Mainz/Stuttgart/Magdeburg

Supersonntag: fast eine kleine Bundestagswahl

Wahlurne
Wahltag 9. Juni: Das kostet die Demokratie Foto: Redweb SystemUser/styleuneed - Fotolia

Drei Landtagswahlen an einem Sonntag – das ist fast schon eine kleine Bundestagswahl. In den USA würde man von einem „Super Sunday“ sprechen.

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Von Ulrich Steinkohl

Wirklich super dürften die Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt aber nur für eine Partei werden: Die AfD profitiert von der Flüchtlingskrise. Im Südwesten zeichnet sich immerhin auch ein Triumph der Grünen ab, während SPD und CDU mit herben Verlusten in allen drei Ländern rechnen müssen. Die Wahlen sind ein wichtiger Stimmungstest für die Große Koalition und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die in Umfragen rapide an Ansehen verloren hat. In Stuttgart hofft der einzige Ministerpräsident der Grünen auf eine Wiederwahl. In Mainz kämpft die seit 25 Jahren regierende SPD gegen den Machtverlust. In Sachsen-Anhalt könnte es eine Fortsetzung der CDU-SPD-Koalition geben.

Voriges Jahr war nur in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen gewählt worden. Der große Flüchtlingszustrom setzte erst später ein. Im ARD-„Deutschlandtrend“ von Anfang Februar büßte die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Merkel bei den Sympathiewerten gegenüber dem Vormonat 12 Punkte ein und kam nur noch auf 46 Prozent – der schlechteste Wert seit August 2011. 81 Prozent der befragten Bürger fanden, die Bundesregierung habe die Situation nicht im Griff.

Leichter Zuwachs für Merkel

Merkel legte aber in einer YouGov-Umfrage in der Wählergunst wieder etwas zu. Demnach waren Anfang März 37 Prozent der Befragten sehr zufrieden oder eher zufrieden mit der Arbeit der Kanzlerin, im Vergleich zu 32 Prozent im Vormonat. Die Asylpolitik dürfte sich auch in den Ergebnissen vom 13. März niederschlagen.

In allen drei Bundesländern sind der Flüchtlingszustrom aus dem Süden und die damit verbundenen Probleme das dominierende Wahlkampfthema. Insgesamt sind rund 12,7 Millionen Bürger zur Wahl aufgerufen: in Baden-Württemberg rund 7,7 Millionen, in Rheinland-Pfalz rund 3,1 und in Sachsen-Anhalt rund 1,9 Millionen.

Baden-Württemberg wird seit 2011 von einer bisher einzigartigen grün-roten Koalition unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) regiert, Rheinland-Pfalz von einer rot-grünen Koalition unter Malu Dreyer (SPD) und Sachsen-Anhalt von einem schwarz-roten Bündnis unter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Winfried Kretschmann wird vom jenseits der Landesgrenzen weithin unbekannten CDU-Fraktionschef Guido Wolf herausgefordert, Dreyer von der auch bundesweit profilierten CDU-Landesvorsitzenden Julia Klöckner. Für Haseloff könnte am ehesten noch Linke-Fraktionschef Wulf Gallert gefährlich werden.

Blick nach Hessen

Einen Vorgeschmack auf den großen Wahlsonntag lieferten eine Woche davor die hessischen Kommunalwahlen. Die AfD konnte sich nach Trendergebnissen mit 13,2 Prozent hinter CDU und SPD als drittstärkste Kraft im Land etablieren. Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier machte die Uneinigkeit der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik mitverantwortlich.

Die AfD wird damit zum Unsicherheitsfaktor für die Regierungsbildung. ARD-„Deutschlandtrend“ und ZDF-„Politbarometer“ sagen der AfD Werte von 17 bis 19 Prozent in Sachsen-Anhalt, 11 bis 13 Prozent in Baden-Württemberg und 9 bis 10 Prozent in Rheinland-Pfalz voraus. In Baden-Württemberg liegt die AfD damit gleichauf mit der SPD, die die Umfragen bei nur 12,5 bis 13 Prozent sehen. In Sachsen-Anhalt schneidet die AfD sogar besser als die SPD ab.

Wie der SPD droht in Baden-Württemberg auch der CDU ein Desaster. Die Umfragen sehen sie bei 28 bis 30 Prozent – das wäre das schlechteste Landtagswahlergebnis in ihrer einstigen Hochburg. Dort könnten nach den Zahlen von ARD und ZDF die Grünen 32 bis 33,5 Prozent holen und damit erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland werden. Eine Kooperation mit der AfD haben die etablierten Parteien in Stuttgart, Mainz und Magdeburg ausgeschlossen. Nach derzeitigem Stand würde es in Baden-Württemberg nicht für eine Neuauflage von Grün-Rot reichen, in Rheinland-Pfalz würde Rot-Grün abgewählt. Und auch in Sachsen-Anhalt könnte es für Schwarz-Rot eng werden. Im Herbst finden noch zwei weitere Landtagswahlen statt: am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern und am 18. September in Berlin.

Familienunternehmer warnen davor, AfD zu wählen

Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt warnen Familienunternehmer vor Stimmen für die AfD. Es gebe zwar Gründe, die Bundesregierung zu kritisieren. „Doch diese Partei missbraucht die Ängste vieler Menschen, um nach und nach das Wertegerüst unserer Gesellschaft der Erosion preiszugeben“, sagte der Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“, Lutz Goebel. „Da wollen wir Familienunternehmer nicht einfach zuschauen.“ Goebel rief die Bürger auf, wählen zu gehen.

„Wer nicht wählt, wählt indirekt die AfD und damit eine Partei, die das Schießen auf Flüchtlinge für legitim erklärt“, sagte er. Angesichts einer stetig sinkenden Wahlbeteiligung forderte Goebel eine Mindestwahlbeteiligung. „Es ist bedrückend, dass nicht mal mehr jeder Zweite zur Wahl geht“, sagte der Manager, der ein Krefelder Maschinenbauunternehmen führt. „Wenn weniger als die Hälfte der Bürger wählt, also die Zukunft ihrer Region aktiv gestaltet, sind die Ergebnisse nicht repräsentativ.“ Wenn das notwendige Quorum nicht erreicht werde, müsse neu gewählt werden.

Wo wird überall über die drei Wahlen berichtet?

ARD: Um 17.30 Uhr melden sich aus Stuttgart unter dem Titel „Wahl 2016“ Fritz Frey, aus Mainz Birgitta Weber und aus Magdeburg Stefan Raue. Die „Tagesschau“ um 20 Uhr wird um 15 Minuten verlängert, um 22 Uhr folgt „Tagesthemen extra“.

ZDF: Auch das Zweite berichtet ab 17.30 Uhr aus allen drei Ländern – präsentiert von Bettina Schausten. Um 19.40 Uhr kommt die „Berliner Runde“ mit Elmar Theveßen.

Phoenix: Der Ereigniskanal bietet 25 Stunden Programm, angefangen am Freitag ab 9.30 Uhr mit dem aktuellen Geschehen vor der Wahl, am Sonntag ab 16 Uhr mit den aktuellen Entwicklungen und Hochrechnungen und am Montag ab 8 Uhr die Nachlese.

SWR: Der Sender hat gleich zwei Wahlen abzuarbeiten – in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg. Es beginnt um 17.30 Uhr auf beiden Programmfenstern mit „Die Wahl bei uns“. Die Berichterstattung erstreckt sich bis 22.45 Uhr mit der letzten Schalte zu „Die Entscheidung“.