Frankfurt – „Die Gladiatoren unter den Plagiatoren erreichen Abschreibquoten von über 93 Prozent“, behauptet einer, der es wissen muss: Roland Schimmel ist Rechtsanwalt und habilitierter Juraprofessor an der FH Frankfurt. Soeben ist von ihm das Buch „Von der hohen Kunst ein Plagiat zu fertigen“ erschienen – eine launige Anleitung zum professionellen Abschreiben.
In dem Buch erklärt Schimmel, wie man sein gefälschtes Werk mittels kostenloser Probeversion einer Plagiatssoftware aus dem Internet vor Prüfern „wasserdicht“ machen kann. Und dass nur Doofe bei Wikipedia abschreiben oder eine grob zusammengeklaute Abhandlung zum Spezialgebiet ihres Doktorvaters abgeben.
Nützlich kann es dagegen sein, Grafiken aus dem Netz zu fischen – die lassen sich über Suchmaschinen nicht so leicht finden. Auch die „graue Literatur“ ist dem Autor gemäß eine ergiebige Quelle für wissenschaftliche Arbeiten. Dabei handelt es sich um Texte ohne kenntlich gemachten Autor, über die Parteien und Verbände ihre politischen Interessen vertreten. Die Urheber freuen sich nämlich über die Verbreitung ihrer Lobbypapiere, Beschwerden sind von dieser Front also kaum zu erwarten ...
Als „ironischen Appell“ für mehr Ehrlichkeit im Wissenschaftsbetrieb“ will der Autor sein Werk verstanden wissen und entlarvt das teuflische Spiel spätestens in seinen zuhauf verteilten Fußnoten. Das Geleitwort von Karl Theodor zu Guttenberg überrascht den Leser dann aber doch.
Sie haben in Jura promoviert. Hand aufs Herz: Alles selbst geschrieben?
Sie werden lachen, ich habe gestern Abend meine eigene Doktorarbeit seit zehn Jahren zum ersten Mal wieder in die Hand genommen. Ich hab zehn Seiten gelesen und bin dann total beruhigt eingeschlafen.
Das heißt, der Verdrängungsprozess funktioniert, und Sie hätten lieber nichts beschworen?
Subjektiv kann ich jeden verstehen, der überrascht ist, wenn ihm Plagiate vorgeworfen werden, die Jahrzehnte zurückliegen. Für Nicht-Wissenschaftler sind Doktorarbeiten irgendwann abgeschlossene Kapitel. Und dass man seine eigenen Sünden zu vergessen neigt, gilt, glaube ich, auch jenseits des Wissenschaftsbetriebs und -betrugs. So sind wir alle gestrickt.
Ihr Buch liest sich wie eine Anleitung zum Plagiat. Sind Sie als Juradozent derart leidgeplagt?
Ja. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich am ehesten die Plagiate entdecke, die schlecht gemacht sind, und vermutlich manches gute Plagiat überhaupt nicht identifiziert und dann eben eine passable Prüfungsnote darauf gegeben habe – wie Guttenbergs Professoren. Aber es gibt definitiv schlechte Plagiate. Daher rührt mein Text.
Wenn schon schummeln, dann wenigstens intelligent?
Genau. Gerade an Fachhochschulen, wo ich arbeite, kennt man in aller Regel seine Studenten. Und ist menschlich enttäuscht, wenn einem jemand, den man selbst mit ausgebildet hat, eine lustlose Prüfungsarbeit auf den Tisch legt, die er noch nicht einmal selbst geschrieben hat. Das schmerzt! Man investiert als Betreuer selbst Lebenszeit und will gute Texte von pfiffigen und engagierten Studenten lesen, die mit Herzblut an ihrer Abschlussarbeit schwitzen.
Ein wasserdichtes Plagiat kostet viel Zeit und Arbeit, es bedarf eines erheblichen Rechercheaufwands. Wann lohnt sich das überhaupt?
Die humorlose Antwort heißt natürlich: nie. Ich glaube, es kann am ehesten bei Doktorarbeiten funktionieren. Bei externen Promotionen kennen sich Verfasser und Korrektor oft nicht gut. Wenn man noch dazu keine wissenschaftliche Karriere anstrebt, sondern nur den Titel haben und die Sache dann abhaken will, kann ich nachfühlen, wenn einer nach zwei arbeitsintensiven Jahren Blut schwitzend feststellt: Oweh, ich krieg da keinen wissenschaftlichen Fortschritt hin – und dann zu der Lösung kommt: Jetzt pfusch ich mich halt irgendwie durch.
Was hat Herr zu Guttenberg falsch gemacht?
Unterstellen wir mal, dass er seine Arbeit selbst geschrieben hat. Dann würde ich sagen: Er hat aufgehört zu arbeiten, bevor er mit der Arbeit fertig war. Er hat eine arbeitsintensive und durchaus intelligente Textsammlung erstellt, wie sie für eine juristische Doktorarbeit nicht ungewöhnlich ist. Aber dann hat er nichts Eigenes daraus gemacht. Das Mindeste wäre gewesen, die Textausschnitte in dieser Sammlung in Anführungszeichen zu setzen. Aber das geht natürlich nicht, weil der Doktorvater dann sagt: Da steht ja gar nix Eigenes drin!
Wie kam es zu seinem Geleitwort?
Ehrlich gesagt hat mein Verleger versucht, ihn auf ironische Art mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und ihm die Worte frech in den Mund gelegt. Gemäß dem Guttenberg'schen Motto: Das Wichtigste ist, sich gut zu verkaufen. Jetzt warten wir täglich darauf, dass der Postmann die Klage bringt …
Welchen Rat geben Sie beim Mogeln Ertappten?
Studenten sind am besten beraten, wenn sie ihr Unrecht eingestehen und um Entschuldigung und eine zweite Chance bitten. Meist bedeutet das: Man lässt den Kandidaten durchfallen und versucht, ein neues Thema und einen neuen Betreuer zu finden. Also: Karten auf den Tisch und bestenfalls noch einmal eine Prüfungsarbeit schreiben.
Das Gespräch führte Nicole Mieding.
Roland Schimmel: Von der hohen Kunst ein Plagiat zu fertigen – Anleitung in zehn Schritten, erschienen im LIT Verlag, broschiert, 91 Seiten, 8,90 Euro. Den Textanfang hat Schimmel online gestellt (PDF).