrau des ermordeten Kloß-Oligarchen Hassenzahl – von ihm ist nur noch Granulat übrig geblieben. Seine Frau hat ihr Gedächtnis angeblich vor sieben Jahren verloren, weil sie in einem Wald gestürzt ist. Seither hat sie als Toilettenfrau in einer Autobahnraststätte gearbeitet. Roswita liebt abstruse Metaphern: Gedächtnisverlust, sagt sie, das ist „als hätte man das Gehirn wie einen Mantel in die Reinigung gegeben – und die Erinnerung sind die Flecken“. Just am Tag, als ihr Mann ermordet wird, kommen die Flecken zurück, um im Bild zu bleiben. Tschirner alias Dorn verleitet diese irre Geschichte zur fast lyrischen Conclusio: „Ihre Ehe war megaglücklich, aber sie ist in den Hainich abgehauen, auf den Nischel gefallen, Klofrau in Stadtroda geworden, kriegt ihr Gedächtnis genau an dem Tag zurück, als ihr Mann ermordet wird, und fragt nicht einmal, ob wir den Täter haben, wer's gewesen sein könnte, wie's passiert ist?“

Ja, wer war es? Vielleicht Roswitas Retter vor sieben Jahren: Roland Schnecke, der sie nur Mogli nennt und ebenfalls Toiletten putzt. Schnecke ist eine dubiose Gestalt mit mehreren Pässen, die selbst seine Angebetete nicht ganz durchschaut. Und dann fährt er auch noch ein teures Auto, das er sich eigentlich gar nicht leisten kann. Oder wie wäre es mit dem Kartoffelbauern Thomas Halupczok? Er hasst Hassenzahl, weil der die Existenz des Landwirts vernichtet hat. Oder des Bauern Geliebte Marion Kretschmar, Managerin einer Supermarktkette, die „Hassenzahler Kloßspezialitäten“ exklusiv verkauft und die Firma durch eine Kündigung in den wirtschaftlichen Ruin getrieben hat. Oder doch die „robuste Roswita“ (so der Name einer Kartoffel und zugleich Titel des „Tatort“), die für Dorn eine „Moglipackung“ ist?

Eigentlich hat dieser „Tatort“ alle Zutaten für einen spannenden Fernsehabend. Die Sequenzen zu Beginn des Krimis sind dramaturgisch stark und überraschend krachend. Ulmen und Tschirner bieten starke Schauspielkunst. Doch wie schon bei anderen „Tatort“-Teams scheint das den Machern einfach nicht zu reichen. Selbst der Großmeister des Wortwitzes, Heinz Erhardt, brauchte bei seinen Auftritten die kleinen Pausen, um Anlauf zu nehmen für die nächste Pointe. Penetrant konnte er so nicht werden – das hätte ihm das Publikum nicht verziehen. Das Weimarer Ermittlerduo ist auf dem besten Weg, penetrant zu werden und die riesige Fangemeinde mit Humor zu erschlagen. Ohne Not.

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