New York/Washington

Trump in Not? Abgründe eines Präsidenten

Von Maren Hennemuth
Weist alle Vorwürfe zurück, etwas mit den Verfehlungen seines Ex-Wahlkampfmanagers Paul Manafort (links) oder seines Ex-Anwalts Michael Cohen zu tun zu haben: US-Präsident Donald Trump.
Weist alle Vorwürfe zurück, etwas mit den Verfehlungen seines Ex-Wahlkampfmanagers Paul Manafort (links) oder seines Ex-Anwalts Michael Cohen zu tun zu haben: US-Präsident Donald Trump. Foto: Jens Weber

Das Schuldeingeständnis seines Ex-Anwalts Michael Cohen und das Urteil gegen seinen Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort bringen Trump in Bedrängnis.

Lesezeit: 3 Minuten
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Es war Tag 579 in Donald Trumps Präsidentschaft. Dieser denkwürdige Dienstag war einer der schlechtesten Tage, die der 45. Präsident der Vereinigten Staaten im Amt erlebt hat. Sein ehemaliger Anwalt und Vertrauter Michael Cohen zog den Präsidenten mit einem eigenen Schuldeingeständnis in den Sog möglicher Kriminalität – und lässt ein Amtsenthebungsverfahren damit nicht mehr nur als theoretisches Konstrukt erscheinen.

Cohen, von hart ermittelnden Staatsanwälten in New York in die Enge getrieben, musste vor Gericht neben einer Reihe weiterer Straftaten zugeben, dass er Schweigegeld an zwei Frauen gezahlt hat. Nebenbei erwähnte er, dass er dies im Herbst 2016 getan hat, um Schaden vom Wahlkampf eines Kandidaten abzuhalten, der damals für ein Bundesamt kandidierte. Und dass dieser Kandidat eingeweiht und beteiligt gewesen sei.

Die Empfängerinnen des Schweigegeldes waren – das geht schon allein aus den gezahlten Summen hervor – Ex-Pornostar Stormy Daniels und das frühere Playmate Karen McDougal. Beide geben an, mit Donald Trump Affären gehabt zu haben. Der „Kandidat“ kann niemand anders als Donald Trump selbst sein. Der Präsident steht mit einem Mal im Verdacht, sich an einer Straftat – nämlich der illegalen Wahlkampffinanzierung – beteiligt zu haben. Dass sein früherer Wahlkampfmanager Paul Manafort, den Trump selbst als „guten Mann“ bezeichnet, praktisch zeitgleich in acht Anklagepunkten wegen Bank- und Steuerbetrug schuldig gesprochen wird und womöglich für den Rest seines Lebens ins Gefängnis muss, verkommt fast zur Randnotiz.

Völlig offen ist, was Cohen noch alles weiß – und im Zweifel bereit ist preiszugeben. Vor Monaten rühmte sich Cohen noch, er sei sogar bereit, eine Kugel abzubekommen, wenn er Trump damit schützen kann. Jetzt arbeitet das Trump-Lager hart daran, Cohen als Lügner zu diskreditieren.

Die Demokraten nehmen den Ball dankbar auf. Senatorin Elizabeth Warren sagte, dass es jetzt darum gehen muss, Sonderermittler Robert S. Mueller weiterarbeiten zu lassen und ihn davor zu schützen, von Trump entlassen zu werden. Über ein Amtsenthebungsverfahren wollte sie noch nicht reden. Den Demokraten geht es offenbar darum, so viele Puzzleteile wie möglich zu sammeln. Trumps Ex-Berater Stephen Bannon prophezeit: „Die Wahlen im November werden zu einem Referendum über ein Amtsenthebungsverfahren.“

Cohen trägt einen dunklen Anzug und eine goldene Krawatte, als er am Dienstag im Gerichtssaal sitzt und zuhört, wie der Richter die Bedingungen einer einvernehmlichen Absprache mit der Staatsanwaltschaft vorträgt. Der 51-Jährige bekennt sich in mehreren Punkten schuldig. Neben den Verstößen gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung geht es dabei um Steuerhinterziehung und Bankbetrug. „Schuldig, Euer Ehren“, sagt Cohen immer wieder. Er erklärt, er habe das Schweigegeld gezahlt, um Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Am Ende der Anhörung muss Cohen seinen Reisepass abgeben. Er zahlt 500.000 Dollar Kaution, das Urteil soll im Dezember folgen.

