Lahnstein – Wenn der Name ganz oben auf dem Plakat in den größten Lettern steht, dann ist man der sogenannte Headliner eines Festivals. Deborah Coleman, als einzige Frau und einzige Schwarze aus dem Mutterland des Blues eingeflogen, hielt die Erwartungen beim 31. Bluesfestival in Lahnstein nicht. Der standardisierte Superlativ des neuen Moderators Arnim Töpel, wonach Coleman zwischen Tracy Chapman und Jimi Hendrix anzusiedeln sei, war ein paar Spielklassen zu hoch gegriffen.
Zu uninspiriert kam Colemans Auftritt in der Lahnsteiner Stadthalle rüber. Ihre Gitarrenkünste, für die sie in Amerika einen Preis bekommen hat, gingen im Klangmatsch unter, und ihre tolle Stimme blieb allzu häufig unter der Oberfläche. Wenn dann wenigstens noch Songs und Bühnenpräsenz gestimmt hätten ... Doch die Musik ergoss sich im Wesentlichen in zwar groovigen, aber eintönigen Improvisationen ohne Höhen und Tiefen. Irgendwie wirkte Coleman gehemmt. Eine Entertainerin ist nicht an ihr verloren gegangen.
Das war der zweite Name auf der Festivalliste schon eher. Nachdem Coleman Christian Willisohn mit gewohnter Intensität an Klavier und Stimme folgte und mit treibender Band, bei der Saxofonist Boris van der Lek und der superbe Gitarrist Titus Vollmer die Akzente setzten, das Publikum wieder auf Kurs gebracht hatten, ging sie ab, die Bluesparty.
Und die feierte verblüffenderweise eben nicht jemand aus dem Süden Amerikas, sondern aus dem Norden Europas. Thorbjørn Risager kochte eine verdammt heiße Mischung aus – ja, eigentlich aus allen Musikrichtungen, in denen der Blues irgendwann Duftmarken gesetzt hat. Jede Menge Soul programmiert dabei die Stimme des Dänen vor. Die bewegt sich zwischen dem frühen Joe Cocker, Tom Jones (!) und Ray Charles. Und hier sind die Superlative angebracht. Musikalisch pendelt die siebenköpfige Band zwischen Swing, Rhythm ‘n‘ Blues, Rock ‘n Roll und einem deftigen Schuss Rock, wenn‘s sein muss. Die Musiker sind hungrig, gehen locker ans Werk und haben Spaß.
Und an diesem Spaß lassen sie das Publikum teilhaben. Ihre Ansagen in dänisch durchtränktem Deutsch („Ich habe die Deutsche Ecke besucht“) lockern auf und machen das Septett sofort sympathisch. Nach einem solch fröhlichen Haufen leckt sich jeder Festivalmacher die Finger. Nach Berlin und Chemnitz wird Lahnstein nicht das letzte Festival sein, dass das dänische Dynamit befeuert.
So mitreißend das Lahnsteiner Festival endete, so vielversprechend hatte es auch begonnen. Die zusammengewürfelte Allstarband entwickelte endlich die Dynamik, die man von einem Eröffnungsauftritt erwartet. Auch hier musste das Publikum hinsichtlich der Bluesgeografie umdenken: Die Pfalz kennt man eben (noch) nicht als deutsche Blueshochburg.
Timo Gross und seine Band schicken sich an, diesen Missstand zu korrigieren. Klar, in Lahnstein gehört Akustikblues ins Programm. Den servierte Gross mit Resonator-Gitarre, Kontrabass und Banjo so, dass eben kein nochmaliges Einheizen vor den weiteren Programmpunkten nötig war. Denn flugs hatte Gross die E-Gitarre umgeschnallt, um mit dem vielversprechenden Lokalmatador Florian Schauren und dem Pfälzer Nachwuchsmann Johnny Rieger kräftig hinzulangen. Spätestens wenn man diese Jungen erlebt, weiß man, dass man den (leicht abgewandelten) Zappa-Satz, „Blues is not dead, it just smells funny“ (Blues ist nicht tot, er riecht nur komisch), nicht stehen lassen kann. Und als hätten die Allstars nicht schon genug Spielfreude versprüht, bekam das Publikum noch eine humorige Einlage von Stefan Stoppok geboten, sodass der folgende US-Flop zu verschmerzen war. Und die Party wartete ja eh erst am Ende.
Von unserem Redakteur Thomas Torkler