Koblenz – Deutschlands berühmtester Schneider hat keine überflüssigen Talente: Komiker Helge Schneider erzählt im RZ-Gespräch, warum man schimmliges Brot noch essen kann, und dass er auch ein guter Taschendieb geworden wäre.
Herr Schneider, tragen Sie Ihren Namen mit Stolz?
Ja. Ich trage meinen Namen mit Stolz, weil: Schneider ist ja auch ein Beruf!
Ach was. Erzählen Sie!
Ja, die Schneiderei ... Früher hat man ja mit der Hand geschneidert, aber seit 200 Jahren gibt es Nähmaschinen. Das sind so Eisengestelle, wo man draufgetreten hat. Früher. Ich nehme an, dass mein Name aus weither kommt! Der ist nicht 200 Jahre alt, sondern viel, viel älter. Denn Schneider gab es immer schon.
Das ist wahr. Ist das Handwerk in Ihrer Familie weitergegeben worden? Stand also Ihre Berufswahl von vornherein fest?
Nein, durch Abwege sind die Schneiders ihrem Beruf entfremdet worden. Mein Vater war Fernmelderevisor. Das ist aber ähnlich.
Was ist das für ein Beruf?
Damals gab es noch nicht die Telekom, sondern die Post war fürs Telefon zuständig. Da hat man Pfähle in den Boden gerammt, oben mit Porzellandingern dran, und dann wurden da die Leitungen verlegt. Und mein Vater hat da geguckt und nachgeschaut; daher der Begriff „Revisor“. Das kommt aus dem Lateinischen, revidere – zurückschauen, nachschauen.
Haben Sie das Latinum?
Ja. Ich bin ja auch gelernter Arzt. Tierarzt.
Kühe?
Pferde.
Ich habe mir Wortspiel-Fragen zum Thema „Schneider“ überlegt. Wollen wir starten?
Ja. Richtig.
Haben Sie flinke Finger?
Was soll ich jetzt mit dieser Frage anfangen?
Hat nicht funktioniert?
Nein.
Wir versuchen es anders: Sind Sie ein Auf-Schneider?
Nein! Ich bin ein Grimassen-Schneider!
Das ist auch sehr schön. Macht Ihnen das Spaß? Wollen wir noch eine Wortspiel-Frage machen?
He, jetzt versteh ich das mit den flinken Fingern! Frag das noch mal.
Haben Sie flinke Finger?
Das verstehe ich jetzt nicht. (lacht schallend und tupft sich hörbar die Lachtränen ab). Ich bin Klavierspieler! Da habe ich sehr flinke Finger, ja. Aber ich wäre auch ein guter Taschendieb geworden. Fragen Sie mich noch eine Wortspiel-Frage.
Sind Sie ein tapferes Schneiderlein?
Ja. Sieben auf einen Schlag. Bin ich manchmal, ja. Im Sommer, wenn die Fliegen und Mücken ... Ouh.
Sind Sie also tapfer?
Ja. Ich gehe morgen zum Osteopathen. Ich hab einen Termin um 10.30 Uhr. Da muss man tapfer sein.
Das ist vorbildlich! Ist es mutig, sich vor ein großes Publikum zu stellen und den Clown zu machen? Oder haben Sie da die „Buxe voll“?
Ich denke, dass das sehr mutig ist. Wenn viele Menschen im Raum sind, dann ist der Adrenana ... Adrena ... nananananananana.
Die Aufregung.
... der Spiegel ist dann erhöht. Auch bei den Leuten! Und so entsteht ein Feedback. Da muss man mutig sein, vor so eine große Menschenmenge zu treten. Da sind viele Leute, wo man sagt: „Schon irgendwie doof. Aber mutig!“
Sie sagen zu den Leuten, dass sie doof sind?
Nein, umgekehrt. Die Leute sagen zu mir: „Och, der ist ja doof da.“ Oder: „Guck mal da, der da. Der ist ja doof.“ Du gehst oder rollst vors Mikrofon – allein den Mut zu haben, dort zu sein! Da gehört schon einiges dazu!
Warum tun Sie sich das an?
Mein Mut wird ja honoriert. Bei mir sagen die Leute oft: „Ha. Ha. Ha.“
„Ist der doof“ sagen dann die Kritiker.
