Rom

„Spirituelles Alzheimer“: Päpstliches Donnerwetter erschüttert die Kurie

Nachdenklicher Papst
Nachdenklich: Papst Franziskus bei einer Kurienversammlung. Foto: Andreas Solaro

Der Applaus der Kardinäle und Bischöfe fiel eher sparsam aus, viele lächelten gequält. Denn das, was der Papst in seiner Weihnachtsansprache äußerte, hatte es in sich: Anstatt nur gute Wünsche zum Fest zu übermitteln, nutzte Franziskus die traditionelle Rede für eine grundlegende Kritik an der Vatikan-Bürokratie.

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Von Miriam Schmidt

15 Krankheiten der Kurie listete der 78-Jährige auf, prangerte ein „spirituelles Alzheimer“, eine „mentale Erstarrung“, den „Terrorismus des Geschwätzes“ und die „Krankheit der Rivalität und Eitelkeit“ an.

Zwar hat Franziskus noch nie mit Kritik an der Kurie gespart, und auch die dringend notwendige Reform der Verwaltung des Vatikans, der sogenannten Kurie, steht ganz oben auf seiner Agenda. Doch so deutliche Worte hat das Oberhaupt der katholischen Kirche bisher selten gefunden. „Der Papst hat oft mahnende Reden gehalten, aber das ist ein frontaler Angriff gegen die starre Position der Kurie“, sagte Marco Politi, Papst-Biograf und Kommentator für die Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“. „Diese scharfe Rede ist ein Zeichen des Konflikts zwischen der Kurie und Franziskus.“

Die Liste der „Krankheiten der Kurie“, wie das Oberhaupt der katholischen Kirche die Probleme in der Bürokratie des Kirchenstaates nennt, ist lang: Sich unsterblich fühlen, Rivalität und Eitelkeit, Schizophrenie, Gerüchte, Gemunkel und Tratsch, Vergötterung der Chefs, Gleichgültigkeit gegenüber anderen, geschlossene Zirkel und Prahlerei. „Die Kurie ist wie jeder menschliche Körper Krankheiten, Missständen und Gebrechen ausgesetzt“, urteilte der Argentinier.

Päpstliches Donnerwetter erschüttert die Kurie
Foto: dpa

Warnungen über Warnungen

„Eine Kurie, die sich nicht selbst kritisiert, die sich nicht weiterentwickelt, die nicht versucht, sich zu verbessern, ist ein kranker Körper“, kritisierte Franziskus. Er warnt diejenigen vor dem Verlust des Mitgefühls, „die die innere Gelassenheit verlieren, die Lebendigkeit und den Mut, die sich hinter Papier verstecken“. Als weiteres Gebrechen sieht Franziskus das „spirituelle Alzheimer“ – „das Vergessen der persönlichen Geschichte mit dem Herrn“. Ein großes Übel sind für Franziskus „Rivalität und Eitelkeit“, „wenn das Auftreten, die Farbe der Kleidung und die Insignien der Orden das erste Ziel im Leben werden“. Auch den „Terrorismus des Geschwätzes“ verurteilte der Papst. „Es ist die Krankheit der feigen Menschen, die nicht den Mut haben, direkt mit jemandem zu sprechen.“

Franziskus will etwas ändern, frischen Wind in die Kirche bringen, aufräumen – das hat er schon mehrmals deutlich gemacht. Dass das nicht allen gefällt und dass er dabei auf Widerstände stößt, ist auch dem Papst bewusst. Vor Kurzem erklärte der Argentinier in einem Interview, die Kurienreform werde sich noch über das kommende Jahr hinaus hinziehen. „Es gibt noch viel zu tun“, erklärte er. Doch das hält den Papst nicht davon ab, Probleme offen anzusprechen. Die Krankheiten der Kurie zu benennen und sich deren bewusst zu sein, sei bereits der erste Schritt zur Besserung, erklärte Franziskus.

Kardinäle
Kardinäle verlassen eine Kurienversammlung im Vatikan.
Foto: Andreas Solaro

Die letzte Warnung?

Für den Vatikankenner Politi ist der Papst bei seinen Reformideen an einem entscheidenden Punkt angekommen. „Bis jetzt hat der Papst eine milde Linie verfolgt, die mehr auf Überzeugung setzte.“ Nun müsse er jedoch entscheiden, ob er so weitermachen oder Schlüsselpositionen neu besetzen will. „Es ist ganz bestimmt eine letzte Warnung“, erklärt er.