London – Sängerin Dionne Bromfield ist gerade mal 16 Jahre jung und zählt bereits zu den größten Talenten des Souls. Kein Wunder: Ihre musikalische Mentorin war keine Geringere als die verstorbene Soulsängerin Amy Winehouse – ihre Patentante.
Die 2011 gestorbene Souldiva war für Dionne Bromfield wie eine Schwester, brachte ihr das Gitarrespielen bei, lehrte sie, mit ihrer Stimme umzugehen, und verschaffte ihrer Karriere einen großen Schub. Bereits mit 13 Jahren brachte Bromfield ihr erstes Album „Introducing Dionne Bromfield“ mit Coverversionen von Soulklassikern der 60er- und 70er-Jahren heraus. Ihre Patentante nahm sie sofort unter Vertrag – als erste Künstlerin ihres frisch gegründeten Plattenlabels „Lioness Records“.
Diese Unterstützung ist heute Segen und Fluch zugleich: Dionne Bromfield hat Amy Winehouse viel zu verdanken, doch über ihr schwebt das Schicksal ihrer toten Patentante. „Ich kann nicht in ihre Fußstapfen treten. Was Amy gemacht hat, spricht für sich selbst“, sagte die 16-Jährige der „Bild“-Zeitung. Doch sie hat das Talent, Amy Winehouses Erbe fortzuführen – sie ist vielleicht das schönste Abschiedsgeschenk der extravaganten Sängerin.
Ihr zweites Album, „Good for the soul“, das im vergangenen Jahr in Großbritannien erschien und seit gut einer Woche in den deutschen Plattenläden steht, unterstreicht das eindrucksvoll. Bromfields charakteristische und ausdrucksstarke Stimme verleiht traurigen Balladen wie „Get over it“ und flottem Soulpop wie „A little lover“ eine einmalige Note. Jedes ihrer Lieder klingt anders, mal gefühlvoll, mal fröhlich. Schließt man bei „Ouch that hurt“ die Augen, ist es sogar beinahe so, als lausche man einem Titel von Amy Winehouse.
Der Einfluss ihrer Patentante ist nicht zu überhören, doch Bromfields Werke haben einen eigenen Charakter. Denn anders als bei ihrem ersten Album, stammen die Lieder diesmal aus ihrer Feder. Sie schildern meist aber nicht ihre eigenen Erfahrungen, sondern die Erlebnisse und Probleme anderer. „Ich habe die Worte genau unter die Lupe genommen, als ich sie aufgeschrieben habe. Deshalb kann ich mich beim Singen voll auf meine Gefühle konzentrieren“, erzählt die 16-Jährige. Seit ihrem ersten Album hat sie einen großen Sprung nach vorn gemacht. Vor allem dank Patentante Amy, die in ihr den Wunsch weckte, eigene Lieder zu schreiben.
Trotz der zwölf Jahre Altersunterschied entwickelte sich schnell eine enge Freundschaft zwischen Dionne Bromfield und Amy Winehouse. Beide haben viel gemeinsam. Die 16-Jährige ist wie ihre Patentante ein Scheidungskind, zu ihrem jamaikanischen Vater hat sie kaum Kontakt. Sie lebt mit ihrer Mutter Julie im Londoner Vorort Chislehurst, besuchte wie einst Amy Winehouse die renommierte Sylvia Young Theatre School. Dionne Bromfield hasst Mathe und liebt Englisch.
Schon früh nahm sie Gesangsunterricht. „Mit zehn war mir klar, dass ich Musik machen will. Singen war für mich von klein auf so normal wie sprechen“, erklärte Dionne Bromfield der „Westdeutschen Zeitung“. Ihre Mutter arbeitet seit Jahren im Musikgeschäft und ist heute noch eng mit Amy Winehouses Vater Mitch befreundet. Amy machte Dionne Bromfield bereits als Kind sehr glücklich. Sie lachte mehr als normalerweise, wenn die Soulikone zu Besuch war, deshalb bot ihre Mutter Julie Amy Winehouse überhaupt erst die Patenschaft an.
Nun muss Bromfield beweisen, dass sie im harten Musikgeschäft auch allein zurecht kommt. Sie hat die Stimme und das Talent, ein echter Hit fehlt allerdings auf dem durchweg gelungenen Album. Doch Bromfield ist noch jung, sie hat noch Zeit, eine ganz Große zu werden, ihren eigenen Stil zu prägen, aus dem Schatten von Patentante Amy herauszutreten. Und zugleich deren Andenken zu wahren.
Von unserem Reporter Christian Weihrauch