Trumps Alleingang gegen den Iran: US-Präsident macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

Von Claus Ambrosius
Trumps Alleingang gegen den Iran Foto: dpa

Fünf Jahre ist es her, dass sich die Islamische Republik Iran nach zwölf Jahre andauernden Verhandlungen mit den Vereinten Nationen, den USA und der EU auf ein Atomabkommen geeinigt hat. Der Deal: Der Iran fährt nukleare Aktivitäten herunter, beruhigt so die Gemüter, die eine Atomwaffe in der Hand des klerikal geführten Staates fürchten – und erhält im Gegenzug dafür die Aufhebung bestehender Sanktionen der Vertragspartner.

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Das vor allem von den Europäern herbeigeführte Abkommen wurde 2015 gefeiert – die Gefahr eines neuen Krieges in der Golfregion schien gebannt, prompt lief seit Anfang 2016 der Handel mit dem Iran an. Die Hoffnung auf eine Öffnung der nach der Revolution von 1979 lange abgeschotteten Islamischen Republik war inner- wie außerhalb des Landes groß.

Doch auf den kurzen Frühling folgte rasch die Ernüchterung in Form der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November 2016. Sein Anti-Iran-Kurs verschreckte internationale Investoren bereits, bevor die USA einseitig das Atomabkommen im Mai 2018 aufkündigten – obwohl sich der Iran laut Internationaler Atomenergie-Organisation an alle Vereinbarungen gehalten hatte.

Seither versuchten die verbleibenden Partner des Abkommens recht vergeblich, das Abkommen am Leben zu erhalten: Im Angesicht US-amerikanischen Drucks auf jeden, der geschäftlich im Iran präsent bleiben wollte, erwies sich auch eine geldflusslose „Tauschbörse“ für Geschäfte mit dem Iran als unpraktikabel.

Eine Zugabe ihres Alleingangs servierten die Vereinigten Staaten im August mit dem „Snapback“: Der im Atomabkommen implementierte Mechanismus sieht vor, dass binnen 30 Tagen umfassende UN-Sanktionen gegen den Iran wieder „zuschnappen“, wenn einer der Unterzeichnerstaaten die Nichterfüllung der Vertragsvereinbarungen durch den Iran anzeigt. Die Begründung der US-Seite: Sie sei ein Unterzeichnerstaat, und der Iran halte sich nicht mehr an Quoten zur Urananreicherung.

Wie aber kann ein Staat sich erdreisten, bei einem Abkommen mitreden zu wollen, das er selbst aufgekündigt hat? Die verbliebenen Vertragspartner lehnen den US-Vorstoß als unbegründet ab, 13 von 15 Mitgliedern des Weltsicherheitsrates weisen ihn zurück.

Diese diplomatische Vollkatastrophe hinderte die Trump-Administration nicht daran, am Wochenende mitzuteilen: Ihrer Auffassung nach sind die alten UN-Sanktionen wieder in Kraft. Und: Unverhüllt drohen die USA damit, ihrerseits alle Staaten mit Sanktionen zu belegen, die sich nicht entsprechend verhalten. US-Außenminister Mike Pompeo fordert bereits gezielt Deutschland, Großbritannien und Frankreich zur Umsetzung der Strafmaßnahmen auf.

Die Drohung eines Abstrafens von Staaten, die nicht nach dem Willen der USA handeln, sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen: Schon in der Vergangenheit haben die USA Unternehmen und Banken mit Strafzahlungen und Blockaden auf dem amerikanischen Markt belegt, die mit dem Iran in Geschäftsbeziehung standen. In der Bugwelle dieses Faustrechts haben internationale Firmen, auch viele deutsche, den Iran verlassen. Während der Corona-Krise, die den Iran mit gewaltiger Wucht trifft, haben die USA ihre Sanktionen mehrfach verstärkt – so gesehen ist das lächerlich begründete Ziehen der „Snapback“-Karte nur ein Dominostein in einer langen Reihe.

Hauptleidtragender ist dabei die iranische Bevölkerung. Die Landeswährung Rial hat binnen einem Jahr zwei Drittel ihres Werts eingebüßt. Und dass die iranische Führung auf den Westen kompromissbereiter zugehen könnte, scheint wegen im kommenden Jahr anstehenden Nationalwahlen ausgeschlossen. Alle bleiben beschädigt zurück

Es gibt politisch genug gute Gründe, eine atomare Bewaffnung des Iran verhindern zu wollen. Dies allerdings durch eine Sanktionspolitik der maximalen Härte durchziehen zu wollen, die im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen mit hanebüchenen Aktionen wie dem „Snapback“ begründet werden sollen, isoliert eher die USA als den Iran. Trump ist dies vermutlich egal, womöglich muss man schon froh sein, wenn er aus Angst vor einer Wahlniederlage nicht doch noch in letzter Minute einen Krieg vom Zaun bricht. Jegliches Vertrauen in die Verbindlichkeit US-amerikanischer Vereinbarungen allerdings ist nachhaltig zerstört. Und das nicht nur im Mittleren Osten, sondern auch unter langjährigen treuen Bündnisgefährten.

Eine Analyse von unserem Kulturchef Claus Ambrosius