Washington

Szenen einer Beziehungskrise

Szenen einer Beziehungskrise Foto: dpa

Es begann mit einem Clinch hinter den Kulissen. Harry Truman musste George Marshall überstimmen, seinen Außenminister, der fürchtete, eine Anerkennung Israels könnte die arabische Welt gründlich verprellen. Dann ging alles sehr schnell.

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Von unserem USA-Korrespondenten Frank Herrmann

In Tel Aviv proklamierte David Ben-Gurion die Unabhängigkeit, in Washington unterschrieb der US-Präsident nahezu zeitgleich eine Note, mit der sein Land den neuen Staat respektierte, so rasch, dass Truman die maschinengeschriebenen Worte „Jewish State“ durch ein handschriftliches „State of Israel“ ersetzte, statt den Bogen korrigiert noch einmal abtippen zu lassen. Seitdem ist das Bündnis mit Israel so etwas wie amerikanische Staatsdoktrin. Eine Konstante, eine Sache für „bipartisanship“, Konsens über Parteigrenzen hinweg. So heftig Demokraten und Republikaner über andere Themen stritten, übers Schuldenlimit oder die Einwanderungspolitik, in diesem Punkt waren sie sich ausnahmsweise einig. Und einmal im Jahr dient die Konferenz der Lobbygruppe Aipac, des American Israel Public Affairs Committee, einzig dem Zweck, den Schulterschluss zu feiern. Diesmal ist das anders, diesmal wird das am Sonntag beginnende Aipac-Treffen überschattet vom Tauziehen um eine Rede.

Wenn Benjamin Netanjahu am morgigen Dienstag vor beiden Kammern des Kongresses spricht, tut er es gegen den erklärten Willen der Regierung Barack Obamas. Eingeladen hat ihn John Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses. Der israelische Premier wird davor warnen, in den Atomgesprächen mit Teheran Kompromisse zu akzeptieren, die man später bereut. In Konservativen wie Boehner, der gegen einen „schlechten Deal“ wettert, der „den Weg zu einem nuklearen Iran ebnet“, hat er treue Verbündete. Susan Rice wiederum, Obamas Sicherheitsberaterin, wählte ungewohnt scharfe Worte, als sie Netanjahu in einem TV-Interview vorwarf, das amerikanisch-israelische Verhältnis durch eine parteiische Allianz mit den Republikanern über Gebühr zu belasten. „Ich denke, das ist zerstörerisch für das Gewebe dieser Beziehung.“

Anfang Februar hatte Obama noch durch die diplomatische Blume zu verstehen gegeben, dass er es für unangemessen hält, wenn ein ausländischer Regierungschef zwei Wochen vor der Wahl im eigenen Land die große Washingtoner Bühne nutzt, um sich in Szene zu setzen. Mittlerweile geht es um die Substanz, mittlerweile ist nur noch Klartext zu hören. Netanjahu, mahnt die Administration, möge den Amerikanern in der delikaten Schlussphase der Nuklearverhandlungen das Heft des Handelns allein überlassen, statt mit Störmanövern dazwischenzufunken.

Im Kern dreht sich alles um die Frage, ob die Ajatollahs Vertrauen verdienen, ob sie Paragrafen einhalten oder aber Abmachungen nur als Tarnung benutzen, um sich aus der Zwangsjacke der Sanktionen zu befreien und insgeheim dennoch an Atombomben zu basteln. Während Netanjahu sie, im Einklang mit etlichen Republikanern, skeptisch beantwortet, setzen Obamas Strategen auf rationales Denken in Teheran. Ein Vertrag, der die iranische Urananreicherung zwar nicht verbiete, wohl aber eindämme und kontrolliere, sei besser als jede realistische Alternative, sagt Außenminister John Kerry. „In Netanjahus Maximalzielen sieht das Weiße Haus Realitätsferne, ja Fantasterei“, kommentiert es der Außenpolitikveteran David Ignatius in der „Washington Post“.

Dass die Chemie zwischen Obama und Netanjahu nicht stimmt, weiß man seit Langem. Wie gereizt der Ton inzwischen ist, illustrierte im Herbst ein Essay des Magazins „Atlantic“. Netanjahu sei „chickenshit“ („Hühnerscheiße“), zitiert er einen anonymen Regierungsvertreter, er sei kein Yitzhak Rabin, kein Ariel Scharon, kein Menachem Begin, sondern ein Feigling, der einer Aussöhnung mit den Palästinensern ausweiche, weil ihm der politische Mut fehle. 2012 ließ der Israeli deutlich durchblicken, dass er lieber Mitt Romney im Oval Office sähe, den Freund, mit dem er einst als Firmenberater der Boston Consulting Group zusammenarbeitete. Obama hat es ihm übelgenommen.

Die Iran-Kontroverse indes vor allem auf Persönliches zu reduzieren, hält Aaron David Miller, ein alter Hase nahöstlicher Verhandlungen, für falsch. Amerika, sagt er, könne mit seiner komfortablen geografischen Lage nun mal mit einem größeren Maß an Unsicherheit leben, an Ungewissheit über Teherans nukleare Ambitionen. Anders als die Israelis, die sich eine solche Fehlertoleranz nicht leisten könnten.