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Berlin
Kult-Show: Fernseh-Dinos vermissen ihren „Frühschoppen“

Die ehemaligen Korrespondenten Gerd Ruge und Peter Scholl-Latour vermissen ihren "Frühschoppen". Foto: dpa 

Berlin - Zwei Ikonen des deutschen Fernsehjournalismus nahmen noch einmal vor der Kamera Platz: Die beiden langjährigen Auslandskorrespondenten Peter Scholl-Latour (89) und sein früherer Kollege Gerd Ruge (85) erinnerten sich bei der Jubiläumsaufzeichnung des „Internationalen Frühschoppens“ in Berlin (Ausstrahlung am Sonntag, 17. November) an die Höhepunkte der früheren Kult-Show mit Werner Höfer.

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Von unserer Redakteurin Rena Lehmann

„Wir haben uns nie gestritten, es gab allenfalls einen gewissen Dissenz“, sagt Scholl-Latour heute. Er selbst berichtete viele Jahre für die ARD aus Afrika, Frankreich und Nahost – und war oft zu Gast bei Höfer.

Der „Internationale Frühschoppen“ der heute nur noch dann im Nachrichtensender Phoenix läuft, wenn der „Presseclub“ ausfällt, ging 1953 als erste politische Gesprächsrunde des deutschen Fernsehens auf Sendung. Manchmal verschwanden die Mitdiskutanten, Korrespondenten aus verschiedenen Ländern, in den Rauchschwaden ihrer Zigaretten. Zum lockeren und engagierten Gespräch dürfte auch beigetragen haben, dass der Name „Frühschoppen“ durchaus ernst genommen und im Verlauf der Sendung die eine oder andere Flasche Wein geleert wurde. Werner Höfer, der die Sendung mehr als 30 Jahre straff moderierte, starb 1997. Für Peter Scholl-Latour war die Einladung in Höfers Sendung, die für das politisch interessierte Nachkriegsdeutschland zum sonntäglichen Pflichtprogramm wurde, der Beginn seiner Karriere. „Ich war damals Korrespondent für die Saarbrücker Zeitung. Als er mich anrief und in die Sendung einlud, wusste ich gar nicht, wer Werner Höfer ist“, erinnert sich Scholl-Latour. Sein Auftritt in der Runde machte ihn bekannt – er wurde ARD-Studioleiter in Paris, später ZDF-Chefreporter. „Jeder saß davor, jeder hat es geguckt. Es war eine meinungsbildende Sendung“, sagt Scholl-Latour heute über den „Internationalen Frühschoppen“. Der unterschiedliche Blick auf das Weltgeschehen fehlt ihm jetzt im deutschen Journalismus.

Die Markenzeichen Halbglatze, Hornbrille und markige Sprüche machten Höfers Show zum sonntäglichen Familientreff vor dem Fernsehen. Er wies Journalisten gern ruppig zurecht („Wenn Sie noch einmal Ok sagen, kriegen Sie hier die Gelbe Karte“) und zeigte sich auch mal ratlos angesicht der großen Fragen der Weltpolitik („Was sollen wir tun? Schweigen oder reden?“). Die Weggefährten des früheren Moderators bedauerten durchaus, dass die Fernsehlandschaft heute in vieler Hinsicht „puritanischer“ geworden ist. Nicht nur Zigaretten und Wein wurden aus den Fernsehstudios verbannt. „Mit Höfer kam auch Schwung in die Sendung“, stellt der frühere ARD-Moskau-Korrespondent Gerd Ruge fest. Er ist überzeugt, dass die Deutschen heute zwar mehr und schneller wüssten, was in der Welt passiert. Weiser seien sie deshalb aber nicht unbedingt.

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