Trump und sein Umfeld haben zuletzt verschiedene Darstellungen zur Zahlung an Stormy Daniels abgegeben. Im April verneinte der Präsident eine Frage, ob er über die Zahlung an Daniels informiert war. Er wisse auch nicht, woher das Geld gekommen ist. Auf die Frage, warum sein Anwalt das Geld gezahlt habe, sagte Trump: „Das müssen Sie Michael Cohen fragen.“ Im Mai erklärte Trumps Anwalt Rudy Giuliani, der Republikaner habe Cohen entschädigt, nachdem dieser die 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin gezahlt habe. Die Zahlungen seien nach dem Wahlkampf von einem „persönlichen Familienkonto“ Trumps an Cohen gegangen. Am Dienstag sagt Giuliani, in den Anklagen gegen Cohen würden keine Vorwürfe gegen den Präsidenten erhoben.

Trump betont vor einem Wahlkampfauftritt in West Virginia, dass Manaforts Verfahren nichts mit den Russland-Ermittlungen zu tun hat. Im Kern nicht. Das stimmt. Sonderermittler Robert S. Mueller untersucht, ob es bei den mutmaßlich russischen Einflussversuchen auf die Präsidentschaftswahl 2016 geheime Absprachen mit Trumps Wahlkampflager gab. Aber die Vorwürfe gegen Manafort haben sich aus Muellers Ermittlungen ergeben, und es war der erste Prozess, der dabei zustandekam. Auch im Fall von Cohen bekamen die Ermittler den Tipp von Muellers Team.

Trump erwähnt bei seinem Wahlkampfauftritt weder Cohen noch Manafort. Er versucht, bei seinen jubelnden Anhängern mit einer deregulierten Energiepolitik und dem Zurückschrauben von Barack Obamas Klimapolitik zu punkten. In West Virginia gelingt das.

Von Maren Hennemuth, Helen Corbett und Michael Donhauser

Kommentar: Ein politisch krankes Amerika kann Trump nicht stoppen

Es gibt am Tag nach dem Geständnis von Donald Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die Stellungnahme des New Yorker Staatsanwalts Robert Khuzami vor laufenden Kameras zum Fall Cohen ist ein Ausrufezeichen der amerikanischen Demokratie, eine deutliche Kampfansage der US-Justiz an die Cohens, Manaforts und auch die Trumps, die sich gern über das Gesetz stellen. „We are a nation of laws. The rule of law applies“, sagte Khuzami. Die USA sind eine Nation, die auf Gesetzen basiert, die regiert wird auf der Basis des Rechts, in der niemand über dem Gesetz steht.

Wer das wie Cohen oder Trumps Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort missachtet, der wird bestraft. In den Augen des Staatsanwalts ist dies ein Indiz dafür, dass die Justiz für Gerechtigkeit sorgt. Man sollte es vorsichtiger formulieren: Der Fall Cohen zeigt, dass die Gewaltenteilung in den USA trotz aller Angriffe lebt und dass auch Trump daran bislang nichts geändert hat. Die USA sind eben mehr als Trump. Sie sind wehrhaft und vielschichtig.

Die schlechte Nachricht ist jedoch: Die amerikanische Demokratie ist politisch so krank, dass sich ihre Repräsentanten kaum noch gegen die zunehmende Aushöhlung durch Donald Trump zur Wehr setzen können. Die Republikaner werden mindestens bis zur Kongresswahl im November stillhalten, weil der Faktor Trump beim Urnengang unkalkulierbar ist. Das gilt auch für die Demokraten, die eine erneute Anti-Trump-Kampagne unbedingt vermeiden werden. Trump stoppen könnte letztlich nur eine breite Mehrheit in der politischen Mitte aus beiden Lagern.

Doch diese Schnittmenge gibt es kaum noch in den politisch so tief polarisierten USA. Und Trump treibt diese Spaltung jeden Tag weiter voran. Seine Macht wird dies weiter stärken.

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