Nein, das gibt's gar nicht mehr. Bei mir kommt kein Theaterkritiker und kein Kabarettkritiker. Ich bin ja Quatschmacher.
Quatschmacherkritiker gibt's nicht?
Nein, gibt's nicht. Nein, nein.
Erzählen Sie mir von „Buxe voll“.
Bux voll?
Nein, „Buxe“! Da ist doch noch'n „e“ drin.
Buxe, ja. Hab ich nicht gesagt? „Buxe voll“ ist der Titel meiner Tournee. Der soll motivieren.
Wen soll der Titel motivieren?
Mich. Ohne Umschweife.
Warum sind Sie so vielseitig talentiert?
Kann ich genau sagen: weiß ich nicht.
Was ist Ihr Lieblingstalent?
Wenn Brot schimmelig ist, dann weiß ich genau, wie viel ich abschneiden muss, um das Brot noch essen zu können. Oder ob ich es doch ganz wegschmeißen muss.
Das können Sie?
Ja.
Das ist beneidenswert. Ich bin da sehr vorsichtig; wenn mal Schimmel im Brot sitzt, werfe ich leider lieber alles weg.
Jaaa, manchmal muss ich das ja auch. Aber das ist traurig, ich werfe nicht gern Lebensmittel weg. Wenn der Schimmel erst ganz kurz da ist, sind die Sporen noch nicht so weit vorgedrungen, und da weiß ich genau, wie weit die schon sind.
Welches Ihrer Talente ist überflüssig?
Dieses nicht. Zu wissen, wo ich den Schnitt ansetzen muss, das zieht sich durch mein ganzes Leben.
Das war tiefgründig!
Ja.
Aber jeder hat ein überflüssiges Talent.
Ich nicht. Ich brauche alle Talente.
Fehlt Ihnen ein Talent?
Ich möchte gern lügen können, ohne rot zu werden.
Hatten Sie ein Schlüsselerlebnis?
Nö, nur so! Ich lüge eigentlich nicht.
Aber wenn Sie nicht rot werden würden dabei...
... dann würde ich hier Geschichten erzählen, hoho! Das Blaue vom Himmel lügen!
Kann man so ein Talent lernen?
Nein, das wird auch nicht angeboren.
Es wird Ihnen also nie ... Schade. Kochen Sie?
Ja. Mein zukünftiger Schwiegerenkel war da, und da habe ich drei Hühnerbollen ...
Hühnerbeulen?
Hühnerbollen! Keulen. Hähnchenkeulen.
Ah – jetzt sind wir beieinander.
Jaaa, und die habe ich mit Kartoffeln gemacht und Coq au viiiin genannt. Hmmm. Drei Hähnchenkeulen auf geschnittenen Kartoffeln, Rotwein rein, Knoblauch drauf, in den Ofen. Ich kann gut kochen! Auch Schokoladenpudding.
Den kocht man nicht.
Wohl! Richtigen schon! Mit Milch, Wasser, Zucker, auch Salz nicht vergessen und Blockschokolade – die muss man drüberraspeln.
Das läuft aber über.
Ja. Und es brennt an. Ich tue es trotzdem. Muss man dabei danebenstehen.
Und Ihr handwerkliches Talent?
Ich habe mein Haus selbst gebaut, ich habe Maurer gelernt, Zimmermann und Gärtner. Ich habe den Garten selbst angelegt. Ich habe auch den Freischwimmer. Ich wollte einen Swimmingpool machen, habe ich aber doch nicht.
Sie haben den Freischwimmer in Ihrem Swimmingpool ...?
Ja.
Ich bin geplättet.
Von so viel Talent.
Aber es war wichtig, das einmal aufzuarbeiten. Denken Sie schon an das Fortführen der Schneider-Dynastie?
Ich habe ja schon zwei Enkel und will mir eine Kawasaki kaufen.
Okay ... Für die Enkel?
Nee! Damit der Opa ... du verstehst schon.
... im Hühnerstall Motorrad fährt.
Genau.
Ich denke, wir beenden das Gespräch hier mal.
Hey, das waren exakt die vereinbarten zehn Minuten. Gut, und vier Sekunden.
Sehen Sie mal.
Sechs, sieben, acht, neun, zehn Sekunden.
MICHAEL DEFRANCESCO