Berlin

Werden Impfschwänzer bestraft? SPD-Experte Karl Lauterbach will gegen Terminausfälle vorgehen

Die Stühle im Impfzentrum bleiben leer: Viele Menschen sagen ihren Termin ab, manche erscheinen einfach nicht.
Die Stühle im Impfzentrum bleiben leer: Viele Menschen sagen ihren Termin ab, manche erscheinen einfach nicht. Foto: dpa

Angesichts nicht wahrgenommener Corona-Impftermine werden Forderungen laut, die Schwänzer an den Kosten der Kampagne zu beteiligen. „Es wäre richtig, wenn es eine Strafe gäbe für diejenigen, die nicht einmal ihren Termin absagen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der „Bild am Sonntag“. „Denn diese Terminausfälle führen dazu, dass wir langsamer impfen, als wir könnten, und dass wir Impfstoff wegwerfen müssen.“

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Ähnlich wie Lauterbach äußerte sich der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU). Impftermine verfallen zu lassen, sei rücksichtslos und ein Schlag ins Gesicht aller, die noch auf den knappen Impfstoff warteten. „Wer nur zu bequem ist, zum Hörer zu greifen oder mit wenigen Klicks einen Termin abzusagen, sollte für die angefallenen Ausfallkosten aufkommen müssen.“

Der Präsident des Berliner Roten Kreuzes (DRK), Mario Czaja, hatte die Debatte angestoßen und Bußgelder von 25 bis 30 Euro vorgeschlagen. Seinen Angaben zufolge werden in Berliner Impfzentren inzwischen 5 bis 10 Prozent der Termine nicht wahrgenommen. Vermutet wird, dass Menschen Termine verstreichen lassen, weil sie im Urlaub sind, weil sie die Corona-Gefahr als nicht mehr so hoch einschätzen oder weil sie inzwischen einen früheren Termin bei einem Betriebsarzt oder in einer Praxis bekommen haben.

Laschet findet Bußgeld falsch

Der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) lehnt die Bußgeldidee ab: „Solidarität erzwingt man nicht durch Strafen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Jeder, der einen Termin nicht wahrnehmen könne oder schon woanders eine Impfdosis erhalten habe, solle durch eine Nachricht an das Impfzentrum Platz für andere Impfwillige schaffen, forderte er allerdings auch.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, äußerte sich ebenfalls skeptisch. „Mit Bußen wird keine Akzeptanz gefördert“, sagte er der „BamS“. Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, schloss sich dem an: Das Drohen mit einer Strafzahlung werde Menschen eher von einer Impfung abschrecken. Es gehe vielmehr darum, noch Unentschlossene zu überzeugen. „Das geht mit mobilen Impfteams, die in der Fläche Menschen wohnortnah aufklären und impfen. Und mit Impfanreizen“, so Aschenberg-Dugnus.

Einen solchen Weg will das DRK in Sachsen gehen: Es wird an einem Bonussystem gearbeitet, um die Impfbereitschaft hochzuhalten. Wer ins Impfzentrum kommt, soll Rabatte für Dienstleistungen oder Produkte bekommen. Sachsen bietet mittlerweile unter anderem spontanes Impfen ohne Termin an. Auf Kreisebene gibt es solche Angebote auch in anderen Bundesländern. Niedersachsen hatte angekündigt, dass voraussichtlich ab kommender Woche ohne Wartelisten geimpft werde.

Nach monatelanger Impfstoffknappheit ist nach Einschätzung der Bundesregierung inzwischen eine neue Phase erreicht: Das Angebot beginnt die Nachfrage zu übersteigen. Die Regierung hatte deshalb auch ihr Impfversprechen, wonach jeder, der wolle, bis Ende des Sommers ein Impfangebot bekommen könne, zuletzt auf Ende Juli vorgezogen.

Doch selbst bei Sonderimpfaktionen sinkt die Nachfrage, wie ein Beispiel aus dem Kreis Ahrweiler zeigt. In Grafschaft-Gelsdorf sollten am Samstag gut 2200 Menschen mit dem Einmalimpfstoff von Johnson und Johnson geimpft werden. Angemeldet hatten sich aber nur knapp 1000. Erst als die Behörden die Aktion auch für Impfwillige aus anderen Kreisen und Bundesländern öffneten, füllten sich die Terminlisten.

Herbst stimmt die Bürger skeptisch

Mit Blick auf den Herbst sind die Bürger skeptisch, was die Corona-Lage in Deutschland angeht. 76 Prozent rechnen mit steigenden Infektionszahlen, 74 Prozent gehen von einer erneuten Verschärfung der Maßnahmen gegen die Pandemie aus. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Die lang anhaltende Tendenz kontinuierlich sinkender Corona-Zahlen ist unterdessen erst einmal beendet.