Nürburgring – Wer darf sich schon über 85 000 Gäste bei der Party zu seinem 25. Geburtstag freuen? Das schafft wohl nur „Rock am Ring“. Seit Donnerstag läuft das Jubiläumsfestival am Nürburgring. Und gleich zum Auftakt sorgten die Altmeister von Kiss für ein spektakuläres Geburtstagsständchen. Bis Sonntag wird nun weitergefeiert. Happy Birthday, Ring!
Sonne! Die „Rock am Ring“-Besucher können ihr Glück kaum fassen. Gleicht der Nürburgring zur Festivalzeit sonst schon mal eher einer Waschküche, werden die Straßen und Wege zwischen den drei Bühnen diesmal zum Strandboulevard. Die jungen Kerle entledigen sich ihrer frisch gekauften Original-Ring-Shirts, Sonnenbrillen stehen hoch im Kurs, Sonnencreme-Tuben werden auf den Zeltplätzen herumgereicht wie sonst nur die Jägermeisterflaschen. Zum Auftakt des Jubiläumsfestivals fühlt sich die Eifel nach Urlaub an.
25 Jahre alt wird „Rock am Ring“ in diesem Jahr. Und weil Europas wichtigstes Musikfestival zeigen will, wie gut es feiern kann, wurde es um einen Tag verlängert und begann schon am Donnerstag. Die Münsteraner Crossover-Pioniere H-Blockx, vor allem aber die Schminkmonster von Kiss sorgten am ersten Tag für einen fesselnden Auftakt.
Die Ringrocker aus dem Netz
Christian Ruhnau ist zu Fuß gekommen. Sein Elternhaus steht in Meuspath, von dort kann man gemütlich zur Hauptbühne spazieren. Auch wenn Ruhnau inzwischen längst in Berlin lebt – für ihn und seine Freundin Julia Brandner ist „Rock am Ring“ die schönste Gelegenheit, nach Hause an den Ring zu kommen. „1994 – Scheißwetter aber Rage Against The Machine“, nennt Ruhnau seine früheste Ring-Erinnerung. „Man merkte, man war bei etwas ganz Besonderem dabei“, ergänzt Julia Brandner.
Aus diesem ersten Besuch und natürlich aus regionaler Verbundenheit wurde über die Jahre eine riesige Festivalleidenschaft. Ruhnau ist der Organisator der wichtigsten, größten und einflussreichsten Ring-Gemeinde im Internet: Bei den „Ringrockern“ sind 35 000 Fans angemeldet, im Mai hatte die Internetseite www.ringrocker.com rund 325 000 Besucher. Ruhnau kennt das Festival also in- und auswendig. Ist er einverstanden mit der Entwicklung, die es in den vergangenen Jahren genommen hat? „Ja, sehr sogar. Das Festival ist immer noch einzigartig. Und ich habe größten Respekt für den Haupt-Programmplaner André Lieberberg, dafür, wie er es Jahr für Jahr immer wieder schafft, ein Line-up auf die Beine zu stellen, das überrascht, unterhält und große Namen bietet, das vor allem die Masse mitzieht.“
Die „Ringrocker“ haben einen guten Kontakt zur Festivalorganisation, es findet ein Austausch statt – das ganze Jahr über. Über das agile Forum werden Reaktionen abgefragt, die Nutzer können bei Spekulationen über Bandverpflichtungen mitreden. Beliebt ist die Rubrik „Gerüchteküche“ – „und sie wäre ja keine Gerüchteküche, wenn nicht manche Gerüchte über Bands, die kommen werden, auch stimmen“.
Ruhnau, inzwischen 35 und nach Jahren des Campierens am Ring glücklich darüber, nach den Konzerten bei den Eltern ein ordentliches Bett vorzufinden, arbeitet in Berlin als freier Webdesigner und -entwickler. Die „Ringrocker“ waren auch Thema seiner Diplomarbeit – er schrieb da〜rüber, wie sich solche freien Communities zu den Marken verhalten, für die sie gegründet wurden.
Die Marke „Rock am Ring“ ist intakt – vielleicht so intakt wie noch nie in 25 Jahren. Dank seiner Historie ist „RaR“ eine Legende – Ehre und Bürde zugleich für die Veranstalter, die ihren Anspruch Jahr für Jahr unterstreichen wollen. Vielleicht spricht Festivalchef Marek Lieberberg beim kurzen Rundgang deshalb noch von Anspannung: „Noch bin ich vor allem angespannt. Nicht, weil ich befürchte, dass irgendwas passiert. Aber wenn man eben die Verantwortung trägt, dann ist man erst entspannt, wenn alle 85 000 sicher da sind, wo sie hinwollen, wenn es beginnt.“ Auch Marek Lieberberg ist begeistert vom Wetter: „Das erinnert mich an 1985“, sagt er schmunzelnd. 1985: Da erfand er „Rock am Ring“ und brachte so die Idee des mehrtägigen Open-Air-Festivals nach Deutschland. Ist ihm nostalgisch zu Mute? „Zeit für nostalgische Gefühle habe ich erst, wenn es langsam dem Ende entgegen geht.” Sagt’s und zieht weiter.
Auftakt mit Kiss
Als 1985 U2, Joe Cocker, Gianna Nannini, Chris de Burgh und Marius Müller-Westernhagen zu den Stars des ersten Festivals gehörten, waren Kiss schon Superstars. Dass sie es noch immer sind, zeigte ihr Auftaktkonzert. Mit Brimborium wurde die Retro-Aufführung der Rockmonster zelebriert – Gene Simmons streckte seinen enormen Zungenlappen heraus, Feuereffekte heizten die Stimmung auf, alles glitzerte, funkelte und strahlte. Auf Plateausohlen und im Kostüm stolzierten die älteren Herren durch ihr Repertoire. Zum Hit „I Was Made For Loving You“ schwebte Paul Stanley gar auf einer Seilbahn über die Köpfe des Publikums. Groß!
Eine Überraschung war die energiegeladene Show der H-Blockx zuvor. Vor allem Frontmann Henning Wehland zeigte sich fit wie eh und je – eine Band für die Um-die-30-Jährigen, die langsam zu den Älteren am Ring zählen.
Von Kulturredakteur Tim Kosmetschke