Studie: Immer öfter drohen AKW-Abschaltungen

Das Kernkraftwerk Bibils im Süden Hessens.
Das Kernkraftwerk Bibils im Süden Hessens. Foto: dpa

Berlin – Einer neuen Studie zufolge müssten länger laufende Atomkraftwerke wegen des Ökostrom-Booms in Zukunft immer häufiger kurzfristig heruntergefahren werden. Bei der derzeit diskutierten längstmöglichen Verlängerung der Laufzeiten bis zum Jahr 2048 könnte es laut einer Studie der Universität Flensburg zu bis zu 15.800 Abschaltungen kommen.

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Berlin – Einer neuen Studie zufolge müssten länger laufende Atomkraftwerke wegen des Ökostrom-Booms in Zukunft immer häufiger kurzfristig heruntergefahren werden. Bei der derzeit diskutierten längstmöglichen Verlängerung der Laufzeiten bis zum Jahr 2048 könnte es laut der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie der Universität Flensburg zu bis zu 15.800 Abschaltungen kommen.

Auftraggeber der Studie war der Öko-Energieversorger Lichtblick. Grund der Abschaltungen laut Studie: Ökostrom wird mit gesetzlichem Vorrang in das Stromnetz eingespeist und Atomkraftwerke gelten als nicht flexibel genug, um auf die schwankenden Strommengen aus Wind- oder Solarenergie zu reagieren. Die Atomkonzerne müssten durch diese Produktionsausfälle auf Gewinne in Höhe von 21 bis 80 Milliarden Euro verzichten, heißt es in der Untersuchung. Je nach Typ kann ein Meiler seine Leistung nur auf 50 oder 60 Prozent drosseln. Wird weniger Atomstrom benötigt, müsste er vom Netz. Nach einer Komplettabschaltung benötigt ein AKW rund 50 Stunden, um wieder anzufahren.

Die Atombranche hingegen verweist darauf, ihre Anlagen seien teilweise regelbar. Zudem seien bis auf weiteres Kraftwerke nötig, die beständig die gleiche Menge produzieren, um die Schwankungen bei der Ökostrom-Produktion auszugleichen.

Ökostromanbieter wie Lichtblick befürchten, dass es in Zukunft zu einer Diskussion über den Einspeisevorrang für die erneuerbaren Energien kommen könnte, damit die Energiekonzerne Betriebsausfälle der AKWs vermeiden können. In Großbritannien hätten Atomkonzerne bereits die Begrenzung der erneuerbaren Energien auf 20 bis 33 Prozent der Stromproduktion gefordert. Zum Vergleich: Für Deutschland erwartet die Bundesregierung bis 2020 einen Anteil des grünen Stroms von knapp 40 Prozent.

Die Ökostrom-Branche warnt seit Wochen vor einem Systemkonflikt – ein Sowohl-als-Auch von grünem Strom und Atomenergie sei nicht möglich. Weder eine Laufzeitverlängerung der AKW noch ein Neubau von Kohlekraftwerken sei erforderlich, um die künftige Stromversorgung zu sichern, betonte Studienautor Professor Olav Hohmeyer von der Uni Flensburg – er ist auch Mitglied des Sachverständigenrats, der die Bundesregierung in Umweltfragen berät.

„Angesichts der großen Ausbaudynamik könnten wir Deutschland schon 2030 komplett mit regenerativem Strom versorgen“, sagte Hohmeyer. Da die Atomkraftwerke aber nach derzeitiger Gesetzeslage noch bis über das Jahr 2020 hinaus und die jüngsten Kohlekraftwerke noch bis etwa 2040 laufen, sei eine 100-prozentige regenerative Versorgung erst für das Jahr 2050 zu erwarten.