Berlin/Köln

Wie groß wird Demo der Muslime?

Von Rena Lehmann
Foto: dpa

Es soll nicht weniger als „ein mächtiges Zeichen“ der Muslime in Deutschland gegen Gewalt und Terror werden. Bis zu 10.000 Teilnehmer haben die Veranstalter für die Demonstration von Muslimen am kommenden Samstag, 17. Juni, in Köln angemeldet. Doch bisher ist die Resonanz eher bescheiden.

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Der Friedensmarsch nach den jüngsten Anschlägen von Manchester und London soll am Samstag, 17. Juni, um 13 Uhr am Kölner Heumarkt starten. Unter der Überschrift „#NichtMitUns. Muslime und Freunde gegen Gewalt“ will Initiatorin Lamya Kaddor ein deutliches Signal der friedlich in Deutschland lebenden Muslime setzen. „Wir müssen deutlich machen, dass es uns jetzt reicht“, sagte die Islamwissenschaftlerin im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Anschläge von Menschen, die sich zur Rechtfertigung auf den Islam berufen, häuften sich, so die Islamwissenschaftlerin und Autorin. Doch zufrieden ist sie mit der bisher angekündigten Beteiligung an der Demonstration noch nicht.

Inzwischen will sie lieber „bescheiden bleiben“ und hofft auf etwa 2000 Teilnehmer am Samstag. „Wenn es mehr werden, umso besser.“ Auf die Frage, wie die muslimischen Verbände auf ihr Vorhaben reagiert haben, sagt Kaddor: „Sie könnten und müssten mehr tun.“ Bisher sind nur wenige von ihnen auf der Unterstützerliste für die Demonstration zu finden. Der Zentralrat der Muslime, unter dessen Dach bis zu 20.000 Muslime deutschlandweit organisiert sind, gehört zu den Unterzeichnern. Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, hat sein Kommen angekündigt. Etwa 130 Unterzeichner, die meisten von ihnen Einzelpersonen, haben den Aufruf bisher auf der Internetseite ramadan-friedensmarsch.de unterzeichnet. Im Nachrichtendienst Twitter hatte die Seite am Montagnachmittag rund 150 Follower. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), in der deutschlandweit rund 1000 Gemeinden organisiert sind, hat sich bis zum frühen Abend nicht geäußert, ob sie die geplante Demo unterstützen will. Bisher habe man dort „zögerlich“ reagiert, berichtet Kaddor.

„Das ist schon frustrierend. Wir müssen uns jetzt endlich bewegen“, sagt die Initiatorin. Aus ihrer Sicht müssten für das Gelingen einer symbolträchtigen Protestaktion diesmal „alle in der Sache einig sein“. Die muslimischen Verbände stehen teils in Konkurrenz zueinander, es gibt sehr unterschiedliche Glaubensrichtungen und Organisationen. Mit einer Stimme zu sprechen, ist ihnen noch nie leicht gefallen, wie die jährlichen Treffen bei der sogenannten Islam-Konferenz der Bundesregierung immer wieder zeigen. Unter den Unterzeichnern finden sich bisher vor allem liberale Vertreter wie der islamische Religionspädagoge der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, grüne Bundestagsabgeordnete wie Cem Özdemir und Omid Nouripour, aber auch Vereine wie das Aktionsbündnis muslimischer Frauen oder der Verein arabischer Ärzte. Namen großer Vereinigungen wie Ditib oder auch Milli Görus fehlen.

Kaddor räumt ein, dass der Aufruf für den Friedensmarsch kurzfristig kam. Erst Ende vergangener Woche hatten sie und Mitinitiator Tarek Mohamad die Demonstration angemeldet. Damit der Schulterschluss möglichst vieler Muslime gelingt, soll auf Flaggen und Banner von Organisationen bei der Demonstration verzichtet werden.

In der vergangenen Woche, nach der Terrorwarnung beim Musikfestival Rock am Ring in der Eifel und dem Terroranschlag in London, mehrten sich auch in Deutschland Stimmen, die sich ein deutlicheres Signal als bislang gegen den Terror wünschten. Konzertveranstalter Marek Lieberberg hatte nach der Terrorwarnung gesagt, er wolle „endlich mal Demos sehen, die sich gegen die Gewalttäter richten“. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte gefordert: „Die Islamverbände müssen eine klare Haltung zeigen.“

In dem Aufruf zur Demonstration heißt es nun: „Wenn wir Muslime diese Absage an Terror und Gewalt bekunden, tun wir das nicht, um irgendjemandem zu gefallen.“ Muslime müssten sich nicht von den Gewalttätern distanzieren. „Um sich zu distanzieren, müsste es vorher eine Nähe zu diesen Verbrechern gegeben haben. Aber wir Muslime haben keine inhaltliche, keine geistige, keine emotionale Nähe zu IS-Terroristen, zu Al-Kaida-Kämpfern oder Boko-Haram-Rebellen.“ Um mit Plakaten für die Demo zu werben, bleibt Kaddor keine Zeit. Sie hofft darauf, dass in den Moscheegemeinden auf die Veranstaltung hingewiesen wird – und darauf, dass viele kommen.

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann