Elmau

Treffen der G7-Staaten: Die glorreichen Sieben

Von Jan Drebes, Kerstin Münstermann
Italiens Ministerpräsident Draghi, Kanadas Premier Trudeau, Frankreichs Präsident Macron, Bundeskanzler Scholz, US-Präsident Biden, der britische Premier Johnson und Japans Premier Kishida rücken zusammen.
Italiens Ministerpräsident Draghi, Kanadas Premier Trudeau, Frankreichs Präsident Macron, Bundeskanzler Scholz, US-Präsident Biden, der britische Premier Johnson und Japans Premier Kishida rücken zusammen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Olaf Scholz steht allein im Schlossgang. Der Kanzler wartet auf den prominentesten Gast beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau: US-Präsident Joe Biden. Dieser war schon am Vorabend eingetroffen, doch erst am Sonntagmorgen steht ein bilaterales Treffen zwischen den beiden auf dem Programm. Scholz geht etwas nervös auf und ab. Dann kommt der Präsident. Und startet das Treffen gleich mit einem Kompliment.

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„Sie haben einen unglaublichen Job gemacht“, sagt Biden. „Ich möchte Ihnen dafür danken.“ Der US-Präsident betont: „Wir müssen zusammenbleiben.“ Der russische Präsident Wladimir Putin habe damit gerechnet, dass die G7 und die Nato gespalten würden. Das sei nicht geschehen und werde auch nicht geschehen. Biden legt Scholz den Arm mal auf den Rücken, mal auf den Arm. „Danke, danke, danke“, sagt der US-Präsident. Scholz strahlt.

Kurze Zeit später verlassen er und seine Frau Britta Ernst das Hotel. Sie empfangen die anderen Gäste einzeln vor der Bergkulisse am roten Teppich für einen Fototermin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommt zu ihnen, allerdings ohne ihren Mann, der mit einer Corona-Infektion zu Hause bleiben musste. Der britische Premier Boris Johnson stürmt mit seiner Frau nach draußen, zieht sie beinahe die wenigen Stufen hinab. Ganz anders: Justin Trudeau, der kanadische Premier. Er lächelt, läuft lässig, grüßt unterwegs die Fotografen, auch US-Präsident Joe Biden kommt mit einem makellosen Lächeln den Teppich entlang.

„Wir müssen zusammenbleiben.“

US-Präsident Joe Biden traf Bundeskanzler Olaf Scholz im Rahmen des G7-Gipfels zu einem bilateralen Gespräch.

Als Letzter kommt Emmanuel Macron gemeinsam mit seiner Frau Brigitte aus dem Hotel. Sie scherzen zusammen mit Scholz und Ernst auf dem Weg zur ersten kurzen G7-Gesprächsrunde. Unmittelbar daneben: die berühmte Bank, auf der 2005 der damalige US-Präsident Barack Obama mit ausgebreiteten Armen saß und einer angeregt gestikulierenden Kanzlerin Angela Merkel lauschte, die vor ihm stand. Jetzt bleibt sie leer.

Es geht harmonisch zu bei diesem Gipfelauftakt. Und trotz der schweren Krisen, über die es zu sprechen gilt, fehlen kleine Witzeleien am Rande auch nicht. Es ist heiß am Berg. „Jacken an? Jacken aus?“, fragt der britische Premierminister Johnson. Trudeau schlägt vor, bis zum wichtigsten Bildtermin, dem traditionellen „Familienfoto“, der Runde zu warten.

Doch Johnson insistierte: „Wir müssen zeigen, dass wir stärker als Putin sind.“ Trudeau hakt da ein und witzelt, die Runde solle sich wie Putin 2009 beim „Reiten mit nacktem Oberkörper“ ablichten lassen. Ohne auf die Bekleidungsfrage einzugehen, sagt darauf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die eine leidenschaftliche Reiterin ist: „Reiten ist das Beste.“ Johnson lässt aber nicht locker und fordert: „Wir müssen ihnen unsere Bauchmuskeln zeigen.“ Alle strahlen, die Stimmung ist nach den ersten Arbeitssitzungen gut.

Die Weltlage ist es nicht, die Nachrichten am Morgen aus der Ukraine sind erschütternd. Erstmals seit drei Wochen war die ukrainische Hauptstadt Kiew von der russischen Armee wieder mit Raketen beschossen worden. Nach massiven Raketenangriffen in vielen anderen Regionen gab es am Sonntagmorgen auch in der Millionenmetropole mehrere Explosionen. Getroffen wurden auch ein neunstöckiges Wohnhaus und das Gelände eines Kindergartens. Die Behörden meldeten mindestens einen Toten sowie Verletzte. Zuvor war es Russland nach wochenlangem Kampf schon gelungen, die Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine unter Kontrolle zu bringen.

Scholz geht am Mittag bei einem Statement auf die neuen Angriffe ein: „Dass es ein brutaler Krieg ist, den Putin führt, haben wir jetzt wieder mitbekommen, mit Raketenangriffen auf Häuser in Kiew“, sagt Scholz. „Das zeigt, dass es richtig ist, dass wir zusammenstehen und die Ukrainerinnen und Ukrainer dabei unterstützen, ihr Land, ihre Demokratie und auch ihre Freiheit auf Selbstbestimmung zu verteidigen“, sagt der Kanzler. Man könne sicher sagen, dass Putin nicht damit gerechnet habe und ihm die große internationale Unterstützung für die Ukraine, aber natürlich auch der Mut und die Tapferkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Verteidigung ihres Landes unverändert Kopfschmerzen bereite, sagt Scholz.

„Wir müssen ihnen unsere Bauchmuskeln zeigen.“

Trotz der ernsten Lage ist beim G7-Gipfel Zeit zum Scherzen, wie der britische Präsident Boris Johnson zeigt.

Am frühen Abend dann gibt es ein starkes Signal: Scholz kündigt eine weltweite Initiative für Infrastrukturinvestitionen der G7 an. Biden habe dies angestoßen. Damit sollen Investitionen etwa für Klimaschutz, im Energiesektor und im Gesundheitsbereich ermöglicht werden. Insgesamt soll die Initiative 600 Milliarden Dollar umfassen.

Allein die USA werden 200 Milliarden Dollar an öffentlichen und privaten Mitteln bereitstellen, das „Team Europe“ will 300 Milliarden Euro geben. Diese Summe aus staatlichem und privatem Geld sei bis 2027 vorgesehen, sagt von der Leyen. Mit den zusätzlichen Investitionen wollen die G7-Demokratien dem wachsenden Einfluss von China und Russland und anderen autokratischen Staaten in den Entwicklungsländern entgegentreten.

Kommentar: Scholz muss zum Gipfelstürmer werden

Olaf Scholz ist erstmals als Bundeskanzler Gastgeber bei einem großen internationalen Gipfel. Die „Gruppe der Sieben“, der wirtschaftsstärksten Demokratien, ist beim deutschen Regierungschef zu Gast – in den malerischen bayerischen Alpen.

Die Staats- und Regierungschefs der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Kanadas und Japans sind nach Elmau gereist, ebenso wie EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zudem hat Scholz fünf Gastländer eingeladen: Indonesien, Indien, Südafrika, Senegal und Argentinien. Das Bild, als Angela Merkel als Kanzlerin und der damalige US-Präsident Barack Obama vor Schloss Elmau praktisch die Welt umarmten, ist Geschichte. Die Welt war auch 2015 nicht heil – damals waren wegen der Annexion der Krim aus den G8 bereits die G7 geworden, Russland war schon nicht mehr dabei.

Doch nun droht nicht nur die Gefahr eines Weltkriegs, sondern auch einer gewaltigen Hungersnot. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Welt im Februar aus den Angeln gehoben – es muss den G7 nun vor allem darum gehen, nicht die Deutungshoheit zu verlieren. Russland umwirbt derzeit verstärkt die größte Demokratie der Welt, Indien, schon mit ziemlichem Erfolg. Leider.

Mit der Einladung an Südafrika und Indien etwa versucht Scholz, diese nicht in die Hände Russlands und Chinas abgleiten zu lassen, sondern sie als Verbündete zu gewinnen. Scholz muss eine Strategie der G7 schmieden und Widersprüche erklären. Denn zum einen will Scholz den von ihm initiierten Klimaklub international weiterschmieden – gleichzeitig bemühen sich seine Berater darum, rund um den Globus fossile Energien für Deutschland zu gewinnen. Diesmal kann es auf keinen Fall nur bei einem ikonischen Bild mit Alpenpanorama bleiben.

E-Mail: kerstin.muenstermann@rhein-zeitung.net

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