„Starr vor Schock“ – Prozess um tödliche Irrfahrt eines Seniors
Der 85- jährige Angeklagte Sime J. steht zu seinem Fehlverhalten und hat sich entschuldigt. Er geriet wohl nach einem Zusammenstoß mit einem Radfahrer in Panik und verwechselte das Gas- mit dem Bremspedal.
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Der 85- jährige Angeklagte Sime J. steht zu seinem Fehlverhalten und hat sich entschuldigt. Er geriet wohl nach einem Zusammenstoß mit einem Radfahrer in Panik und verwechselte das Gas- mit dem Bremspedal.
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Der 85- jährige Angeklagte Sime J. steht zu seinem Fehlverhalten und hat sich entschuldigt. Er geriet wohl nach einem Zusammenstoß mit einem Radfahrer in Panik und verwechselte das Gas- mit dem Bremspedal.
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Das Ergebnis unserer Umfrage zu diesem Thema im Sommer 2016
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Das Amtsgericht in der 17.000 Einwohner zählenden Kleinstadt, direkt an der Grenze zur Schweiz, verhandelt einen Fall, der im Mai 2016 überregional Schlagzeilen machte. Er wirft generelle Fragen auf, es geht um Senioren im Straßenverkehr. Bei dem Unfall gab es zwei Tote und 27 Verletzte.
Der Rentner fuhr dabei mit seinem Auto über das Kopfsteinpflaster sowie durch zwei Straßencafés der belebten Altstadt und kam erst an der Sitzbank vor einem Modegeschäft zum Stehen. Das Auto erfasste Menschen an Café-Tischen und Passanten. „Die Menschen hatten keine Chance, auszuweichen“, sagt ein Polizeibeamter, der als einer der ersten Helfer vor Ort war. Die Innenstadt war damals, an einem Samstagmittag im Frühling, gut besucht.
Der Rentner hat der Anklage zufolge beim Wenden auf der Parkplatzsuche im Innenstadtverkehr Gas und Bremse seines Automatikautos verwechselt. Der Wagen schoss in die Menschenmenge. Das Auto, sagt die Staatsanwältin, fuhr mit mindestens 40 Kilometer pro Stunde durch die Fußgängerzone.
Mobil zu sein, ist ein Stück Lebensqualität. Doch wenn Probleme mit der Wahrnehmungsfähigkeit oder der Reaktionszeit auftreten, kann es im Verkehr gefährlich werden. Soll es Fahrtauglichkeitstests für Senioren geben?
Nach Zusammenstoß mit einem Radfahrer kommt die Panik
Plötzlich kollidierte ein Fahrradfahrer mit dem Auto. Der Großvater habe Panik bekommen und auf das Gaspedal getreten. „Er war starr vor Schock. Und plötzlich schoss das Auto los. Ich habe Schreie gehört und nur gehofft, dass das Auto bald stoppt.“ Der Angeklagte, sagt sein Anwalt, habe seit 1965 den Führerschein. Und war seither stets unfallfrei unterwegs.
Der Unglücksort ist nur wenige Meter vom Gericht entfernt. Der Unfall hatte eine Debatte über Senioren als Autofahrer ausgelöst. Das Bundesverkehrsministerium sowie der ADAC lehnten danach eine strengere Überprüfung von Senioren mit Pflichttests erneut ab. Der ADAC rief Senioren aber dazu auf, sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen und im Zweifel Rat bei einem Mediziner zu holen.
Die Gefahr bei Autos mit Automatikgetriebe sei höher als bei Handschaltern, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer in Berlin. „Ein Tritt aufs Gas lässt das Auto ruckartig und stark beschleunigen. Ältere Fahrer sind in der Regel nicht so reaktionsschnell. Sie haben Mühe, den Fehler rasch zu korrigieren und bleiben dann erst einmal auf dem Gaspedal.“
Automatik-Autos gelten als besonders gefährlich
Solche Fälle gebe es immer wieder, zumal Autos mit Automatikgetriebe bei Senioren beliebt sind. Bei Fahrzeugen mit Handschaltung sei diese Gefahr nicht so groß, die Beschleunigung geringer. Zudem würge das Auto dann meist ab und komme so zum Stillstand.
„Mich dem Gericht zu stellen, ist das Mindeste, was ich tun kann“, lässt der Angeklagte in Bad Säckingen seinen Anwalt sagen. Er höre und sehe schlecht, dem Prozess könne er nur mit Mühe verfolgen: „Ich hoffe, dass ich das Geschehene in der Lebenszeit, die mir noch bleibt, verarbeiten kann.“
Ihm drohen bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung laut Strafgesetzbuch (StGB) bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Bei fahrlässiger Körperverletzung sind es bis drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Den Führerschein musste er gleich nach dem Unfall abgeben. Autofahren darf der Senior seitdem nicht mehr (Az.: 2 LS 24 JS 3442/16).
Von Jürgen Ruf (dpa)